Buchmensch

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Buchmensch vor 8 Jahren 19 3
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Duft
Nicht noir zur Weihnachtszeit
Hinter »Pétale Noir« war ich lange her. Ich fand die Duftpyramide hochinteressant, mir gefiel der Name, die Flasche auch, und wie ich schon in meinem Kommentar zu Yves Rochers »Vanille Noir« geschrieben habe, gehöre ich zu der Zielgruppe, die sich von allem, was noir ist, ködern lässt. Aber ich wollte nicht die Katze im Sack kaufen, Bei dieser riesenlangen Liste an Duftkomponenten fiel es mir schwer, mir wirklich vorzustellen, wie das Endergebnis riechen sollte - und ohnehin war es an der Zeit, ein bisschen für meinen Mut zu tun und mich endlich in richtige Parfumerien zu wagen, auch wenn ich in meinen abgewetzten Jeans und ausgelatschten Schuhen nicht wie ein typischer Kunde aussehe und immer Angst habe, unfreundlich behandelt zu werden.

Anfang Dezember, zu Besuch in München, ging ich also auf Parfumerien-Tour. Zugegeben, bei Ludwig Beck habe ich mich nicht hineingewagt, aber es blieben immerhin mehrere Douglasien übrig, irgendwas kleineres, dessen Name ich mir nicht gemerkt habe, und eine obskure Billigparfumerie, wo ich schnell wieder draußen war. Habe festgestellt, dass es durchaus von Vorteil ist, ein bisschen schlampert auszusehen: In keiner Buchhandlung der Welt hatte ich so schnell einen Verkäufer mit der Frage »Kann ich Ihnen weiterhelfen?« an meiner Seite wie in jeder einzelnen dieser Parfumuerien. In der Tat, jeder war freundlich zu mir, auch wenn ich mich zugegeben etwas argwöhnisch beobachtet fühlte.

Aber ich war ja gut vorbereitet, hatte eine Frage zur Reformulierung von »Opium« zur Hand (deren Antwort ich schon wusste, aber irgendwie hatte ich immer das Bedürfnis, mich auch wirklich als engagierten Parfumfreund auch teurerer Marken zu erkennen zu geben), und eine Wunschliste von drei Düften, die ich probeschnuppern wollte, ehe sie auf den Weihnachtswunschzettel wandern, ganz oben »Pétale Noir«. Die Marke Agent Provocateur kenne ich eigentlich nicht, jedenfalls nicht außerhalb von Parfums - dafür ist die Modewelt zu lange komplett an mir vorbeigelaufen. Aber ich hatte sie so eingeschätzt, auch vom Preisniveau her, dass es etwas ist, das man in Parfumerien bekommt. Nun, Fehlanzeige, zumindest in München. Niemand, den ich fragte, hatte auch nur irgendeinen Duft von ihnen im Angebot, und so landete dann ein anderer Duft auf meinem Wunschzettel.

Aber zu Weihnachten gab es auch einen unerwarteten Geldsegen - meine Oma, die sonst nie etwas schenkt, überwies einen kleineren Betrag, und die zusätzliche Aussicht auf einen lukrativen Buchvertrag machte mich spendabel, so dass ich mir mein schwer zu fassendes »Pétale Noir« doch kurzerhand als Blindkauf leistete. Es war teurer als das, was ich normalerweise in einen Blindkauf investierte, und um so mehr wollte ich das Endergebnis lieben - aber als das Päckchen dann kam, war ich enttäuscht. Die Flasche sah in Natura billiger aus als auf dem Foto, der neckische Ring zum Entsichern wirkte eher fimischig, und bei Parfums ohne Deckel habe ich immer Angst, sie verdunsten mir - vor allem aber hat der Geruch mich überhaupt nicht überzeugen können.

Eine Duftpyramide mit ungefähr dreihundert Komponenten, darunter Leder, Tabak, Vetiver - ich erwartete etwas Androgynes, etwas, das Schmackes hat und vielleicht einen flotten Tango aufs Parkett legt. Aber von wegen »Schwarzes Blütenblatt« - alles, was ich roch, war zart, duftig, luftig, blumig, irgendwie undefiniert, irgendwie ein Blütenstampf, aber überhaupt nicht noir. Noch nicht mal den angeblich vorhandenen Patchouli konnte ich herausriechen. Wo ich auf strenge Androgynität gehofft hatte, bekam ich das tantigste aller Tantenwasser. Ich fühlte mich zugleich zu jung und zu alt für diesen Duft, zu wenig weiblich, zu dick, und ich mag es nicht, wenn irgendwas versucht, mir mein positives Körpergefühl zu nehmen. »Pétale Noir« war ein Kleid, in das man nicht hineinpasst, und ich wusste auch genau, wie es aussieht:

Als junge Frau wollte ich immer ein Kleid von Laura Ashley haben (ja, das war die erste Modemarke, die ich kannte) - ein zartes, kleingeblümtes Kleidchen wollte ich mir kaufen, von meinem allerersten Gehalt. So weit ist es nicht gekommen, war mein erstes Gehalt doch ein Azubilohn von umgerechnet vierhundert Euro - aber nun hatte ich zumidest ein virtuelles Laura-Ashley-Kleid: Genau so roch nämlich »Pétale Noir« bei unserer ersten Begegnung. Kleingeblümt, mädchenhaft verspielt, berüscht. Es hätte mir vielleicht mit Anfang 20 ganz wunderbar gestanden oder wieder mit Mitte 60. Aber nicht jetzt, mit Anfang 40, und nicht zur Weihnachtszeit.

In so einem Fall, wenn ich den Duft ohnehin gekauft habe, bekommt ein Parfum eine zweite Chance, wenn sich das Wetter gedreht hat. Normalerweise kann ich einen Duft, den ich mag, bei jedem Wind und Wetter tragen. Schwere Orientalen im Sommer? Na sicher - wie ist denn das Wetter im Orient? Passt! Aber manchmal kommt ein Parfum daher, das geht wirklich nicht das ganze Jahr über. »Pétale Noir« ist so ein Duft. Im Winter gibt er mir überhaupt nichts. Vielleicht brauchen die zartflüchtigen Komponenten Wärme, um sich zu entfalten, oder zumindest mehr Wärme als im Dezember, denn warm ist es im Moment ja lang nicht. Aber ich habe heute »Pétale Noir« getragen, und es hat mir gut gefallen.

Von der überfrachteten Duftpyramide rieche ich immer noch nur das Röschen raus, halb versteckt hinter dem Maiglöckchen. Aber je länger ich den Duft auf der Haut habe, und die Wirkung kann sich sehen lassen, desto mehr kommt eine Pfeffernote heraus, die ich zwar in der Liste nirgends finde, die mir aber sehr zusagt. Blumen, schwarzer Pfeffer, und ein Hauch von Zitronengras. Noir würde ich das Ergebnis immer noch nicht nennen, aber vielleicht etwas noirer als im Winter, ja, doch, kann hinkommen. Der Duft bleibt luftig, fluffig, blumig, zart, immer noch mehr Rüschenkleid denn Rollkragenpullover. Aber vielleicht ist Sommerregenwetter einfach besser gedacht, um so ein leichtes Düftchen zur Geltung zu bringen.

Bekomme ich Laura Ashley auch in Übergrößen?
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Buchmensch vor 8 Jahren 15 2
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Duft
Der Meister des achten Tags
Man begegnet sich immer mehrmals m Leben, und "8e jour" und ich haben bestimmt ein Halbdutzend Anläufe gebraucht, um uns endlich lieben und schätzen zu lernen - sozusagen das "Harry und Sally" der Parfumwelt.

Das erste Treffen muss irgendwann 1995 gewesen sein, in Köln. Dort, auf der Schildergasse, war ein Yves Rocher-Laden, und auch wenn ich von mir aus niemals dort hineingegangen wäre, wollte das aber meine Freundin, und ich zockelte hinterher - der Beginn einer großen Liebe. Ich kaufte Handcreme mit Ringelblumenextrakt, mein erstes Parfum, "Nature", und wo ich gerade dabei war, probierte mich durch das restliche Duftangebot. Letzteres ohne Rücksicht auf Verluste: Statt nur einen Duft auf einmal aufzusprühen, teilte ich meine Hände in Zonen ein, und mit der Gründlichkeit eines Allergietestes sprühte ich Duftproben auf. Im Nachhinein kann ich nur hoffen, dass die Sillage nicht so groß war - ich mag gar nicht vorstellen, wie jemand riecht, der sich gerade das gesamte 90er-Jahre YR-Sortiment aufgesprüht hat!

Die Favoriten waren schnell ausgemacht: "Nature", natürlich, und "Venice" - "8e jour" hingegen konnte überhaupt nicht überzeugen, ich roch in erster Instanz nur Katzenpipi. Aber irgendwann gegen Abend stieg mir etwas in die Nase, wunderbar weich, warm, süß, geheimnisvoll ... Ich ließ die Nasenspitze über die Hand wandern, machte die Stelle aus, von welcher der Duft ausging, und versuchte, mit meiner Erinnerung abzugleichen, was ich dorthin gesprüht hatte. Handrücken rechts, nahe dem Mittelfingerknöchel ... Das kann doch nicht das gleiche "8e jour" sein wie vorhin?

Ich war erstaunt. Man bedenke, es war meine erste Begegnung mit Parfum auf meiner Haut überhaupt. Während meiner Schulzeit hatte ich an den Parfumpröbchen, die mir meine Großtante zukommen ließ, geschnuppert, aber mich nie getraut, etwas aufzutragen, und ich hatte keine Ahnung, dass sich die meisten Parfums erst einmal entwickeln müssen - und ausgerechnet Yves Rocher ist nicht die beste Marke, um dieses Prinzip zu lernen, sind doch die meisten Düfte sofort da und verändern sich dann auch nicht weiter, nur eben "8e jour" machte da eine Ausnahme. Ich merkte mir den Namen für später - das zumindest hatte ich schnell raus: Bei Yves Rocher nie zum vollen Preis kaufen. Immer Sonderangebot abpassen. Vor allem, wenn man ein armer Student ist.

Aber das Sonderangebot ließ auf sich warten. Anders als andere Düfte, die es schnell für kleines Geld gab, war "8e jour" wohl einer von den luxeriösen Düften im YR-Sortiment, und es dauerte zwei oder drei Jahre, bis ich endlich ein Fläschchen "8e jour" EDT besaß - nicht in dem hochinteressanten Schüttflakon, der in der Draufsicht aussieht wie ein Auge, sondern den deutlich schlichteren Sprühflakon. Aber der Duft sollte ja der gleiche sein, egal wie die Flasche aussieht, oder? Ich sprühte, ich wartete, und ich war enttäuscht. Es war nicht das, woran ich mich erinnerte. Vielleicht hatte ich damals überhaupt die Zone auf meiner Hand falsch zugeordnet? Nicht, dass ich "Nuit Orchidee" oder "Ispahan" gerochen hatte? Oder ich hatte eine Flasche erwischt, die nicht mehr gut war? Ich beweinte mein rausgeschmissenes Geld, stellte die Flasche in den Schrank, und rührte sie nicht mehr an.

Jahre vergingen. Ich entdeckte Parfum wieder, ich entdeckte Parfumo, und ich probierte mich durch die Parfums, die ich fast zwanzig Jahre und drei Umzüge lang mit mir rumgeschleppt hatte, und da war auch mein "8e jour" wieder. Zeit, ihm noch eine Chance zu geben … Ich sprühte, ich schnupperte, und ich rannte ins Bad, um es mir abzuwaschen. Diesmal war ich mir sicher: Der Duft musste gekippt sein. Ich roch Maggi, ich roch Katzenpipi, ich roch alles, was für mich einen gekippten Duft ausmachte (man muss dabeisagen, dass "8e jour" der erste Duft war, den ich überhaupt als gekippt identifizierte). Aber ich gab nicht auf. An einem Abend im Jahr 1995 hatte ich etwas wundervolles gerochen, und diesen Geruch wollte ich zurück, koste es, was es wolle!

Es kostete etwas mehr, aber endlich gelang es mir, eine Flasche des inzwischen lang vergriffenen und gesuchten Duftes zu ersteigern - diesmal den hübschen augenförmigen Schüttflakon. Ich träufelte, ich tüpfelte - wirklich, Schüttflakons überfordern mich, ich bekomme das Zeug nicht so auf die Haut, wie ich es gerne hätte - und das Ergebnis roch … genauso wie mein letzter Versuch. Ich war verflucht. "8e jour" mag mich nicht. Und in noch eine Flasche wollte ich nicht investieren. Und so vergingen noch einmal an die zwei Jahre, bis ich, so schnell gebe ich ja nicht auf, "8e jour" eine letztes, allerletzte Chance gab. Diesmal wieder aus der Sprühflasche. Und mit mehr Geduld. Ich endete im siebten Himmel. Beim gefühlt achten Versuch waren der achte Tag und ich endlich Freunde geworden.

Vielleicht liegt es daran, dass ich in der Zwischenzeit vierzig geworden war und vorher einfach zu jung für diesen Geruch. Ich denke nicht, dass man "8e jour" gut mit zwanzig Jahren tragen kann. Der Duft ist zu reif, zu raffiniert, zu vielschichtig. Und er erfordert, wie alles, das Jasmin enthält, Geduld. Zumindest bei mir riecht Jasmin immer zuerst nach Katzenpipi - das gilt z.B. auch für "Tendre Jasmin". Aber wenn man das einmal hinter sich hat - war zwei Stunden oder mehr dauern kann - wird es buchstäblich dufte. Wenn der Jasmin die Party verlassen hat, wagen sich die anderen, die sich in der Zwischenzeit in der Küche versteckt hatten, endlich auf die Tanzfläche. Honig, Zimt und Myrrhe sagen dem DJ, was er auflegen soll, Rose und Ylang Ylang tanzen dazu, lang und ausdauernd bis zum nächsten Morgen. Eine Orientale nicht von der Stange, kein Floriental, sondern fast schon gourmandig, so präsent ist der Honig bis zum Schluss.

Es gibt Düfte, da dauert es einfach etwas länger, sie zu zähmen, und manchmal muss man sich auch selbst darauf einlassen, sich zähmen zu lassen. "8e jour" ist ein sehr spezieller Duft, nicht für jeden Tag und nicht für jeden Menschen. Während mir meine Favoriten der 90er heute zu brav, zu beliebig, zu durchschnittlich erscheinen (mit "Nature" kann ich nicht mehr viel anfangen, ich fühle mich zu alt dafür), fühle ich mich von "8e jour" in meiner Künstlerseele ernstgenommen. Ich bin interessant, einzigartig, verschroben, und ich brauche Düfte, die das unterstreichen. Ich mag "8e jour" immer noch nur an bestimmten Tagen tragen, ich brauche eine besondere Stimmung dafür, und ich möchte nidht, dass der Duft sich abnutzt, er soll etwas besonderes bleiben für mich. Aber jetzt, nach all den Anläufen, die wir beide füreinander gebraucht haben, ist es eine lange und glückliche Liebe.
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Buchmensch vor 8 Jahren 18 4
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7.5
Duft
Zurück in die Siebziger
Ich habe ein Faible für sortierte Listen - einer der Gründe, warum ich Bibliothekarin geworden bin. Man nennt mich auch die Listenreiche. Und als ich nach Parfumo kam, entdeckte ich Listen über Listen, in denen ich stundenlang schmökern konnte. Parfums nach Name … nach Herrsteller … Duftrichtung … Farbe … und nach Erscheinungsjahr. Ich war begeistert. Es geht doch wirklich nichts über gutsortierte Verzeichnisse. Vor allem die Jahreszahlen hatten es mir angetan. Ich ordnete den Frauen meiner Familie Parfumklassiker aus ihrem Geburtsjahr zu, um ihnen zu einem runden Geburtstag eine Flasche ihres Jahrgangsduftes zu schenken: »Da, das ist so alt wie du und immer noch aktuell. Wie du!«

So freute sich meine 1948 geborene Mutter zu ihrem 65. über ein Fläschchen »L'Air du Temps«, was wirklch gut zu ihr passt. Meine Oma, Jahrgang 1919, ist »Mitsouko«, aber wir schenken uns nichts. Für meine Schwester gibt es zu ihrem Vierzigsten in zwei Jahren »Mystere« von Rochas. Und ich bin Jahrgang 1975. Ich bin »Chloé«. Ein bisschen frustrierend ist es ja schon, dass meine Oma und Mutter immer noch produziert werden, während meine Schwester und ich Auslaufmodelle sind - aber zumindest an das klassische Chloé kommt man ohne Probleme ran, originalverpackt und zum kleinen Preis, und so habe ich es mir jetzt endlich geleistet als verspätetes Geschenk zum Vierzigsten (sehr verspätet, denn der war letzten April), ein Blindkauf, und konnte jetzt also endlich nachvollziehen, wie meine Kindheit gerochen hat.

Auch wenn ich ein Kind der Siebziger bin, habe ich doch ziemlich wenig von der Zeit mitbekommen, dafür war ich noch zu jung, als sie vorbei waren. Mein prägendes Jahrzehnt sind die Achtziger. An die Siebziger habe ich diffuse Erinnerungen, Bilder, Fetzen von Eindrücken, und Fotos in Farbe und Schwarzweiß. Die Schwarzweißfotos haben sich gut gehalten, aber die Farbfotos sind ganz schön mutiert - alles erscheint mit einem Orange-Filter überzogen. Und genau wie diese Fotos riecht Chloé. Ich kann mir keinen Duft vorstellen, der mehr Seventies ist als dieser. Schwülstig, patiniert, bunt, tief, aufdringlich, warm, und großartig.

Der Auftakt ist seifig, und erste Spuren des Mooses sind schon zu erahnen, wie bei einem frisch geschrubbten Bürgersteig (macht man das heute überhaupt noch, Bürgersteige mit Seifenlauge schrubben? Noch so eine Kindheitserinnerung …) Aber je mehr sich der Duft entwickelt, desto weniger bin ich in der Lage, die einzelnen Komponenten herauszuriechen. Es ist wie bei 4711 Kölnisch Wasser, so ein alter Bekannter, dass man ihn nur noch am Stück wahrnimmt und nicht mehr in Einzelteilen. Ich rieche vernehmlich Aldehyde, besagtes Moos, dazwischen etwas undefiniert Blumiges - vor allem aber rieche ich meine Kindheit, und das lässt mich rätseln.

Meine Mutter hat sicher kein Chloé getragen. Sie hatte eine einzige Flasche Parfum, selten benutzt, ich wüsste gerne, von welche Marke, aber es war eine blassgelbe Flüssigkeit in einer schlichten, gerade Flasche mit schwarzem Deckel, und Chloé hat zu keinem Zeitpunkt so ausgehen. Und meine Tagesmutter, bei der ich in den Siebzigern mindestens so viel Zeit verbracht habe wie bei meiner Mutter - die könnte es gewesen sein, aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie für mich jemals parfumiert gerochen hätte, sie roch wie sie selbst. Weder Mutter noch Tagesmutter habe ich als Parfumtypen in Erinnerung. Ansonsten wüsste ich wenige Frauen, die ich so häufig getroffen hätte, dass sich dieser Geruch so in meiner Erinnerung eingenistet hätte - aber vielleicht ist es auch nur eine Erinnerung im übertragenen Sinn, an ein lang vergangenes Jahrzehnt.

Es ist ein Duft für eine junge Frau, aber keine junge Frau von heute, sondern eine in den Siebzigern, damals - nicht für die Mittsechziger von heute. Vielleicht ist das der Grund, warum er eingestellt wurde: Seine Kundschaft gibt es so nicht mehr. Und ich? Im Verlauf des Tages habe ich immer wieder versucht, mich zu entscheiden, ob Chloé nun zu mir passt oder nicht, und mich nicht entscheiden können. Auf der einen Seite ist es ein toller Duft. Er hat Charakter und Aussage, ist selbstbewusst, nicht beliebig, und erinnert an manches, was heute unter "Nischenduft" fällt - ich habe "Dianne Brill" ziemlich neu und finde, die gehen beide in eine ähnliche Richtung. Der Duft hat Widersprüche, will sich nicht anpassen, noch nicht einmal mir, und die Sillage ist so gewaltig, dass ich froh bin, dass mein Mann heute verschnupft ist und ohnehin nichts riecht, er ist ja manchmal sehr empfindlich bei Parfums.

Und gehalten hat er, dafür, dass es ein EdT ist, auch ganz anständig. Ich rieche immer noch einen Haus von Moos, gepaart mit einer diffus salzigen Note, auf der Haut. Aber ich habe das Gefühl, dass Chloé in ihrer eigenen Welt lebt. Andere Parfums wachsen beim Tragen zu einem Teil von mir, verändern ihren Geruch durch meine Hautchemie und werden zu etwas, das nur ich bin und das nur an mir so riecht. Chloé bleibt fremd, wie nicht gezähmt werden, auch nicht von mir, ich bin ihr egal, so wie es ihr schnurz ist, dass ihre Zeit vor vierzig Jahren war und heute nur noch auf verschossenen Fotos exitiert. So, wie ich aus den Siebzigern hinausgewachsen bin und leider ihrendwann den Konktakt verloren habe zu meiner heißgeliebten Tagesmutter und ihrer Tochter, meiner allerersten herzliebsten Schwester, bin ich auch aus Chloé herausgewachsen, ohne sie jemals richtig gekannt zu haben.

Aber es ist keine feindliche Fremdheit. Es ist eine Einladung, kennenzulernen, wiederzufinden. Nach Tagesmutter und -schwester habe ich oft und vergeblich gegoogelt, aber zumindest ihr Exmann wohnt noch unter alter Adresse und könnte mir helfen, die Tochter wiederzufinden und über sie die Mutter. Ich will es endlich wagen - damit nicht nur meine Nase eine Zeitreise in die verlorene Vergangenheit antreten kann, sondern auch mein Herz.
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Buchmensch vor 8 Jahren 11 3
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Duft
Dupe Dupe Hurra!
Eigentlich kaufe ich keine Dupes. Nicht, weil ich mir zu gut dafür bin, oder weil ich zu arrogant wäre für billige Düfte, aber weil ich keine Plagiate mag. Ich möchte nicht, dass meine Texte plagiiert werden, dann möchte ich auch niemanden dafür bezahlen, dass er anderleuts Düfte nachmacht. Die paar Dupes, die ich besitze, waren Fehlkäufe auf Ebay in einer Zeit, als ich noch wenig über Parfums wusste und alles gekauft habe, was erschwinglich war und halbwegs interessant klang - und ich habe viel Geld dabei aus dem Fenster geworfen, weil das vermeintliche Schnäppchen dann einschließlich Porto mehr gekostet hat, als wenn ich es einfach in der Drogerie erstanden hätte. Lehrgeld eben. Ich habe früher auch Bücher gekauft, die ich heute nicht mehr kaufen würde. Der einzige Dupe, den ich mir bewusst und absichtlich gekauft habe, ist »Papaver«. Und ich würde es nicht noch einmal tun.

Ganz oben auf meiner Parfum-Wunschliste, und das seit Jahren, ist »Opium«. Das geht schon beim Namen los - eine gewisse Faszination für Rauschgifte kann ich nicht verleugnen, und Opium hat eine lange Tradition als Dichter-Droge erster Wahl - und hört beim Duft selbst noch lange nicht auf. Als ich mich das erste Mal in eine Parfumerie getraut habe (da gab es lange gewisse Berührungsängste von meiner Seite), war der allererste Duft, den ich mir zur Probe aufgesprüht habe, »Opium«. Gut, es war nicht wirklich eine Parfumerie. Es war der Duty-Free-Shop der Fähre von Calais nach Dover. Aber es war das echte »Opium«. Und ich war vom ersten Schnüffler an begeistert. Das! Muss! Ich! Haben! Schnell zurück zum wartenden Mann, und ihm zeigen, was ich großartiges entdeckt hatte … Und der Mann fing an zu röcheln.

Ich hatte ja mit vielem gerechnet. Mein Mann mag nicht jeden Duft, es sei ihm zugebilligt, eine eigene Meinung zu haben. Aber mit »Opium« war das etwas anderes. Ich hielt ihm mein Handgelenk unter die Nase, und er bekam einen Asthmaanfall. Irgendwas ist in »Opium«, auf das mein Mann allergisch reagiert. Und da uns noch drei Stunden Autofahrt ins Haus standen, in einem kleinen Wagen, wo der Mann nicht weglaufen kann, stand ich bald schweren Herzens am Waschbecken der Fährtoilette und schrubbte mir den wunderbar großartigen Opiumduft wieder ab. Selbst danach roch mein Arm noch toll für den Rest des Tages, zumidest wenn ich die Nase richtig fest dagegen presste. Aber es war kein Vergleich zu dieser wunderwolkigen Duftpracht.

Mein Herz war gebrochen. Vorübergehend trug ich mich mit dem Gedanken, den Mann laufen zu lassen und das Parfum zu wählen - immerhin, dann hätte ich auch endlich eine Katze haben können, da ist er nämlich auch allergisch drauf. Aber letztenendes siegten Vernunft und Liebe. Ich kann versuchen, ein Dupe vom Opium« zu finden. Ein Dupe von meinem Mann ist hingegen schwerer aufzutreiben. So recherchierte ich, welcher der einschlägigen Dupe-Produzenten - Creation Lamis, La Rive, Dorall, etc. - das beste Opiumimmitat im Angebot hat, und blieb am Ende bei »Papaver« von Creation Lamis hängen. Da ist schon der Name ein regelrecht intellektuelles Wortspiel - Papaver Somnium ist der botanische Name des Schlafmons, aber weiß das der durchschnittliche Dupe-Käufer? Papa Wer? Aber ich habe das natürlich verstanden, fühlte mich ergo persönlich angesprochen, und kaufte.

Oberflächlich ist »Papaver« keine schlechte Kopie. Der Duft beginnt mit einer Seifigkeit, die an das Original erinnert, wird dann zimtig und würzig und orientalisch, und es riecht, das muss ich zugeben, sehr, sehr gut. Aber trotzdem kann der Duft nicht verleugnen, dass er ein Billigheimer ist. Die Sillage ist so schwach, dass mein Mann auf sämtliche Komponenten allergisch sein könnte und es nicht merken würde, wenn ich ihm nicht gleich das Handgelenkt in die Nase ramme. Tatsächlich riecht »Papaver« eine halbe Stunde nach dem Auftragen ungefähr so intensiv wie mein »Opium«-Arm, vier Stunden nachdem ich ihn mit Wasser und Seife geschrubbt hatte. Und auch wenn auf den ersten Blick alles da ist, bleibt »Papaver« flach und eindimensional - etwas, das man »Opium« wirklich nicht nachsagen kann. Und die Verpackung, knatschrotes Glas und billiges, klappriges Plastik - nichts daran ist so edel, wie es tut, und was die chinesischen Schriftzeichen (wenn es denn überhaupt welche sind) in Wirklichkeit bedeuten, will ich gar nicht wissen.

Ich trage »Papaver« nicht, um nach »Opium« zu riechen - das würde ohnehin niemand wirklich wahrnehmen. Ich trage ihn als Gedächtnisstütze, um mich daran zu erinnern, was »Opium« für ein toller Duft ist, aber je länger es her ist, dass ich zuletzt am Original riechen durfte, desto mehr verfliegt auch der Zauber von »Papaver«. Ich habe mich noch nicht getraut, einen neuen Versuch mit der Kombination Opium/Mann zu machen. Ich weiß nicht, ob ich damals auf dem Schiff das Original getestet habe oder die reformulierte Version, ob das Eau de Toilette oder Eau der Parfum, und auch nicht, worauf mein Mann damals eigentlich so allergisch reagiert hat. Und es ist mir eigentlich auch egal. Da ich »Papaver« nur für mich selbst trage, könnte ich mir ebensogut auch »Opium« kaufen und es nur für mich tragen oder an Orten, wo ich ohne meinen Mann bin. Der nächste Originalduft, den ich mir leiste, eine Belohnung für den nächsten Buchvertrag, den ich tatsächlich täglich in der Post erwarte, wird »Opium«. Hab ich mir verdient.

Ansonsten: Lektion gelernt. Dupes funktionieren als Gedächtnisstütze, als Gutschein, als Platzhalter. Aber je komplexer das Original ist, desto weniger sind sie in der Lage, damit mitzustinken.
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Buchmensch vor 9 Jahren 42 10
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Sillage
7.5
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10
Duft
Zeig mir den Weg ins Dunkel
Parfumeure, oder zumindest ihre Marketingabteilungen, sind notorische Schwarzmaler. Wollen sie uns signalisieren, dass ein Duft Tiefe, Schwere, Verruchtheit, Düsternis mit sich bringt, versehen sie eine der Komponenten mit dem Zusatz 'schwarz', unabhängig davon, ob diese Farbe in der Natur vorkommt. So gibt es den Duft von schwarzen Orchideen, schwarzen Rosen, schwarzem Honig, schwarzen Nelken … Ohne den Einsatz von Tinte, Chemie oder Umweltverschmutzung gibt es nichts dieser Dinge in Schwarz, und die Assoziation mit Dreck will man eigentlich in seinem Parfum nicht haben. Aber es wirkt. Vielleicht haben wir alle einen kleinen Goth in uns, der dann jubelt »So dunkel! Ich mag das!« und uns die Noir-Version von Mutter Natur kaufen lässt. Wir können sogar den Unterschied zwischen Rose und Schwarzer Rose riechen, obwohl das eine nur eine eingefärbte Variation des anderen ist: Schwarz ist eine eigene Geruchsrichtung.

Bei Vanille ist das anders. Natürlich, die erste farbliche Assosiation zu Vanille ist ein cremiges Gelb, wie Vanillepudding oder Vanilleeis. Die Vanilleblüte ist hübsch gelb. Aber der Duft, und Geschmack, der Vanille wird nicht aus den Blüten gewonnen, sondern aus den Schoten. Und diese, wenn sie reif und getrocknet sind, haben von Haus aus eine schwarze Farbe. Vanille an sich ist schon noir. "Schwarze Vanille" ist ein Pleonasmus, wie "nasses Wasser" oder eine "runde Kugel". Und doch, es wirkt. Wir erwarten von schwarzer Vanille einen anderen Geruch als einfach nur von Vanille. Und wo ich bei Yves Rocher um Vanilledüfte immer einen Bogen gemacht habe und selbst in der Zeit, als ich buchstäblich den Laden leergekauft habe, mit Cap Nature Vanille nicht ins Haus gekommen ist in erwartung geradezu penetranter Süße, habe ich, kaum dass ich nach langer Abstinenz Yves Rocher wiederentdeckt habe, mir als allerersten Duft Vanille Noire gekauft.

Beim ersten Probesprühen war ich wenig begeistert - ich weiß nicht, woran es gelegen haben kann. Falsche Erwartungshaltung? Zu viel verklärte Erinnerung an den Onkel Yves der Neunziger? Nicht Noir genug? Nicht vanillig genug? Ich tendiere eher zu Nase verstopft oder vorrübergehende geistige Verwirrung mit einem totalen Verlust der Zurechnungsfähigkeit. Vanille Noire ist der großartigste Duft, den Yves Rocher in diesem Jahrzehnt oder überhaupt zustandegebracht hat: vielseitig, rund, tief, und natürlich, dunkel. Und beim zweiten Versuch habe ich das zum Glück auch gemerkt. Seitdem sind Vanille Noire und ich die besten Freunde, und ich wieder mit Onkel Yves versöhnt. Dass der auch so modern kann - wer hätte das gedacht?

Direkt nach dem Auftragen ist der Duft, wie so häufig, noch nicht so toll. Während andere Yves Rocher-Düfte sofort da sind und sich danach auch nicht mehr groß entwickeln, kommt bei Vanille Noire erst einmal eine etwas stechende Terpentin-Note. Dieses Harzige verliert der Duft bis zum Ende nicht, aber erst einmal riecht es wirklich nach Pinselreiniger, und zwar einem, in dem man schon einige Pinsel ausgewaschen hat: Fast möchte ich mein Handgelenk mit dem Schild »Achtung, frisch gestrichen« versehen, aber selbst zu dem Zeitpunkt kommt schon genug von der späteren Faszination durch, um mich Vanille Noire schon lieben zu lassen. Und dann entfaltet sich der Duft in seiner ganzen dunklen Schönheit.

Die Mandarine kommt nur ganz, ganz leicht durch, zum Glück - ich kenne in freier Wildbahn kaum einen Geruch, der mir mehr die Haare zu Berge stehen lässt als den, wenn in der Weihnachtszeit drei Leute auf einmal in der U-Bahn ihre Mandarinen pellen und verspeisen. Hier kann man ein Mandarinchen erahnen, mehr nicht. Dafür riecht man die Vanille um so besser, aber es ist Vanille. Richtige Vanille, kein Vanillin und vor allem kein Vanillinzucker. Es ist dunkel, holzig, und weiter sehr, sehr harzig, aber alles Synthetische fehlt, und auch alles Süße. Vanille Noire ist ein sehr ernster, erwachsener Duft, und wo der Hinweis »Noir« an einem Parfum sich oft übersetzen lässt mit »Wir haben ganz viel Patchouli dran getan, ist das nicht prima?«, ist hier auch nichts modrig oder muffig.

Vanille Noire ist dunkel nicht im Sinne von Gruft und Goth, sondern wie Film Noir - eine Welt, in der es kein Gut oder Böse gibt, sondern nur verschiedene Schattierungen von Schatten. Eine Frau, die es trägt, muss kein Engelchen sein, aber auch kein Vamp, es ist nicht der Duft einer männermordenden Femme Fatale, sondern einer Frau, die sich und ihre Arbeit ernst nimmt. Ich denke, dass er auch gut von Männern benutzt werden könnte, aber das kommt auf den Feldversuch an, meiner hat sich bis jetzt standhaft geweigert, irgendeinen Duft an sich auszuprobieren. In jedem Fall trägt man Vanille Noire nicht, um anderen zu gefallen, sondern für sich selbst - wenn er dann anderen gefällt, ist das ein willkommener Bonus, aber mir reicht er für mich selbst völligs aus. Da die Sillage nicht besonders üppig ist, trifft sich das gut - um damit jemanden zu verführen, müsste ich mich mit Vanille Noire völlig einnebeln, und selbst dann gibt es sicher verführerischere Düfte. Ich empfinde ihn nicht als sexy, aber trotzdem als granz großes Kino.

Vanille Noire liefert meiner Nase eine so spannende Erlebniswelt, dass ich sie überhaupt nicht mehr von meinem Handgelenk wegbekomme aus Angst, irgendwas zu verpassen, ständig entdecke ich etwas Neues daran, und wenn ich könnte, würde ich glatt in meinen Arm hineinkriechen, nur um dem Duft näher zu sein. Auch wenn das »Noire« im Namen suggestiert, dass man es nur Abends oder Nachts tragen kann, ist es tatsächlich ein Duft für den ganzen Tag. Bis jetzt habe ich ihn nur im Herbst und Winter verwendet, wohin er prima passt, aber ich kann mir vorstellen, dass er auch den Rest des Jahres über an nicht allzu heißen Tagen, wenn es eher trüb und regnerisch ist, eine gute Figur macht - nicht, weil er selbst düster oder trüb wäre, aber weil er mich einfach glücklich macht. Und Glücklichsein kann ich das ganze Jahr über brauchen.
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