Channi
Channis Blog
vor 9 Jahren - 25.05.2015
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Eins links, eins rechts

Neulich hat der Postbote fette Beute gebracht - zwei Duft-Pakete! Das eine kam von einer Parfümerie und hatte als Zugabe ein Pröbchen vom neuen Hugo Woman EdP dabei. Na, das musste ich natürlich sofort probieren! Und, was soll ich sagen, süß und fruchtig, freundlich, angenehm, einer von diesen grade angesagten Mainstream-Düften, von denen ich verstehen kann, warum sie sich gut verkaufen, könnte ich mir auch für mich selbst vorstellen… ich lehne mich mit einem zufriedenen Lächeln zurück, setze ihn auf meine vielleicht-kaufen-Liste, die Vorhölle zur eigentlichen Wunschliste. Dann ist das zweite Paket dran. Das enthält ebay-Beute, SEHR günstig, Trick verrate ich nicht, aber es hat etwas mit Ausdauer und Gründlichkeit zu tun ;-)

Da ist jetzt eine Flasche Chanel No. 5 drin, 7,5ml Parfum, fast voll. Ich habe das Parfum und das Eau de Toilette schon früher besessen, zur Zeit begleitet mich das Eau de Parfum und jetzt ist also wieder das Parfum da und ich hab noch ein Handgelenk frei! Passt natürlich gar nicht zu Hugo. Ganz andere Richtung, ganz andere Absicht, ganz anderer Stil und ganz überhaupt gar nicht vergleichbar. Egal. Auftupfen. Einen andächtigen Augenblick warten. Den Arm leicht bewegen in Anlehnung an die Fächerbewegung, die Chemiker machen, wenn sie an Flaschen riechen, von denen sie nicht sicher sind was drin ist (NIE! NIE! NIE! den Rüssel reinhängen und tief einatmen, sondern aus sicherer Entfernung mit der Hand über die Flaschenöffnung fächern und dann gegebenenfalls in kürzerer Entfernung wiederholen). Ich habe die Annäherung an die Legende also zelebriert, aus der Ferne die Witterung aufgenommen, beseelt gelächelt, Erinnerungen aufsteigen lassen, bin der Spur gefolgt, bis ich mich endlich an meinem Handgelenk festsog. Und dann?

Totalausfall. Bei Hugo.

Eben war Hugo Woman noch nett, freundlich, könnt ich mir für heitere Sommertage vorstellen, und dann wird im Vergleich, im vollen Bewußtsein, dass es hier um zwei völlig verschiedene Düfte geht, ein Klassenunterschied erfahrbar. Klasse in Bezug auf Qualität. Hugo Woman wirkt nicht mehr nett, freundlich, sommerlich, leicht… sondern banal, eindimensional, uninteressant. Bitte das jetzt nicht falsch verstehen - ich hab das Pröbchen noch, auch wieder benutzt und Hugo Woman befindet sich immer noch auf meiner vielleicht-kaufen-Liste, und wenn mir das jemand schenkt, werde ich es sicher behalten und tragen. Aber mir hat sich hier der Unterschied zwischen Sommermode 2015 und einem Klassiker offenbart. Ich fühle mich auf der sicheren Seite, wenn ich behaupte, dass aus Hugo Woman KEIN Klassiker wird, dass es ein paar Jahre laufen wird und dann eingestellt wird, und nur einige wenige ihm nachtrauern werden, weil sie sich, 15 Jahre alt, in diesem wunderbaren Sommer 2015, zum ersten mal so richtig verliebt haben, als der ganze Sommer nur aus Party am Baggersee, Radfahren und Eiscafe zu bestehen schien…

Das war also der Anfang meiner Vergleichsreihe.

Nächste Etappe. Nach der Arbeit, mein Morgenduft ist verflogen, hab ich in der Stadt etwas zu erledigen und mir läuft Paloma Picasso über den Weg. Oder, Moment, ich laufe einer Flasche Paloma Picasso - Mon Parfum über den Weg. An ihr vorbei. Nein, nicht vorbei. Also wenig aufgesprüht, auf nur einen Arm, nicht eingedieselt, ich kenne das Zeug doch! Und ja, ich erkenne es wieder. Fünfzehn Jahre später riecht es markanter noch als damals. Ich lasse ihm Zeit, vielleicht kaufe ich es nochmal? Mal sehen. Ein paar Stunden warten.

Zu Hause wartet Post. Vor Monaten schon hat mich eine Beschreibung von Philosykos (Diptyque) gefesselt, aber da kommt man hier in der Provinz nicht so leicht ran. Jetzt habe ich mich endlich durchgerungen eine Abfüllung zu kaufen, und die ist angekommen.

Ich hab ja noch einen Arm frei.

Bämm. Sofort ist klar, Paloma brauche ich nicht. Diesmal kein Qualitätsunterschied, sondern mein Stil ist inzwischen einfach eindeutig sehr weit weg von diesem Duft. Ob ich die schöne Feige möchte, weiß ich noch nicht, aber sie ist auf jeden Fall interessanter und mir angenehmer. Ein paar Stunden später ist Philosykos dann auf meiner Wunschliste, nachdem ich massive Korsika-Assoziationen hatte (war zweimal dort und zehre nach gut 20 Jahren immer noch von den Erlebnissen dort, olfaktorisch bedeutend darunter z.B. der Obstsalat mit Kaktusfeigen und Früchten vom Erdbeerbaum und natürlich „richtigen“ Feigen).

Ein anderer Fall von Klarheit: Ich trage Lolita Lempicka Eau de Minuit. Der Duft gefällt mir wirklich, nicht nur ein bisschen, wie das oben erwähnte Hugo Woman. Und da erschreckt mich mein Mann mit einer Frage. Dazu muss ich - zu meiner Entschuldigung - vorausschicken, dass mein Mann eher wenig duftaffin ist, er trägt Parfum erstmal mir zuliebe, auch zunehmend regelmäßig, weil er auch von anderen positive Rückmeldung bekommt, war aber lange selbst wenig wählerisch. „Nicht schlecht“ im Sinne von „es wird einem nicht schlecht davon und man kriegt auch keinen Husten- oder Niesreiz“ war für ihn völlig ausreichend. Bis ich ihm ein Minipröbchen von Terre d’Hermès anbot, da war er plötzlich Feuer und Flamme! Also trägt er das praktisch als Signatur-Duft. Alltags, wenn er ohne mich unterwegs ist, trägt er die anderen Sachen auf (Altlasten + Proben + Boss Bottled, von meiner Mutter zu Weihnachten gekriegt). Mein Fall war Terre erst mal nicht so, aber durch seine Begeisterung habe ich genauer hingerochen und eine eigene neue Lust an würzigen Düften entwickelt.

(Ich komme noch zur mich erschreckenden Frage meines Mannes, muss aber immer noch ein bisschen ausholen.)

Nun ist ein „guter“ Duft ein bisschen wenig, finde ich, und deshalb habe ich ihm - ich glaube acht - Abfüllungen von Düften besorgt, die entweder in eine ähnliche Richtung gehen, oder von vielen Leuten hier sehr gelobt werden und auch auf meiner Linie liegen. Den Sinn der Sache hatte er nicht so ganz verstanden und hat die brav alltags aufgebraucht, ohne ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Es war offensichtlich auch keiner dabei, der ihn besonders angesprochen hätte. Nagut. Hab die schönsten für mich abgezweigt zum weiblichen Gebrauch, ich seh das nicht so eng, ihm zwei Lidl-Düfte für alltags hingestellt und eine mentale Notiz gemacht, für Terre d’Hermès-Nachschub zu sorgen.

Dann waren wir bei Freunden eingeladen (ich bin nicht abgeschweift, ich hab mein Erzähl-Ziel immer noch vor Augen). Dort habe ich Abfüllungen und Proben mit hingenommen von Düften, die ich mir gekauft habe, also nicht mehr brauche. Eine davon war Lothair (Penhaligon’s), hier unisex gelistet und von Penhaligon’s auch so gemeint. Wie wir Mädchen so um den Tisch sitzen und schnuppern, lege ich dem stark anglophilen, aber dufttechnisch eher dezenten Hausherrn Lothair hin, er könne das ja mal probieren. Er probiert, nicht so sein Fall (hatte ich mir gedacht, wollte aber höflich sein, er sollte sich nicht ausgeschlossen fühlen).

Und jetzt, zurück zu Eau de Minuit. Wir sind ein paar Tage später als der Freunde-mit-Abfüllungen-versorgen-Nachmittag, da erschreckt mich mein Mann mit einer Frage - wieso ER den Lothair eigentlich nicht gekriegt hat?!

Uff.

Tja, erwischt. Für mich besorgt, nicht weiter gedacht. Aber gut. Die Probe ist mit nach Hause gekommen, eine ganze volle Flasche steht oben parat (100ml…), also den Mann eingesprüht, Mann begehrt Lothair, Mann bekommt Probe und Zugang zur Flasche.

Dieser Mann hatte, als ich ihn kennenlernte, ein halbes Dutzend Duftwässer in verschiedenen Stufen des Verfalls, von denen Denim Original wohl noch das Vornehmste war. Dann mag er Terre d’Hermès - und jetzt Lothair?! Steile Entwicklung, denke ich. Und schnuppere an meinem Eau de Minuit. Wieder so ein Klassenunterschied. Nun, ich hab es gekauft, der Flakon ist so schön, ich werde es tragen, aber nicht wenn mein Mann mit Lothair in der Nähe ist.

Mein neuestes Hobby ist, zwei verschiedene Düfte gleichzeitig zu tragen und anschließend meine Bewertungen zu revidieren…

Nachtrag eine Woche später: Morgens hatte ich Armani Code pour Femme zur Arbeit getrage. Auf dem Heimweg Dare von Guess und Signature Man von Otto Kern auf die Handrücken. Die waren beide auf ihre Art nicht schlecht, aber als ich nach ein paar Stunden die Basis der drei verglichen habe, ist Dare gegen Code komplett durchgefallen und Signature Man ist eine Überlegung wert.

:-) die Methode gefällt mir.

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