Cravache

Cravache

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1 - 5 von 64
Cravache vor 3 Jahren 45
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Duft
Das Mädchen mit dem Motorrad
Das Mädchen fährt auf der frisch geteert riechenden Minimaltechno-Strasse in Schwarz-Weiss. Von oudfestem Willen pur beseelt. Unterwegs von irgendwo und nirgendwo zu den schroffen, warmen Wänden des Montsauvage im Nischenland.

Das Mädchen auf dem Motorrad fährt ohne Helm. Es hat sich burschikos eine milchglasweisse Plastikbluse über die knochigen Schultern geworfen. Die Bluse über der hautwarmen Sillage der Kümmelaura aufgeknöpft. Regentropfen hängen an der Bluse wie ovale Perlen aus kaleidoskopisch-körnigem Wasser.

Unter dem fahlen, milchigen Sonntagshimmel aus mattweissem Leinen gleitet das grafitgraue Motorrad aus gebürstetem Oudchrom auf der herbtrockenen Minimaltechno-Strasse zum Horizont im ewigen Nachtblau des Nischenlandes. Manchmal kratzt der Seitenständer über den unebenen Asphalt.

Das Mädchen mit dem würzig-krautigen Falkenblick und den Vintage Ankle Boots gleitet vorbei an dunklen Minecraft-Hügeln aus saftigem Vetiver aus der Trias und stummen grünen Kakteen.

Ein kühler Fraktalwind streichelt sanft über den Kopf des Mädchens die Eichenmooshaare. Der Wind streichelt ihm die grünen Haare aus dem würzigen Gesicht, streichelt zart die moschuswarme Seele des Mädchens.

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Das Jahr 2011 oder 2012 als Duftkonzentrat. Mehr ein Gefühl als ein Duft.

Minimal Techno-Oud, black and white, Minecraftblöcke. Grün-herber Vetiver und Koriander, körperlich-würziger Kümmel. Trockenes Eichenmoos. Tough. Reinlich wie die Minecraft-Wüste. Und doch mit vertrauter Moschusseele.

Musikbegleitung: Minimal Techno & EDM Minimal House - Dark Monkey Music Live Radio 24/7 Car Music
45 Antworten
Cravache vor 3 Jahren 47
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Duft
Prinzessin Hyperbela
Dieser Kommentar handelt vom Lieblingsduft Duft meiner schönen, gut riechenden, charmanten, lieben Schwester. Es gilt nun also, ihr Wesen und das Wesen ihres Signaturdufts in halbwegs würdige Worte zu fassen.

Noch heute werden die Werke des venezianischen Schriftstellers, Abenteurers und Verführers Casanova gerne gelesen. Weniger bekannt ist die Begebenheit, dass der Auslöser für Casanovas löbliches (aus damaliger Sicht liederliches) Treiben - als Folge wurde er u.a. in die berüchtigten Piombi, die drückenden Bleikammern oberhalb der Sala dei Inquisitori geworfen - die venezianische Prinzessin Hyperbela (oder Hyperbella, es sind beide Schreibweisen in den Archiven zu finden) war.

Hyperbela war eine Prinzessin, deren edle Familie nach dem Fall von Konstantinopel nach Venedig geflohen war. Prinzessin Hyperbelas Haut war feiner als osmanischer Samt und rot schimmernd wie ein Pfirsich aus dem Garten Eden, duftete nach edelsten persischen Rosenblättern. Ihre langen braunen, seidenen Haare wallten bis zur zierlichen Hüfte, ihre smaragdgrünen Augen funkelten wie der Stern von Bethlehem. Prinzessin Hyperbela beherrschte fliessend sieben Sprachen, war eine geistreiche und ungemein charmante Gesprächspartnerin, unterhielt die Gäste oft mit ihrem lieblichen Gesang.

Prinzessin Hyperbela schien jeden Morgen graziler, schöner und reizvoller aufzustehen als am Morgen davor und bis zum Abend mit jeder Stunde anmutiger und lieblicher zu werden. Prinzessin Hyperbelas Geruch war so betörend, dass der beste Parfümeur der Lagunenstadt sich weigerte, ihre Duftaura mit seinem besten und teuersten Parfümöl zu trüben, nicht einmal der unsterbliche Raffaello oder Michelangelo hätten gewagt, ihre Anmutigstkeit auf flämische Leinwand zu bannen oder in Marmor von der Insel Paros zu hauen. Wenn Prinzessin Hyperbela zarten Fusses durch die engen Gässlein der Stadt wandelte oder in ihrer goldenen Gondel durch die Kanäle der Stadt fuhr, hüllten sich das Wasser der Kanäle, die alten weissen Paläste sowie der Himmel in liebliche Pastellfarben, doch die Schönheit der Paläste und Kanäle, ja selbst die Schönheit des funkelnden Firmaments schien neben Prinzessin Hyperbela zu verblassen wie der Leermond neben der mediterranen Augustsonne.

Venezia EdP startet mit einer hinreissenden olfaktorischen Explosion von reifer Pflaume, fruchtigem Pfirsich, lieblichen Beeren und einigen weiteren süssen, minimal zitrischen Früchten. So muss es sich angefühlt haben, wenn Prinzessin Hyperbela den Raum betrat, ihre lieblichste Anmut wie ein Feuerwerk die Anwesenden bis in die letzte Faser überwältigte.

Diese überwältigend schöne Kopfnote hält einige Minuten. Man kann die Nase von der eigenen Haut nicht lassen, so wie es unmöglich war, die Augen von der glänzenden Schönheit Prinzessin Hyperbelas abzuwenden.

Selig war, neben wen sich Prinzessin Hyperbela bei einem Empfang in ihrem grossen, weissen Marmorpalast setzte. Sass man zuerst sittsam und etwas Abstand einhaltend neben Prinzessin Hyperbela, roch man süsslich-blumige Noten von Blüten (Jasmin). Rückte man Hyperbela langsam etwas näher, konnte man ihre nach Rosen und nach der betörenden Blume der Blumen (Ylang-Ylang), blumig-süss und balsamisch, duftende Haut vernehmen.

Von kühnem Übermut erfasst stahl der junge Casanova Prinzessin Hyperbela eines Tages einen Kuss. Prinzessin Hyperbela packte den jungen Casanova und zog ihn in ihr mit Marmorsäulen dekoriertes privatestes Gemach und entledigte sich ihres Gewandes aus kostbarstem byzantinischem Tuche.

Casanova, von der Anmut des unbekleideten Körpers Hyperbelas auf dem goldenen Himmelbett im Lichte von 1000 flackernden Kerzen überwältigt und noch etwas schüchtern, fährt mit seiner Nase über Prinzessin Hyperbelas Hals, Brüste bis zu ihren Lenden. Prinzessin Hyperbelas Haut riecht an den intimeren Stellen betörend fruchtig, erotisch harzig-rauchig, ganz leicht animalisch.

Die Kombination von Osmanthus (leicht animalische Noten) und harzigen Noten (Ambra, rauchig, etwas schmutzig) im Übergang von der Herznote zur Basis erzeugt eine aufreizend-erotische Spannung.

Nach der gegenseitigen Hingabe vernimmt Casanova von Prinzessin Hyperbelas feuchter Haut eine liebliche holzige Süsse (Sandelholz) zusammen mit pudrigen Vanillenoten - um sich dann, über Prinzessin Hyperbelas Balkon leise entschwindend, seinen Abenteuern zuzuwenden: Lucietta, Ninetta, Lilla, Venedigs Vorstadtmädchen der flüchtigen Umarmungen, des vorübergehenden Verdrusses, der koketten Unruhe, der unbesonnenen Anmut, der leichtgeschürzten Reue.

Venezia EdP ist ein feminin-lieblicher und betörender Duft. Zugegeben, die etwas mädchenhafte, byzantinische Kitschigkeit mag blenden. Doch Venezia ist ein Duft, der frau weder nach zer- oder ausgequetschter Fauna oder westlaotischer Ochsenmaulhyazinthe riechen lässt, sondern einfach ein wenig nach Prinzessin Hyperbela.

*hach*-Faktor: 80%+
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Cravache vor 3 Jahren 48
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0.5
Duft
Hasi an Boris: Ich schpreche nirgends nüt Schwizerdüütsch!
Unsere Mit-Parfuma Hasi, genannt Hasi, ist seit ihrer Jugend ein Groupie des zentralafrikanischen Würdenträgers Becker Boris (zur Erinnerung: in der Schweiz wird der Familienname stets dem Vornamen vorangestellt).

Spätestens seit der Becker Boris-Hommage von Bongo&Bruce (https://www.youtube.com/watch?v=03FnBFscMVM), nota bene eine Sternstunde des britischen Dance, ist Hasi nicht mehr zu bremsen, wenn sie ihr Idol im Vorabendprogramm des Bayerischen Rundfunks sieht. Zumal der obengenannte Song neben Becker Boris gleichermassen auch die Disc-Jockeys und Affen preist – quasi Brüder im Geiste, Genossen beim Lausen.

Deshalb wollte Hasi Becker Boris pünktlich zum 1. April in seinem Briefkastendomizil in Zug besuchen. Eine grössere Bleibe als einen Briefkasten kann sich Becker Boris angesichts der gesalzenen Schweizer Immobilienpreise ohnehin nicht leisten.

Und so zog Hasi am 1. April aus, in Richtung von Becker Boris’ Kammer (natürlich auf einem Besen), mit einer Möhre und dem Tagebuch in der Tasche. Und in Begleitung von wackeren Mit-Parfumos: die Tochter von Klaus & Klaus, Ole W. und Polyester.

[Anmerkung: für Lesende deutscher Muttersprache wurden in Klammern Untertitel eingefügt]

Auszug aus Hasis Tagebuch (PS: danke, liebe Hasi!)

1. April, 7 Uhr. Liebes Tagebuch. Friesentochter hat sich in Einbahnstrasse verfahren. Anwohner heissen uns, an Ort und Stelle zu kehren (wenden). Elende Sauberkeitsfanatiker, die Schweizer.

Schild entdeckt: «Anstösser gestattet» (Anwohner frei). Die Friesentochter und ich gönnen den acht Bäckchen etwas Sonne. Polizei kommt, will uns Busse (Geldstrafe für Ordnungswidrigkeit) auferlegen. Polyester in der weissen Federweste ist begeistert. Wollen um 8 Uhr Vachcra treffen.

08.00 Uhr und 1 Sekunde. Treffen Reiseführer Vachecra. Weist uns auf unsere typisch deutsche Unpünktlichkeit hin. So ein Fetznschädel.

9 Uhr. Vachecra besteht auf Znüni (Mahlzeit zwischen Morgenessen und Mittagessen) in der Bäckerei mit Café. Wir reservieren mit unseren DFB-Handtüchern alle Sitzplätze. Vachecra sagt, das Schwöbli (süsses Brötchen) sei nicht resch. Er sollte wirklich netter zu Polyester sein!

11 Uhr. Ankunft in Zug. Spazieren zu Fuss durch die Stadt. Friesentochter, Polyester und ich kommen bei den Zugern gut an. Ole W. kriegt von einer rotwangigen Bauerntochter eine gescheuert. Haben doch bloss Anweisung auf Schild an Ampel befolgt: «Fussgänger drücken».

12 Uhr. Alle hungrig. Vachecra schlägt Restaurant am See vor. Auf Schild steht: «Heute stuhlen wir draussen» (Restaurant-Garten geöffnet). Die Jungs finden’s praktisch, ich eklig. Wir gehen weiter und wollen ins Familienrestaurant zum Tell. War allerdings ein Popoclub und kein Restaurant! Hatten Fotzelschnitten (Armer Ritter; beide Wortbestandteile haben in der Schweiz keinen anatomischen resp. anthropologischen Bezug; Fotzelschnitten sind in jedem Kochbuch zu finden) im Angebot. Ein anderer Einheimischer hat ein Eingeklemmtes (Sandwich) bestellt.

14 Uhr. Will endlich Becker Boris treffen. Kommen an Möbelhaus vorbei. Haben Ständerlampen (Stehlampe) im Angebot. Putzig, dass die Schweizer zu hohen Feiertagen Genitalbeleuchtungen installieren!

16 Uhr. Vachecra lädt zum Zvieri (Mahlzeit zwischen Mittagessen und Abendessen) neben Pferdeweide ein. Er meint, die Pferdeäpfel würden gut schmecken (riechen). Finde ich überhaupt nicht! Polyester bestellt Hahnenwasser (Leitungswasser), ist auch enttäuscht.

1630 Uhr. Habe die Zuger Briefkastenanlage gefunden. 100'000 Briefkästen. Doch in welchem wohnt Becker Boris? Die anderen sollen mir helfen. Doch wo sind sie? Ein Einheimischer meint, sie würden im Stadtpark am Boden huren (hocken, knien; nicht zweideutig). Bin sehr empört und ziehe alleine weiter.

17 Uhr. Becker Boris kann sich auch den Briefkasten nicht mehr leisten. Er wohnt jetzt im städtischen Postamt. Auf dem Haufen der Pakete, die keiner abgeholt hat. Und so riecht er auch.

19 Uhr. Liebes Tagebuch. Was für ein Tag. Die Schweizer verwirren mich. Und so derb unfreundlich sind sie. Aber wie roch Becker Boris? [grosses rosa Herzchen]

Nach dem Auftragen roch ich brackwässrigen Nagellackentferner und Selbstgebranntes vom blinden Onkel Mareczek. Dazu eine kreischende Bongo&Bruce-Orange, die durch Mark und Bein geht. So natürlich wie die Farbe von Trump Donald. Eine Orange, die im Zeitraffer unter einer Plastikglocke mit Abdrücken von Fettfingern langsam vergammelt. Im Herz wird die Orange von einem Thymian-Duftbaum und der Sohle von neuen Converse-Sportschuhen aus dem alten Volvo von Axel Oxenstierna geschmückt. Und ein kräftiger Sprüher Klospraylavendel boxt direkt in die Hasennase. Zum Schluss kullert die Gammelorange penetrant in einem schmutzigen Pool aus Bhopal-Holz umher.

Becker Boris ist eine unselige Mischung aus Office for Men, Nautica Blue und Boss Orange Man. Ein allgemein und speziell gemeiner Synthetikmuff in Verbindung mit penetrantem, chemischem Lavendel-Klospray-Gestank. Dezent wie ein Busengrapscher am ersten Date, feingeistig wie das Oeuvre von Bongo&Bruce. Duftnoten mit Konturen von labberigen Kraken auf einem Basketballfeld.

Kurzum, Floyds evil twin, ein klospraydeliranter Plastikorangenschrat, der in masslos synthetischer Expressivität durch Besenkammern wabert. Oder mit anderen Worten: das ekligste Parfum, das ich je gerochen habe. Kinski Klaus hätte sich gescheut, Herzog Werner damit zu beduften.
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Cravache vor 3 Jahren 50
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Duft
Sensationelle Enthüllung: Yatagan ist Pierre Montale! - Ein Expeditionsbericht
Diese Enthüllung schlug im idyllischen Parfumo-Dorf ein wie ein neuer Aventus-Batch in der Sekte der Jeremyaner. Der Parfumo-Philosoph Yatagan ist in Wirklichkeit Pierre Montale. Und umgekehrt. Pierre Montale, der Schöpfer der 15,390 Montale-Düfte (plus 8,690 Mancera-Flanker) und Erfinder des Bhopal-Ouds. Damit war auch klar, weshalb sich Yatagan jedes Jahr einmal für einige Monate zurückzog: er konzipierte in Schweigeklausur die 3,400 jährlichen Neuerscheinungen von Montale.

Da man nun im Parfumo-Dorf Yati zum einen sehr vermisste, zum anderen befürchtete, die Montale-Neuerscheinungen könnten bei übermässig langer Klausur allzu sehr Überhand nehmen, beschloss man, Yatagan zu suchen. Man befragte das Orakel von Parfumo, Gleigoline, und bekam zur Antwort: «Hehre Brüder und Schwestern der Nase, waldschrattet durch den schwarzen Schwarzwalde, wabert durch die Wogen des schwäbischen Meeres bis zum petrichorbekuhweideten Berge Appenzell!». Eilig wurde ein Expeditionstrupp mit dem Ziel Appenzell unter der Führung des wildesten Parfumos, Ole W. Chizza, zusammengestellt. Der Expedition schlossen sich der Speesuit Spee von der Spree, Polly Norris, eine Friesin, der Waldschrat Loyd und Melisse3 mit ihrem blutverschmierten Krummsäbel an.

Für den 20. Tag des Monats Hornung verabredete sich die Parfumo-Expedition an der Grenze zum Lande Appenzell. Appenzell, dieses sagenumwobene Gefilde, in dem es drei Vornamen und zwei Familiennamen gibt. Ein Land, in dem Kühe abstimmen und wählen dürfen, während dies Frauen noch versagt ist.

Als erste traf Polly Norris ein. Zu Fuss, nicht mit dem Auto, denn sie hatte es eilig. Mit einem Korb schwäbischer Eier und einer Quetschkommode unter dem Flügelarm, zur Verpflegung und Erbauung der Expeditionstruppe. Alsdann waldschrattete Loyd heran, mit einer Eishockeytaschen-grossen Tabaktasche, drei leere Fässer vor sich her rollend. Mit denen er Yatagan und gleich auch die grüne Fee, die in Schweizer Tälern haust, einfangen wollte. Auch nicht lange auf sich warten liessen Ole W. Chizza, die wie immer schwerbewaffnete Melisse3 und der Speesuit, der seine Exorzismuszange mit sich führte. Als letzte raste die Friesin aus Friesland mit ihrem schwedischen Strassenkreuzer Knut herbei. Da Appenzell kaum grösser als eine gut sortierte Parfümerie ist, erwischte die Friesin die letzte Kurve nicht richtig und parkierte Knut auf Pollys Landeiern und Ole W. Chizzas Motorrad, das nun die Dimensionen eines Dreirads hatte. Und auch eines von Loyds Fässern war Kleinholz. Ein arger Tumult brach aus und hätte nicht der Speesuit alle mit seiner Exorzismuszange gekniffen, die Parfumo-Truppe hätte sich in Parfumo Innerrhoden und Parfumo Ausserrhoden geteilt.

Da Knut voll mit Helmen, Zollstöcken und anderem Friesenkrimskrams war, musste die Truppe nun zu Fuss weiterziehen, gackernd, Fässer rollend-grollend, ermuntert durch einen gelegentlichen Exorzismuszangenzwick. Am Abend des 20. des Monats Hornung traf die Parfumo-Expedition in Hundwil ein (benannt nach dem Appenzeller Nationalgericht). Schnell zimmerte Bob, die friesische Baumeisterin, eine Unterkunft zusammen. Die Friesin verpflegte die Truppe aus ihrer Knutkombüse mit Getreideriegelkrümeln, Pollys Quetschkommode berieselte die Truppe mit lüpfigen Hudigäggelern (Ländlermusik) und der Speesuit quarzte heimlich Loyds Tabaktasche leer.

Leider erwies sich die Hütte als nicht besonders stabil und brach mitten in der Nacht zusammen. «Gute Architektur und Stabilität bedingen sich nicht!», meinte die Friesin. Eine Ansicht, die Loyd gar nicht teilte, denn er hatte nebst dem Verlust seiner Tagesration Tabak den eines weiteren Fasses zu beklagen. Noch in der Nacht brach die Parfumo-Expeditionstruppe auf und erreichte im Morgengrauen des 21. Tages des Hornungs Appenzell.

Als erstes vernahm die Truppe einen kräftigen Hauch Montale-Weihrauch. Yatagans Parfumlaborkemenate konnte wohl nicht mehr fern sein. Ein nicht zu frommer Weihrauch, violett-dunkel, aber nicht so schwarz wie eine Hasenseele. Weihrauch auf einen warmen Zedernscheiterhaufen gebettet, dessen Basis noch nicht abgebrannt, aber auch nicht mehr weihrauchgrün wie YS Uzacs BOM hinter den Ohren ist. Unisex gewürzt und gendersternchenausbalanciert. Zu Beginn ist der Duft mit einer voralpinen Morgenkühle beseelt, sonnenbeschienen, im Herzen harzig, mit balsamischem Piniengewand. Schwarzes Harz tropft vom Himmel auf die Patch-Erde. Eine Weihrauchaura vom Zauber eines morgenländischen Königsgeschenkes, persischem Gold gleich. Nicht so scheu wie die nächtlichen Schatten am Gemäuer des südfranzösischen Papstsitzes. Vielmehr durch die Knopfnasenkathedrale schwebend, wenn auch nur in einer Dimension, nicht in Transzendenz entschwebend. Dem Speesuiten gefiel der sakrale Weihrauch ohne jede Rokokoallüre, so ornamentlos, dass er sogar Melisse3s Waffenbruder Zwingli gefallen würde. Unaufgeregt wie die Ewigkeit, wohlriechend wie der Geigenlack des Firmaments.

Die Parfumo-Expedition wähnte sich beim Einzug in die Häuseransammlung Appenzell kurz vor ihrem Ziel. Melisse3 stürmte als erste mit gezücktem Krummsäbel den Landsgemeindeplatz von Appenzell, die anderen Parfumos folgten ihr. Beim Einparken von Knut wurde weiterer Kollateralschaden verursacht – Loyds letztes Fass war platt wie eine Flunder und auch Pollys Quetschkommode war mehr Quetsch als noch kommod. Doch die Appenzeller waren schwer beeindruckt von der Parfumo-Expeditionstruppe und die männlichen Appenzeller sowie das horntragende Stimmvieh wählten sie zur neuen Standeskommission (Regierung von Appenzell). Ole W. Chizza, der erste Expeditionsleiter, der seit dem Ende der letzten Eiszeit Appenzell erreicht hatte, wurde Regierender Landammann. Der Speesuit Spee von der Spree wurde Stillstehender Landammann, da dem schneidigen Exorzisten der Stillstand lag. Polly wurde Frau Statthalter, da sie Appenzell für eine Stadt hielt, zur Frau Landeshauptmann wurde die schwerbewaffnete Melisse3 ernannt (noch heute kann an der Appenzeller Landsgemeinde statt der Stimmkarte der Landsgemeinde-Degen als Zeichen der Zustimmung erhoben werden). Die Friesin entschied sich für das Amt der Frau Säckelmeister, weil ihr der Amtsname neckisch erschien und Nackigwandern in Appenzell Volkssport ist – Zipfelstürmer ahoi. Knut, als einziger im Besitze eines Zollstocks, wurde zum Appenzeller Bauherren gewählt. Und zu guter Letzt ernannte man Loyd zum neuen Landesfähnrich. Zwar fand er weder Yatagan noch die grüne Fee, doch der Appenzeller Alpenbitter machte ihn zum ersten Fahnenträger im Lande Appenzell.

Und so lebte die Expeditionstruppe in Parfumo Innerrhoden glücklich noch viele Jahre. Währenddessen man in Parfumo Ausserrhoden des Phantoms Pierre Montale ein weiteres Mal nicht habhaft wurde.
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Cravache vor 3 Jahren 46
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Brechtbühl Urs-Peterlis nächster Karriereschritt - Blutleerorangerie der kunstholzigen Langeweile
Rentsch Hans-Ruëdi wird ungeduldig. Als Aufsichtsratsvorsitzender hat er die 80 längst überschritten. Sein mit mächtigen Schweissflecken durchtränktes Hemd sitzt etwas spack, sodass er nach dem üppigen Mittagessen (1 grosses Bier für den gröbsten Durst, 1 Flasche Hauswein rot, Knoblauch-Ravioli, Kalbskopf mit Zwiebel-Rösti, 2 Obstler) nicht nur den obersten Knopf am Hemdkragen geöffnet hat, sondern auch zwei weitere Knöpfe auf Höhe Bauchnabel.

«Wir müssen nun endlich zum nächsten Traktandum übergehen. Neuer Leiter Green Washing bei Haas&Riechter Automotive. Ich habe später am Abend noch eine Aufsichtsratssitzung bei der Privatbank Von Schloesser, Guenther & de Besson», quengelt Rentsch Hans-Ruëdi.

Von Klemmt Gertrude, Leiterin Human Resources und mit 69 das Nesthäkchen im Aufsichtsrat, protestiert. «Hans-Ruëdi, erstens ist früher Nachmittag, zweitens leitest Du gerade die Aufsichtsratssitzung der Privatbank Von Schloesser, Guenther & de Besson… Das Human Resources Committee bei Haas&Riechter Automotive hast Du gestern gleitet». «…und drittens haben wir heute noch Aufsichtsratssitzung bei Maja MedTech, Audit Committee bei Dyolf Verena & Rubichizza und Weinabend im Bankers Club mit anschliessendem Bummel durch die Zürcher Langstrasse», keucht sein ebenso fülliger Vize, Grämiger Uëli (76) und steckt sich die dritte Zigarette an.

Von Klemmt Gertrude reisst das Wort an sich und fokussiert Rentsch Hans-Ruëdi mit ernstem Blick. «Wir widmen uns nun der Besetzung der Vakanz Leiter Compliance – der Privatbank Von Schloesser, Guenther und … äh… de Besson. Vor der Tür warten die beiden Kandidaten, Dr. Kluge Sophie und Brechtbühl Urs-Peterli. Beziehungsweise nur Dr. Kluge Sophie, Brechtbühl Urs-Peterli wird sich ein wenig verspäten.» «Weihnachtsanlass bei den Rotariern Zürich-Bahnhofstrasse. Gestern», unterbricht ebenfalls Rotarier Grämiger Uëli, dessen Alkoholfahne auch 12 Stunden nach Ende des Anlasses noch raumfüllend ist.

Nach der eidgenössisch-steifen Begrüssung der Kandidatin Dr. Kluge Sophie durch die Herren Rentsch Hans-Ruëdi und Grämiger Uëli übernimmt von Klemmt Gertrude das Zepter. «Ich stelle Ihnen nun einige Fragen zu Ihrem Werdegang, die beiden Herren Aufsichtsräte werden sich Notizen machen», beginnt von Klemmt Gertrude das Interview mit der Kandidatin.

Während Dr. Kluge Sophie souverän die Fragen zu ihrem beeindruckenden internationalen CV beantwortet und mit viel Empathie ihr Führungsverständnis darlegt, notiert Rentsch Hans-Ruëdi auf dem sonst leeren Blatt Papier «Frau Doktor hat einen dicken Hintern!» und schiebt das Blatt in Richtung von Grämiger Uëli. Dieser nickt zustimmend – wofür die beiden zu deren Überraschung einen fassungslosen Blick seitens von Klemmt Gertrude kassieren.

Grämiger Uëli nimmt das Papier an sich und notiert: «Penetrantes Parfum, anstrengend sillage-iert – wattige gepuderzuckerte Zuckerpuderwatte, floral undefinierbar blasse Hors-Sol-Blassblume, gegebenenfalls Rose in Orangenkonzentratzuckersaft, Desinfektions-Jasmin, medizinisches Bindezeugs, lauer Fruchtsafran, fettiges Engelshaar, Nadeln vom aufblasbaren Kunstholztannenbaum, Ambroxanwolkenwand mit üppig-schwüler Muffigkeit.»

«Haben Sie noch eine letzte Frage an uns?», fragt die von der Kandidatin bislang sichtlich begeisterte von Klemmt Gertrude am Ende des Interviews. «Ich gehe davon aus, dass ich meine Funktion in einem 90%-Pensum ausüben kann. Ich würde gerne meiner Familie einen Nachmittag widmen», meint Dr. Kluge Sophie. Von Klemmt Gertrudes Miene verfinstert sich schlagartig und sie notiert mit rotem Stabilo Boss «Kampfemanzenzickenamazone!!!». Was die Herren Rentsch und Grämiger mit einem wohlwollenden Nicken quittieren.

Im handschriftlichen Bericht zum Assessment-Gespräch mit Dr. Kluge Sophie wird von Klemmt Gertrude später die Ausführungen der Herren Aufsichtsräte zum Hintern der Kandidatin zwar durchstreichen, jedoch mit dem Hinweis ergänzen: «Sinnlichkeit einer Roboterfrau – das Wesen der Kandidatin ist wie ihr Duft. Allgemein anstrengendes synthetisches Wesen. Abstrakt, empathielos, überzuckersüss und altbacken zugleich. Blutleerorangerie der kunstholzigen Langeweile.»

Als nach dem Interview mit Dr. Kluge Sophie Kandidat Brechtbühl Urs-Peterli noch immer nicht aufgetaucht ist, beschliesst der Aufsichtsrat mit 2 zu 0 Stimmen (der Aufsichtsrat der Privatbank Von Schloesser, Guenther & de Besson ist nach der unfreiwilligen Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Appenzell Innerrhoden im Jahr 1990 das einzige Organ ohne Frauenstimmrecht), Brechtbühl Urs-Peterli, Rotarier und Senior-Mitglied des Banker Clubs, ohne vorgängige Anhörung zum Leiter Compliance zu ernennen.

Am Rande der nächsten Management-Tagung in Hamilton/Bermuda, das der Steuerzahler nach einigen Abschreibern in den Büchern der Privatbank Von Schloesser, Guenther & de Besson deren Senior Management gegönnt hat, lässt es sich von Klemmt Gertrude nicht nehmen, Brechtbühl Urs-Peterli nach einigen Komplimenten auf dessen Duft anzusprechen – Baccarat Rouge 540.
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