DieNase

Seit Ewigkeiten trage ich den Duft heute Mal wieder. Ich besitze nur eine Abfüllung, bestimmt 10 Jahre alt. Nicht wirklich ein Duft für eine Frau, ins Büro würde ich ihn eher nicht tragen. Die "mildere" Version Ombre Leather gab es damals noch nicht. Hätte ich nicht schon zu viele Düfte, würde ich mir diesen näher ansehen. Aber ab und zu ist Frau nach etwas Kernigem, auch wenn meine Duftvorlieben die letzten Jahre etwas in eine andere Richtung abgedriftet sind (alles von Guerlain).
TL ist so charakteristisch, so besonders, so eindrücklich. Krachendes Kunstleder? Will ich jetzt gar nicht zerpflücken. Er riecht einfach großartig. Seine Charakterstärke macht ihn sehr einprägsam. Wenn ich an ihm rieche, was sehr selten geworden ist, fühle ich mich sofort in meine Zeit in Shanghai zurückversetzt, wo meine Tom Ford Abfüllungen noch viel mehr Aufmerksamkeit bekamen. Eine immersive Erfahrung. Daher hat dieser Tom Ford eine besondere Bedeutung für mich. Er verbindet mich mit einem Lebensabschnitt, der oft so weit weg erscheint.

Meine Schwester hat mir nun mehrere Jahre in Folge Düfte von S Oliver, Mexx und co geschenkt. Das ist wohl die Strafe dafür, dass ich ihr meine umfangreiche Sammlung bislang verschwiegen habe. Dabei müsste sie mittlerweile mitbekommen habe, dass ich den ein oder anderen Duft besitze, da sie sich gerne Mal über meine Eindieselei beschwert - sie ist sehr empfindlich (trägt aber selber dieses widerliche Eternity).
Ich will den Duft bzw. diese Art von Düften aber gar nicht bashen. Bevor ich zum Parfümjunkie würde und eine gestählte bzw. abgestumpfte Nase bekam, könnte ich diesen sehr leichten Düften durchaus was abgewinnen. Nicht jeder ist so verrückt wie wir. Für mich sind das Gebrauchsdüfte. Für Leute, die sich einfach nur frisch und gepflegt im Alltag fühlen wollen, ohne irgendein Risiko einzugehen, dass sie anecken oder jemanden stören. Allemal besser als überdosiertes Angel im engen Büro oder so. Also haben sie sicher ihre Daseinsberechtigung.
Nun zum konkreten Duft - er riecht etwas zitrisch, leicht fruchtig, holzig, leicht süß. Näher kann ich das nicht beschreiben. Riecht angenehm, nett, aber nichts Besonderes. Würde ich ihn tragen? Klar, wenn ich nicht schon den Schrank voller Düfte hätte. Denn wir wurden unter Garantie immer bessere Alternativen aus meiner Sammlung einfallen. Ein Versense z.B., der vom Stil vielleicht etwas in die Richtung geht, ist einfach um Längen besser. Also tragen ich den S. Oliver schlussendlich nicht.

In Zeitlupe verläuft dieser Duft. Über Stunden dauert die Phase langsam abnehmender Seifigkeit der Aldehyde gepaart mit einer unbestimmten fruchtigen Blumigkeit, die Rose vermutlich. Die fruchtige Rose wird in weiteren Verlauf saftig, Vetiver, genauer gesagt Vetiverylacetat pusht diese Rose nach vorne und verleiht ihr Strahlkraft und Prägnanz. Diese Phase wiederum scheint ewig anzudauern, die Kraft lässt kaum jemals nach. Am nächsten Morgen wache ich mit ihr auf.
Für mich ein perfekter Businessduft, distanziert, aber nicht unnahbar, leuchtend schön, aber nicht erotisch, nicht verspielt.

Stinker? Urinös? Fäkal? Nicht wirklich. Herausfordernd? Auf jeden Fall! Schwer zu tragen, so ist das manchmal mit Kunstwerken. Schon eine Weile nenne ich den Duft mein Eigen. Hätten die Abfüllungen vermutlich bis an mein Lebensende gereicht, so musste doch zumindest ein 40ml Flakon her, schon aus Prinzip.
Ein wunderschöner birkenteer-rauchiger Lederduft mit der richtigen Dosis salziger Animalik. Wenn ich ihn aufsprühe, überkommt mich ein leicht debiles Grinsen.
Besonders gut kommt er bei kühlen Temperaturen im einstelligen Bereich.
Im echten Leben trage ich ihn kaum. Fürs Büro sicher nicht geeignet. Ein Outdoor-Duft vielleicht. Für die Winterwanderung. Oder einfach zum Genießen zu Hause. Es braucht keine Rechtfertigung aus der Praxis, um Leather Oud zu besitzen.

Neulich in der oertlichen Nischenparfumerie testete ich mich durchs sortiment und fragte schliesslich nach Lederdueften. Sogleich wurde mir dieses Exemplar vorgefuehrt.
Leder? Wo? War mein erster Gedanke. Er erinnerte mich auch an Dior Homme wegen der pudrigen Iris und der Suesse. Auch fand ich ihn nicht ganz harmonisch.
Da ich eine Probr bekam, konnte ich nun noch mehrfach mit frischer Nase Testen. Heute Abend habe ich ihn schliesslich mal 'richtig' getragen.
Mittlerweile gefaellt mir der Duft ganz gut, richtig geflasht hat er mich aber nicht. Fuer den aufgerufenen Preis wuerde ich ihn wohl nicht kaufen. Wenn nich mal eine Abfuellung ergibt, waere ich aber unter Umstaenden nicht abgeneigt.

Um eine grobes Gefuehl dafuer zu bekommen, wie Cuir Velours riecht, stelle man sich vor, man mischt 2 Teile Carner Barcelona D600 (minus Vetiver) mit einem Teil Cuir Ottoman. Dann ist man recht nah dran. Streckenweise zumindest.
In der Pyramide oben vermisse ich Tonka und eine Prise Patchouli.
In der weiteren Entwicklung bekommt der Duft Anklaenge an Schokolade und Kaffee. Wildleder? Wenn man etwas dunkles Kakaopulver draufgestreut und Cafe Latte mit Sirup versehentlich auf dem guten Wildledersofa verschuettet hat,koennte ich es mir eventuell vorstellen. Eine Lederbombe ganz sicher nicht. Aber ein durchaus nicht unleckerer Duft.

Wer Dior Homme, D600, Cuir Ottoman, Cuir Beluga mag, sollte diesen ruhig mal probieren.
Kaufen werde ich ihn mir wie gesagt nicht. Besitze schon alle Inkarnationen von Dior Homme, eine Abfuellung von Cuir Ottoman, Cuir Beluga, da brauche ich diesen nicht auch noch.

Die Performance ist ok, die Sillage die erste Stunde recht raumgreifend, zieht sich dann zurueck. Haltbarkeit im gruenen Bereich.
Bezueglich der Bewertung bin ich mir unschluessig. Er riecht gut, er gefaellt mir, aber es ist kein wow. Auch finde ich ihn wenig innovativ. 80% hiesse bei mir im Grunde FBW, und das ist er aus den genannten Gruenden nicht. Ich wuerde 75 geben, was nicht geht, also gute 70.