Esclarmonde

Esclarmonde

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Esclarmonde vor 11 Jahren 35 15
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9
Duft
Die dunkle Seite der Nacht
Ich war immer eine kleine Dramaqueen. Schon als ich geboren wurde, hing ein Gewitter über dem Land. Als junges Mädchen war ich trotzig, als Teenie bockig und ungezogen. In diesen jungen Jahren habe ich bereits allen den Kopf verdreht, von Stallburschen bis zum Grafensohn. In so manche finstere Ecke haben mich meine Leidenschaften bald gezogen, oft bin ich unfrisiert und fern der Heimat aufgewacht. Was haben meine Eltern geschimpft! Und mich gewarnt – vergebens… Eines Nachts war es so weit: der junge Mann, mein neuester Schwarm, war anders als alle anderen. Er schien mich anzuziehen, schien gewusst zu haben, wo er mich finden würde. In einem Augenblick ging alles so schnell: ein Ruck, ein Biss, und seither friste ich meine Tage im Dunkel meiner teuren Verstecke.
Die Sonne sehe ich nur noch im Fernsehen aufgehen. Wenn ich shoppen gehen will, bin ich auf die Wintermonate angewiesen. Ganz schön dämlich, wenn man auch mal Sommerkleider haben will!

Seit ich das letzte Leben ausgehaucht habe, bin ich auf äußere Wärme angewiesen: meine offenen Kamine, warme Decken, heißes Blut, ein warmer, lebender Körper an meiner Seite… Ich hülle mich in Dekadenz und Reichtum zu denen ich auf dunklen Wegen gekommen bin, auf meinen tödlichen, verwundenen, dunklen Wegen.

Auch andere Dinge wärmen mich: Musik von Orlando di Lasso, vor allem Vinum bonum oder Alma redemptoris mater oder der Sommer (presto) von Antonio Vivaldi, das höre ich gerne in den verlorenen Nächten die mein Leben sind. Üppig arrangierte Blumenbouquets, in den Farben meines geliebten Sommers, dessen Farbe ich vermisse wie die Wüste das Wasser. Die farbenfrohen, lebendigen Bilder von Renoir oder die bildgewordenen Rauschzustände der Werke von Gustav Klimt. In mancher Liebesnacht habe ich mich gefühlt wie eine Protagonistin der „Wasserschlangen I“, als ob die Luft, die Atmosphäre, alles um mich durchsetzt wäre von funkelnden Gemmen und Edelsteinen.

Und ich vertreibe die Kälte mit Düften. Mit warmen, runden Düften. Darunter seit etwa zwanzig Jahren Maroussia. All die farbenfrohen lebendigen Blumen, wie ich sie mir in natura nur vom Blumendienst bringen lassen kann. Blutrot, schneeweiß, lila und sonnengelb. Nie mehr werde ich sie in der Frühjahrssonne selbst pflücken können. Würziger und warmer Amber, so dunkel und verrucht wie mein ganzes Leben, und Zibet, hinreißend und betörend wie ich selbst im Angesicht eines Opfers. Vanille, welch leckere Note für ein Geschöpf ohne jegliche Leidenschaft für den Verzehr anderer Substanzen als Blut! Dazu harzig-warmes Benzoin…

Ohne Maroussia würde ich manche Nacht nicht überleben, müsste ich an manchen Sommertagen meiner ewigen Einsamkeit ein Ende setzen und hinaus rennen, in die gnadenlos gute Sonne. In diesen Nächten ist nur der Gedanke an sie wärmer als mein mich einhüllendes Maroussia.

Was habe ich gefeiert! Was bin ich weit gereist! Was habe ich gelebt! Aber nie mehr wieder habe ich gelebt und mich lebendig gefühlt wie vor jener vermaledeiten Nacht. So bin ich unzerstörbares Leben einerseits und unvollständig und von fremdem Leben abhängig andererseits. Von vielen beneidet, doch so einsam und zerbrochen.

Dieser Duft passt so sehr zu mir: er will in die Sonne, will das Leben, aber will es gleichzeitig auf eine düstere Art. Er ist kompliziert, zieht im einen Moment an, um gleich darauf so schwer zu werden, dass man trunken, beinahe betört zurückweicht. Er ist opulent wie eine blutrote Samtrobe, die im ersten Augenblick gleißend elegant wirkt, sich aber sofort danach als starr und jeglicher Anmut hinderlich erweist. So sind wir, mein Duft und ich: anziehend aber gefährlich und irritierend, lebendig aber manchmal erdrückend und ohne Leichtigkeit, unendlich lebendig und dabei so schwer. Mein dunkler, schwerer, unsichtbarer Begleiter in der finsteren, finsteren Nacht.

Gute Nacht da draußen, was immer Ihr sein mögt!
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Esclarmonde vor 11 Jahren 56 25
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8
Duft
Ein Wunder, ein Skandal!
Ein gut sortierter Kleiderschrank gibt uns diverse Möglichkeiten, bietet uns viele kleine Justierschräubchen, um an unserem Outfit herum zu optimieren: lieber diese Sonnenbrille zu dieser Tasche, das sieht sonst zu protzig aus… Lieber das hochgeschnittene Kleid, dafür aber gerne die Creolen… Lieber lange Ärmel, zu dem kurzen Rock… Naja, die meisten werden das ja kennen, man möchte sich schön fühlen, aber nicht angeglotzt oder abschätzig beäugt werden. Meistens möchte man im Alltag ja einerseits gut aussehen, andererseits aber nicht zu sehr auf den Putz hauen. Und oft muss man sich auch der Umgebung an- oder sich in die Situation einpassen: am Arbeitsplatz, auf einer Hochzeit, auf einer Tagung…

So stehen wir da also und justieren. Machen Kompromisse, zügeln uns vielleicht auch mal.

Aber! Es gibt ja auch Tage, an denen die Welt uns gehört!!! Da sind wir die Geburtstagskinder oder die, die Urlaub haben und die Stadt bummelnd erobern, die gackernd mit FreundInnen im Lieblingscafe sitzen, die die bestandene Prüfung feiern, die alle Wünsche frei und die Taschen voller Geld haben…

Zu solchen Tagen passt für mich Truth or Dare: Tage, an denen uns Fremde anlächeln, weil sie sehen, dass es uns gut geht, weil wir leuchten. Tage, an denen wir eine unsichtbare Krone tragen. An denen wir keinen MP3-Player brauchen, um Musik in den Ohren zu haben. Tage, an denen wir auf das, was wir normalerweise bleiben lassen oder worüber wir uns vor dem Kleiderschrank Kopfzerbrechen bereiten würden, einfach pfeifen. Wir laufen die Straße hinunter und spüren die Blicke derer, die sich umdrehen, sehen in die Gesichter der Leute, die uns anlächeln, und ignorieren die manchmal giftigen Blicke mancher, die sich zu denken scheinen „Hat sie jetzt echt zu dem Kleid noch solche Ohrringe… Und dann diesen Duft…?“ Und wir antworten in Gedanken „Ja! Hat sie!“ Und fügen hinzu „Weil sie`s kann! Wuahuahua!“ Weils uns an diesen leuchtenden Tagen wurscht sein darf. Weil der Tag uns gehört. Weil wir heute KönigInnen sind. Weil wir uns heute nirgends einpassen müssen.

Truth or Dare ist wie der Eisbecher mit vier Kugeln Lieblingssorten, auf den wir uns schön Sahne sprühen, mit bunten Herzchenstreuseln, und auf den wir dann noch frech grinsend eine fette Amarenakirsche obendrauf drücken und uns dazu das Gesicht unseres Fitnesstrainers vorstellen.

Dieser Duft hat es schwer. Weil er als Promiduft und dann noch als Madonnas Kind auf die Welt kam. Drum wird er zum einen manchmal als Promidüftchen abgetan, zum anderen begegnen ihm manche auch aus Antipathie Madonna gegenüber mit abschätziger Haltung. In einem Interview mit der Künstlerin habe ich gelesen, dass sie mit dem Duft das Parfum ihrer früh verstorbenen Mutter einfangen wollte. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um Robert Piguets Fracas aus dem Jahr 1948 gehandelt haben mag? Ist aber nur eine Vermutung, die darauf beruht, dass Madonnas Parfum Fracas wirklich außerordentlich ähnelt, wenn Madonnas Duft auch keine so reiche Komposition wie Fracas aufweisen kann. Apropos Komposition: Truth or Dare bleibt auf meiner Haut nach einer gewissen Zeit (ca. 30 Min.) relativ konstant im Charakter, verändert sich dann nur noch dadurch, dass er sanfter und leiser wird. Ein komplexer Verlauf darf hier also nicht unbedingt erwartet werden.

Tuberose also. Ja, aber hier wurde wirklich vor allem die Süße, die beinahe narkotische Süße der Nachthyazinthe eingefangen. Kombiniert wird sie mit weiteren schweren Weißblühern: Gardenie, Jasmin, Neroli, Lilie. Wirklich ein Duft für Königinnen der Nacht! Dazu noch süßer, lieblicher Amber, der eine weiche, anmutige Tiefe mitbringt, Vanille und mein geliebtes Benzoin, das irgendwie schon beinahe lecker duftet, auf jeden Fall will man nicht mehr aufhören, daran zu riechen.

Dieser Duft hat es also schwer – und er ist selbst auch schwer. Aber dabei so unheimlich positiv, wie Freude zum Aufsprühen! Das Spiel Mut oder Wahrheit, nach dem Madonna ihr Parfum benannt hat, ist eigentlich eine Mogelpackung. Im englischen wird ja eine Entscheidungsmöglichkeit zwischen Wahrheit ODER Wagnis suggeriert. Diese Wahlmöglichkeit besteht aber eigentlich gar nicht: wer Wahrheit wählt und damit etwas von sich preis gibt wagt genauso viel wie der, der Mut wählt und eine Unternehmung nach Gusto der Mitspieler wagen muss. Auch wer diesen Duft trägt, muss Mut haben, muss etwas wagen, denn mit leise, angepasst, unauffällig ist es dann vorbei! Der Duft ist ein Statement. Ein sehr haltbares übrigens, mit raumfüllender Sillage.

Truth or Dare duftet außerdem auch verrucht. Ich finde den Duft sehr weiblich, aber auch Mann soll ja tragen, wonach er sich fühlt. Auf jeden Fall finde ich ihn sehr lecker und sexy. Im Forum hat mal jemand die Frage gestellt, welchen Duft wir uns an Vampiren vorstellen könnten. Als eifrige Rezipientin von True Blood muss ich sagen: eindeutig Truth or Dare! Diese schweren, süßen weißen Blüten, so stelle ich mir den Duft der heißen Nächte im amerikanischen Süden vor. Dazu diese verruchte Note… Wollte ich Vampire anlocken wäre dies der Duft meiner Wahl, er hat definitiv etwas von einem Lockstoff.

Gilbert Bécaud hat einmal über seine erste Begegnung mit Brigitte Bardot gesagt: „Dann sah ich, wie Brigitte auf dem Set eintraf… da kam eine Sirene oder, ich weiß nicht, ein Wunder, ein Skandal, eine verlockende Torte, ein Leckerbissen, sie war einfach grandios.“

So fühle ich mich mit Truth or Dare – an diesen ganz besonderen Tagen des Jahres.
25 Antworten
Esclarmonde vor 11 Jahren 28 9
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9
Duft
Das Weitergeben der Flamme
Wer kennt und liebt und pflegt sie nicht – die alljährlichen Rituale? Erst seit ein paar Jahren wird mir zunehmend bewusst, wie wertvoll doch Rituale, Bräuche innerhalb einer Familie oder Lebensgemeinschaft sind! Erst, seit mein Vater mir das gehütete Familienrezept für DAS Weihnachtsessen, das in meiner Familie seit Generationen und NUR an Heilig Abend gekocht wird, übergeben hat, erkenne ich aus einer neuen Perspektive, wie schön das alles war, früher, zu Hause. Mein Vater hat nun kein Publikum mehr. Die Küche bleibt kalt, die Kinder sind alle fort. Stattdessen nehmen unsere Eltern Heilig Abend am Tisch meines Bruders Platz – und bekommen das Weihnachtsessen dort serviert! Ich derweil koche das Gericht für die Familie meines Liebsten. Mein Vater hatte letzte Woche die größte Freude, mit mir meine Zutaten einzukaufen, das hat mich sehr gerührt. Denn – so lautet einer meiner Lieblingssprüche – Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.

Aber: Die Rituale, den Zauber, das muss man auch machen, als Erwachsener, das kommt nicht völlig von allein. Man muss den Baum kaufen und schmücken, damit die Stube heimelig wird. Man muss Gäste einladen, damit man eine feierliche Runde wird. Man kann sich auch besonders anziehen, um an Weihnachten nicht das Gefühl eines x-beliebigen freien Tages im Trainingsanzug zu haben.
So bemühe ich mich denn um eigene Traditionen. Ich schmeiße mich an Heilig Abend in Schale (wie mein Vater früher, er stand in weißem Hemd und Anzugshose in der Küche!) und koche den ganzen Morgen und Vormittag. Ich zieh mir was Schönes an, stecke meine Haare hoch, lege feierliche Musik auf, trage Schmuck und – ratet mal – jaaaa, einen schönen Duft.

Nun sind wir beim Kern der Sache angekommen, das kennt ihr ja vielleicht: welchen denn? Gerade als Mensch mit zahlreichen Düften kommt man an besonderen Tagen in die Verlegenheit, einen quasi zum Königsduft zu küren, den Tollsten auszuwählen, der einem gerade eben am besten liegt. Mir geht es an Geburtstagen, zu Feiern, an Tagen, an denen ich etwas geschafft habe, zu besonderen Okkasionen häufig so, dass ich ratlos minutenlang in meine Duftschublade starre. Meditierend.
Dieses Jahr werde ich eine neue Tradition einläuten. Dieses Jahr ist Nuit de Noel zu mir gekommen.

Über Nuit de Noel habe ich so Vieles und Unterschiedliches gelesen, dass es mich verwirrt. Das fängt schonmal bei der Pyramide an: Caron selbst verrät auf der Homepage nur drei Noten, nämlich Jasmin, sächsisches Moos und Amber. Sächsisches Moos soll wohl ähnlich wie Eichenmoos duften? An anderem Ort habe ich eine Pyramide gelesen, die keinerlei Iris enthält, das scheidet aus meiner Anschauung des Duftes schonmal aus: ich erkenne eine hinreißende Irisnote, über eine ganze Zeit hinweg!

Auch über die Entstehung von Nuit de Noel kursiert so manche Mär. Ernest Daltroff soll den Duft seiner Geliebten und Geschäftspartnerin, Felicie Wanpouille (die übrigens auch für die Verpackungen im Hause zuständig war), die den Weihnachtszauber angeblich so liebte, zugedacht haben. Ein schöner Gedanke. Außerdem soll er in Nuit de Noel versucht haben, den Duft frischer Marron glacè, kandierter Maroni, abzubilden. Ein Hauch weihnachtlichen Desserts also. Auch ein schöner Gedanke. Aber: Brauchen wir diese Gedanken überhaupt, zu einem Duft, der ganz klar dem Weihnachtsabend gewidmet ist? Fallen da nicht jedem von uns gleich eigene, ganz tolle Assoziationen ein? Ich war also neugierig und hatte Lust, den Weihnachtszauber zu testen und eine neue weihnachtliche Dufttradition einzuführen – vielleicht, bei Gefallen.

Und: Nuit de Noel gefällt! Wenn er auch kein einfacher Zeitgenosse ist, ich musste mich tagelang einschnuppern, um ihn schätzen zu lernen. Keine der gefundenen Pyramiden listet Nelken oder andere Gewürze, das ist verwunderlich, denn der allererste und auch anhaltende Eindruck ist der einer ausgeprägten Würzigkeit. Nelke, Zimt… etwas in dieser Richtung. Im Hintergrund die Caron-Rose. Darunter eine herbe Ambernote. Auch etwas Grünes hat der Duft (das Moos der Sachsen etwa!?), das aber keinerlei Kälte einbringt. Und dann, nach einigen Minuten die Iris! Plötzlich erscheint sie, tritt hinter den anderen Noten in hervor und wird ganz prominent. Einfach schön!

So duftet Nuit de Noel denn nach edlen, trockenen Gewürzen, dezenten Blumen, nach Amber auch, aber keinesfalls wie eine Weihnachtsduftmischung, nicht wie ein Potpourri fürs Haus oder wie der Versuch, gebrannte Mandeln und Zuckerwatte vom Weihnachtsmarkt herbeizuzaubern. Die Vanille hält sich recht dezent im Hintergrund. Er ist auch nicht leicht oder überbordend lebendig-blumig. Ein wenig erinnert er mich an L´ Air du Temps von Nina Ricci, das liegt an dem Gewürznelkenanflug.

Ich träume vom weihnachtlichen Paris an Heilig Abend. Ich stelle mir die weihnachtliche Stadt vor, verschneit, Notre Dame auf ihrer Insel, von Ferne leuchtet Sacre Coeur in der sternenklaren Nacht. Ein dunkles schattiges Blau liegt über den verzauberten Parks und Straßen, aus den hohen Fenstern dringt warmes festliches Licht in die klirrend kalten Straßen hinaus...
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Esclarmonde vor 11 Jahren 88 40
5
Flakon
7.5
Sillage
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10
Duft
Der Bon Jovi-Song unter den Düften
Also, ich will ja wirklich keinen eingefleischten Fan mit diesem Kommentartitel beleidigen oder Schubladen aufmachen (obwohl – doch! Schubladen sind manchmal super) oder irgendetwas dergleichen, das gleich vorweg!

Auf was ich abziele ist: es gibt Dinge, die sind voll geil aber irgendwie auch peinlich. Es gibt einige Bon Jovi-Songs, die finde ich voll Hammer. Keep the Faith zum Beispiel. Runaway. Dead or Alive. Und andere auch. Für meinen Geschmack aber haben die leider zu viele Kuschelrock-Nummern gehabt, das ist gar nicht mein Ding. Drum ist es mir immer ein bisschen unangenehm zuzugeben, dass ich die ab und zu höre. Ich muss dann immer dazu sagen: „Aber nur die fetzigen Nummern!“ Und dieser Weichspül-Vokuhila-Look war auch irgendwann ein bisschen drüber.
Ähnlich geht es mir bei 90er Jahre - Eurodance - Mucke, die Dancefloorklopper wie Rythm of the Night oder Rythm is a Dancer oder Open Sesame... Auch so ein Kapitel.
Das alles macht mir manchmal sooo viel Spaß, ich flippe durch die Wohnung und spiele Luftgitarre… Und doch: irgendwie ist einem das eben manchmal peinlich.

Übersetzt in Duft ist das Jil Sanders Sun. Passt übrigens auch voll in diese Zeit, sowas von 90er! Ein bisschen zu viel von allem, aber mit einer Durchschlagskraft, die ihresgleichen sucht. Ein Orkansturm aus Vanille, Heliotrop, Hölzern und weiteren Blumen, ich find Sun immernoch total toll!

Wollt Ihr auch meine persönliche Geschichte mit Sun hören? Den Grund, warum ich es IMMER in meiner Nähe habe?

Also, es begann als ich mit 12 ins Internat kam. Die coolen, großen Mädels hatten Sun. Das fand ich sooo toll. Wollte ich auch. Mit 14 bekam ich meinen ersten Flakon von meiner geliebten Patentante zur Firmung. Wenige Wochen später erlitt ich einen schweren Unfall bei dem ich fast draufgegangen wäre. Massiver Blutverlust, Krankenhaus, ein schwerer heftiger Einschnitt in meinem Leben. Als ich das Krankenhaus verlassen durfte und langsam zu mir kam, war es draußen Sommer geworden. Ich ging wieder zur Schule und erholte mich. Ich schrieb meine versäumten Schulaufgaben nach und trug dabei Sun. Ich musste oft zum Arzt und trug dabei Sun. Ich musste zur Polizei und vor Gericht und trug dabei Sun. Und dann kam der Tag eines Schulausflugs zu den Kaltenberger Ritterspielen. Wir fuhren im Reisebus mit der oben beschriebenen musikalischen Untermalung hin, draußen tobte das Leben, ich duftete wieder nach Sun, stürzte mich ins bunte Getümmel auf dem Ritterturnier und wurde zum ersten Mal wieder gewahr: Ich bin noch da! Ich lebe! Ich bin zurück!!!!

Den Tag meines Unfalls feiere ich jedes Jahr als meinen 2. Geburtstag. Und Sun steht für mich für Leben, Überleben, Lebensfreude, Sonne, Aufbruch, Hoffnung, die Tür ist offen, der Sommer ist da, die Welt wartet. Es erinnert mich an diese unglaubliche Zeit.

Ich verstehe alle, die Sun nervig finden. Und dass ihn so viele hatten und sich daran „überrochen“ haben macht es mir manchmal schwer, ihn unterwegs zu tragen. Denn auch ich denke wenn ich ihn in der U-Bahn erhasche „Och nöö, da hat sich also jemand mit Sun eingedieselt!“ Sun riecht man an sich selbst gerne, an anderen findet man es eher so mittel.

Sun ist laut. Sun ist ein Massenduft. Sun ist sperrig. Wenn man Sun trägt kommt man kaum durch schmale Türen oder in Busse und volle U-Bahnen. Sun ist in diesem Sinne wie eine gigantische Afro-Frisur. Oder wie ein Strauß knallbunte Luftballons: versucht mal, damit NICHT aufzufallen!

Dennoch: Sun ist auch unglaublich positiv, überschwänglich, mitreißend.

Es ist wie eine angenehm vertraute Marotte, die man sich eigentlich mal abgewöhnen wollte, in die man dann aber doch immer wieder zurückfällt weil es ohne nicht geht:

Wie das Lieblingspaar Turnschuhe: eigentlich viel zu ausgelatscht, aber an manchen Tagen passen sie einfach am besten und man kann nicht auf sie verzichten.

Wie ein richtig gutes Stromgitarrensolo, das man schon tausendmal gehört hat – egal, immer wieder geil!

Oder wie der fette Lidstrich, den man einfach nicht missen möchte und der zwar Porno und Drama ist, aber einfach auch Hammer, drum trägt man ihn halt doch jeden Tag auf.

In diesem Sinne: This is the Rythm oft he Night… My Life… Oh yeah…
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Esclarmonde vor 11 Jahren 50 20
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
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10
Duft
Schwule Mädchen
Für gewöhnlich bevorzuge ich freundliche Düfte. Freundlich nicht im Sinne von „Ich bin eigentlich gar nicht da“, d.h. einer schmalen, unaufdringlichen Sillage und auch nicht im Sinne von „Nö nö, ich trag nur Zitrusnoten. An denen stört sich sicher keiner.“, also eher zurückhaltenden Inhaltsstoffen. Ich meine freundlich im Sinne von weiblich, gerne blumig oder würzig und sehr gerne pudrig. Diorissimo, Shalimar, Cinema… So möchte ich „freundlich“ hier verstanden wissen.

Manchmal aber, da gibt es so Tage, da möchte frau einfach mal aufstampfen! Oder zumindest keinen Huppi-Fluppi haben. Wenn man einen Vortrag halten soll z.B. oder eine Begehung der DFG ansteht. Oder wenn eine wichtige Tagung stattfindet, die man mitorganisiert hat. Da möchte frau nicht zu gourmandig oder zu überwältigend süßpudrig duften. Aber duften will ich natürlich trotzdem!

Und es gibt da auch noch Tage, an denen ist man nicht nur angespannt (das kann ja auch positiv sein), sondern, wie man so schön sagt, auf Krawall gebürstet!
Soviel zur einen Seite, der Seite der Trägerin – mir.
Nun zum Duft. Die Reaktionen auf Cabochard, den Dickkopf, sind wirklich unterhaltsam weil vielfältig:

Eine liebe Kollegin, eine wirklich coole Mutter und echte Dame mit Doktortitel, unglaublich schicker Frisur, Garderobe und viel gutem Humor hat nur einmal daran geschnuppert und ist sofort losgelaufen und hat ihn sich geholt. Sie trägt ihn seither fast ununterbrochen.

Eine jüngere liebe Kollegin, die sonst eher Leichtes und Süßes trägt, hat ihn nicht verstanden und die Nase gerümpft.

Meine Mutter (Jahrgang 1942) trug lange Zeit Miss Dior EdT originale und hat „Hmmmm!“ gemacht.

Mein Liebster hat daran gerochen, gestutzt und fragte dann „Ja, aber an einer Frau!?“

Jawollllll, an einer Frau! Genau das ist es ja: Ich habe manchmal Zeiten, da will ich einen olfaktorischen Arschtritt tragen für alle, die gerade wieder dabei sind, mich zu unterschätzen. Da will ich stramm und erwachsen duften. Und ich habe keine sonderliche Freude an Hosenanzügen, die Nadelstreifen-Nummer fällt also aus. Ich trage in der Arbeit lieber Rock oder Kleid und dazu Hochsteckfrisur, das ist meine Art der Seriosität.

Ich musste neulich so lachen, als ich an anderem Ort eine Assoziation zu Cabochard gelesen habe: „Es riecht wie die Handtasche (Leder) einer Kettenraucherin (Tabak)“ – sehr lustig und ehrlich gesagt gar nicht so unzutreffend! Dies sind in der Tat die Hauptmerkmale von Cabochard, die Eigenschaften, die ihn als Duft aus einer anderen Epoche ausweisen. Denn: wer sich die Neuerscheinungen der letzten Jahre anschaut, findet kaum solche Ledernoten, Tabak und Eichenmoos in einem Damenduft. Die starke Ledernote erinnert mich übrigens an Estee Lauders Azuree und auch ein wenig an Balmains Jolie Madame, allerdings ohne die Beschönigung durch die gefälligen Blumenakkorde.

Cabochard ist für die fiesen Termine, für die schweren Tage, für den Regen durch den man durch muss. Es ist der Arschtritt, die Lederpeitsche, der Bikerstiefel, der/die verhindert, dass Dich jemand veralbert.

Cabochard ist der Myrmidone unter den Chypres: trägt schwarze (Leder-) Rüstung und schaut grimmig.

Cabochard ist der Beowulf unter meinen Düften: ihn rufe ich, wenns finster und ungemütlich wird.

Cabochard ist der Theseus, wenn sich in mein Labyrinth ein Minotaurus eingeschlichen hat.

Cabochard bleibt bei mir, denn er hält gut.

Cabochard ist der Lederchypre, den sonst nicht alle Chyprefans tragen.

Cabochard ist ursprünglich für Damen konzipiert worden, aber er ist sowas von unisex! Und umgekehrt wird er heute als sehr maskulin wahrgenommen. Daher auch der Titel dieses Kommentars, ein Zitat von den Fetten Broten.

Drum seid gewahr, wenn ihr im Outer-Rim des Alltags jemandem mit Cabochard begegnet, dass dieser jemand aus irgendeinem Grund für diesen Tag einen starken Begleiter gewählt hat.

„Auf entlegenen Wegen
In verregneten Städten
Nach vernebelten Feten
In zertretenen Beeten
An beschädigten Theken
Auf ungezählten Planeten
Im täglichen Leben
Könnt ihr schwulen Mädchen begegnen“
- Fettes Brot
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