FvSpee

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1 - 5 von 323
FvSpee vor 2 Monaten 15 16
8
Sillage
6.5
Duft
Hätte, hätte, Ferrarikette
Lederdüfte sind, meine alten treuen Leser*innen wissen das, nicht mein Spezialgebiet. Nachdem mir Fords OL aber nun mal vor die Nase gefallen ist, auch meine 2 Cents dazu.

OL begegnet als ein nur wenig innovativer, sehr im Mainstream der Lederdüfte der letzten 15 Jahre mitschwimmender Frukto-Synthi-Lederpurschen, auch wenn weder Him- noch andere Beeren in der Duftpyramide verzeichnet sind.

Auf den ersten Riecher spricht der Duft mich überraschend gut an. Gut tragbar für die breite Menge und eine Vielzahl von Anlässen ist er allemal.

Bei näherem Nachspüren fällt mir sehr angenehm die leichte, aber wegen ihrer Unverwechselbarkeit doch markante Kardamomfrische auf, die mysteriöser Weise in den bisherigen Rezensionen kaum angesprochen wurde. Ich liebe Kardamom als Küchengewürz und bisweilen auch in Düften. Es verleiht OL eine gewisse vorwitzige Kante, welche, wäre diese Idee weiter ausgebaut worden, geeignet gewesen wäre, den pseudoelitären, massivgoldkettigen und leasingferrarigen Grundhabitus des Duftes vortrefflich ironisch zu brechen. Diese (aus meiner Perspektive) Chance wurde jedoch vertan, verpappen doch die syßthetischen Gewöhnlichkeiten mehr und mehr das Gesamtbild.

Zuzugeben ist, dass ich vielleicht nicht berufen bin, diesen Ford objektiv zu würdigen. Es beginnt damit, dass TF mir sicher schon vom Markenimage her eher fernsteht, wenngleich ich hier auch schon einen 9-er (keinen Porsche 9-er) für einen Ford vergeben habe. Dazu kommt, dass ich mit den Bildern nichts anfangen kann, welche dieser Duft offenbar seriell evoziert. Von den etwa 7000 gefühlten Rezensionen hier beschäftigen sich 6500 mit Autos (davon 5500 mit Porsches und Ferraris) und von den restlichen 500 entfallen 400 auf Motorräder und Motorradjacken. Weit abgeschlagen dann die Ledersofas. Warum nicht mal Pferde- oder Fahrradsättel, Hand- oder Fußschuhe, Peitschen, Fesselwerk oder alte Fußbälle?

Zuletzt gehört für mich ja immer auch der Name zum Duft dazu. Ombré, also schattiert, finde ich aber erstens gelogen, da OL sehr linear und subtilitätsfrei daherkommt, und zweitens sprachlich unschön, da hier ein französisches Adjektiv unmotiviert auf ein englisches Substantiv gelötet wird, wie so ein pluvieux weather.
16 Antworten
FvSpee vor 2 Monaten 21 21
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Lehmanns Florida Boys
Dass dieser Duft nicht nach Vicsount Halifax, Vizekönig von Indien, Verfechter der Appeasement-Politik gegenüber Hitler und Botschafter Churchills in Washington benannt ist, dürfte auf der Hand liegen. Ich würde aber alle meine Kanada-Andenken, einschließlich der Elch-T-Shirts, verwetten, dass Lehmann auch nicht an die Großstadt in Nova Scotia gedacht hat, zumal da oben im rauen Norden keine Orangen blühen.

Der letzte Lehmann, Buddha hab ihn selig, war nämlich, so raunt man in Berlin, ein leidenschaftlicher Floridist, und also benannte er seine Zitrusdüfte gerne nach floridaischen Städten und Regionen. Offenkundig ist das bei Miami und Key West, aber auch Naples ist mit Sicherheit nicht anglisiert nach Neapel benannt, sondern eben nach dem 20.000-Einwohner-Städtchen Naples, FL. Sogar bei dem von mir vergötterten und schon etwas älteren Lehmann Springfield halte ich eine Verortung im Bay County für nicht fernliegend. Und bei Halifax, einem Erzzitriker, bin ich mir sogar sicher, dass Halifax Area / Daytona Beach für den Namen des Dufts Gevatter gestanden hat.

Halifax ist eine der letzten Kreationen Lehmanns; ich bin zu seinen Lebzeiten leider nicht mehr zum Probieren gekommen und habe mir jetzt einen kleinen Flakon davon bei den Neo-Lehmännern bestellt. Enttäuscht wurde ich wahrlich nicht. Halifax ist ein Lehmann, wie er im Buche steht: Straight, tragbar, besonders, linear und von einer duracellalen Haltbarkeit.

Ich empfinde den Duft als verwandt mit Springfield, und das ist aus meinem Munde ein riesengroßes Lob. Denn Springfield ist einer meiner Lieblingslehmänner und einer meiner Lieblingsdüfte überhaupt. Er weist vordergründig eine krachende, strahlende Zitrik auf; dahinter aber räkeln sich erdige und würzige, ja fast animalische Untiefen, mit den in meiner Rezension zu jenem Duft beschriebenen Folgen.

Beim ersten Text imponierte Halifax mir als Duftbruder von Springfield, so ähnlich empfand ich den Gesamtcharakter. Wenn ich weiter und weiter schnuppere, und nachdem ich die beiden Düfte in einem Doppelnichtblindtest habe gegeneinander antreten lassen, nehme ich das nicht zurück, sehe aber auch erhebliche physiognomische Unterschiede zwischen den Brüdern.

Die Zitrik von Halifax ist nämlich durch und durch nerolisch gerprägt. Ich würde fast so weit gehen zu sagen, dass Halifax der schönste Neroli-Duft ist, der mir einfällt, schöner auch als Lehmanns Monoflor (oder Monofruct) dieses Namens. Fast ebenso prominent nehme ich Orangenblüte wahr, und auch diese kommt wundervoll strahlend (und unfluffig) zur Geltung, wenn auch vielleicht nicht so brillant wie in meinem "Zehner" Azemour les Orangers. Die abrundenden grünen Noten sind definitiv heller als bei Springfield, und an die Stelle der spurenelementar vorhandene abgründigen Animalik, die Springfield eine kaum wahrnehmbare erotische Note verleiht, treten bei Halifax leichte, harte, präzise, kostbare Holznoten.

Summa summarum ein hochsommerlicher, auf mich sehr maskulin wirkender, sehr gut haltbarer und projizierender, überaus selbstbewusst hell strahlender Neroli-Duft mit hellgrünen und wundervoll gefugten leicht-holzigen Noten. Die 9, die ich vergebe, ist knapp, aber durch und durch berechtigt. Springfield, das ich einst von 8,5 auf 9 hochgesetzt habe, würde ich inzwischen vielleicht eher mit 9,5 bewerten.
21 Antworten
FvSpee vor 2 Monaten 31 33
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Charlottenburger Zahlenmystik
Das Wunder ist also geschehen: Die Lehmann'sche Parfüm-Manufaktur in der Berliner Kantstraße, hochorigineller preußischer Beitrag zum Welt-Duftkulturerbe, ist wieder da. Herr Lehmann, der schon etwas ältere, aber mitnichten hinfällig scheinende letzte familiäre Erbe des Geschäfts, ist vor etwa einem Jahr überraschend verstorben, kurz vor dem 100. Firmenjubiläum, und jedenfalls vor der Regelung der Nachfolgefrage. Das schrullig-kauzige Ladengeschäft wurde dichtgemacht und ich kenne niemanden, der mit einer Wiedereröffnung gerechnet hatte.

Nun aber hat sich offenbar ein motiviertes und das Lehmannsche Erbe respektierendes, noch etwas geheimnisvoll im Hintergrund agierendes Team aus Geschäftsleuten und Duftspezialisten eingefunden, welches die Marke und ihren Inhalt weiterführt. Was bisher zu sehen ist, lässt vorbehaltlosen Optimismus aufkommen: Der Name "Harry Lehmann" bleibt erhalten, das historisch gewachsene Duftsortiment wird übernommen, an die Tradition der Abfüllung in schlichte Flakons unterschiedlicher Wunschgrößen wird angeknüpft. Änderungen wurden und werden da vorgenommen, wo ich sie auch schon dem alten Herrn Lehmann, der offenbar kein begnadeter Geschäftsmann war, empfohlen hätte: Kündigung ungünstiger Lizenzvereinbarungen, Aufbau eines vollwertigen Internet-Shops, moderate Preiserhöhung und vorsichtige Entrümpelung des Ladengeschäfts (mit Aufgabe der kultigen, aber letztlich unpassenden Kunstblumenabteilung).

Das Duftsortiment des "neuen Harry Lehmann" also ist nahezu dasselbe, das zuletzt beim Tode des alten Herrn Lehmann angeboten worden war. Auffällig sind indes zwei Neulinge, die auch namensmäßig herausstechen: "HL 22" und "HL 33". Jedenfalls bei "HL 22" handelt es sich offenkundig um eine Neuschöpfung und nicht um einen traditionellen Lehmann-Duft. Denn nicht nur, dass es Stand 2022/2023 keinen Duft dieses Namens gab, auch auf der neuen Lehmann-Webseite wird der Duft als "geboren aus den ersten von Harry Lehmann kreiierten Parfums" beworben. Das soll wohl bedeuten, dass aus den Rezepturen der frühesten Lehmann-Originale (ob aus noch vermarkteten oder schon eingestellten, oder überhaupt aus welchen, wird nicht gesagt) dieser Duft, somehow experimentally, geblended wurde.

Die Zahl 22 scheint dabei weniger auf die Jahreszahl 1922 zu verweisen (obwohl die Firmenwerbung vorsichtig auf die Roaring Twenties alludiert), sondern sich eher auf das ominöse (und von den neuen Eigentümern ebenso ominös fortgeführte) Lehmann'schne Nummernsystem zu beziehen. Der Duft figuriert als Nr. 22 - ich vermute, dass die Nummernfolge im Kern chronologisch ist, dass aber Nummern, die durch Einstellung von Düften freigeworden sind, neu besetzt wurden und werden - und dass es auch hier so war, darauf würde ich tippen.

Den Duft selbst finde ich schwer zu fassen und zu beschreiben, zumal ich an keine Vorrezension anknüpfen kann. Nach dem Aufsprügen imponiert er zunächst einmal fordernd und hart an der Grenze zur Dissonanz, kommt unter- und hintergründig daher, seine Farbe ist für mich ein tiefes Lila. Wenn ich einzelne Noten isolieren sollte, was generell nicht meine Stärke ist, würde ich obstige Klänge (Richtung dunkle Feige) und sinistre Gewürze assoziieren.

Nach spätestens einer halben Stunde beruhigt sich das Geschehen merklich, der Duft wird runder und gefälliger, bleibt aber dicht und körpervoll (ohne zu erschlagen). Florale und aldehydische Noten würde ich tendenziell verneinen (soviel zum Thema 20-er Jahre); bei den Blumen möchte ich allenfalls dunkle, schwere Tupfer von Rose oder Hyazinthe nicht völlig ausschließen.

Während die Dufttemperatur um die Nulllinie zwischen vorsichtiger Kühle und erdiger, unaufdringlicher Wärme changiert und der Duft in der Textur, Optik und Haptik durchweg kompakt, fast schon opak bleibt, schieben sich erdig-braune Noten ins Bild, die mit den hier bei Parfumo (von wem auch immer so errochenen) figurierenden Noten von Angelika-Wurzel und Hölzern plausibel zu erklären wären, obwohl ich HL 22 dezidiert nicht als vordergründig holzigen Duft wahrnehme.

Im späteren Verlauf kitzelt mir noch eine vorwitzige pfefferminzige Note (mit Stevia-Süße) die Nase, die mich an einen anderen Zahlenduft von Lehmann, Jubiläum 90 nämlich, erinnert, und ein zwischen Bitterschokoladenlebkuchen und Gewürzspekulatius oszillierendes Gourmandat tritt hinzu.

Alles in allem ein spannendes, absolut nicht misslungenes Experiment und ein schöner, nach übereinstimmendem Votum von Frau Spee und dem Rezensenten für Mann wie Fra testenswerter Duft, auch wenn er nicht das Zeug hat, aus dem Stand zu meinem Lieblingslehmann zu avancieren.
33 Antworten
FvSpee vor 1 Jahr 33 51
6
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Der Letzte Bulle
Tsar ist ein grün-kräuteriger kernig-seifiger, wenn nicht gar kernseifiger, maximal männlicher Frischeduft, der jedoch durch achtzigerjahre-üppiges Blumenbeiwerk und eine schmatzend-satte, fast schon ins süßliche drehende Basisnote komplex (und gekonnt) aufgepimpt wurde. Damit steht er nicht als triviale Irisch-Moos-Variation auf der verregneten Schafsweide, sondern stellt ein, wenngleich spürbar zeitgebundenes, eigenständiges Gesamtkunstwerk vor.

Zuerst knallt Tsar dir eine kristalline, brutale Frischenote, die von zitrisch, grün, würzig (und ein bisschen aquatisch) jeweils die kältesten, härtesten Töne versammelt, in die Fresse. Sozusagen eine Ladung klirrendes Eis im Hochsommer. Dafür würde ich die Noten Artemisia, Neroli, Bergamotte, Neroli und, schon aus der Herznote, Kiefer, Pfeffer und unbedingt, unbedingt den sehr massiven, knarzigen Schuss Wacholder verantwortlich machen.

Aber schon nach fünf Minuten sortiert sich das Ding neu und wird weicher, sanfter, geschmeidiger und ein bisschen zeittypisch brustpelzig, ohne allerdings (das passiert auch bis zum Schluss nicht) die Kräuterfrische des Anfangs je zu verlieren. Man spürt jetzt deutlicher die fougèrigen Noten von Eichenmoos (oder wodurch auch immer es substituiert wurde). Und, aber das gelingt mir erst jetzt nach fünf Jahren Test- und Riecherfahrung, einen wunderbar subtilen, feingesponnenen Tanz von pudrigem Lavendel und herbem Estragon. Ich habe diese Kombination im sehr viel asketischeren, minimalistischeren schottischen Duft "1445" erstmals kennen- und liebengelernt. Hier finde ich sie, eingepackt in eine üppige Vielfalt anderer Noten, wieder.

Auch florale Noten treten nun hinzu, allerdings bei weitem nicht so promiment, wie es deren Vielzahl in der Pyramide vermuten lässt. Rose und Rosengeranie nehme ich kaum bis gar nicht wahr, höchstens als generischen Schwere- und Tiefespender. Dass mir der Duft menschlich und freundlich erscheint, dass ich ihn recht gern und oft trage, mag (neben dem diskret dosierten Jasmin) am Maiglöckchen liegen, der Signaturblume von Frau von Spee, die ich nicht nur an ihr, sonder auch in meinen eigenen Düften gerne rieche.

Die nicht endlos, aber doch lange persistierende Basisnote ist zwar nicht hochoriginell (von der Kokosnuss vielleicht abgesehen), bietet aber in sauberer Komposition alles, was eine vollbärtige Männerkuschelbasis erheischt, von diversen Hölzern über Leder und Moschus bis zu Tonka und Patch für die süßen Züge.

* * *

Für einen Fehlgriff halte ich die Namensgebung. Der Duft heißt Tsar, neben Czar eine der beiden im Englischen üblichen Umschriften des Begriffs für den ehemaligen Monarchen von Russland. Der Duft evoziert bei mir jedoch weder Aristokratisch-Höfisches noch Östlich-Russisches; vielleicht von einer ganz kleinen Nähe zu imaginierten sibirischen Kiefernwäldern abgesehen. In denen hielten sich die Zaren ja aber eher selten auf (eher schon die von ihnen Verbannten), und außerdem wuchsen da Maiglöckchen auch wohl nicht ubiquitär und Tonkabohnen eher gar nicht. Ich bewerte die Titulatur daher als Einfallslosigkeit, in der dem Duft ein Etikett angehängt wurde, das halt bei Düften irgendwie immer geht: Kaiser, Könige, Prinzessinnen und Komtessen sell. Das Phänomen, dass Düfte vergleichsweise selten nach Maurern, Bäckerinnen, Friseuren, Architektinnen, Mechatronikern oder Hotelfachangestellten* benannt sind, aber inflatorisch nach Kaiserinnen und Grafen, ist hier ja schon von anderen beschrieben worden.

Ich hätte den Duft aus Gründen, die nach der Lektüre des ersten Teils der Rezension klar sein dürften, vielleicht am ehesten nach Mick Brisgau, dem "Letzten Bullen" aus der gleichnamigen, und von mir goutierten, Fernsehkrimiserie benannt.

* dicke Elektriker kommen allerdings vor

* * *

Gekauft habe ich mir den Duft vor etwa 4 Jahren als Restposten bei TKMax, 50 ml für vielleicht 19 oder 29,99 Euro. Er ist noch halb voll. Wegminimalisieren werde ich ihn nicht. Er gehört zwar nicht zu meinen Lieblingsdüften, aber ich mag ihn gerne und kann ihn (wenngleich eher im Sommer als im Winter) bei nahezu jeder Laune, zu jedem Wetter und jedem Anlass tragen. Und er hat sich als gute Wertanlage erwiesen. Nach der Einstellung der Produktion werden im Internet teils aberwitzige Preise für ihn aufgerufen, was dafür spricht, dass es einige echte Liebhaber:innen gibt, die vom Produktionsstopp kalt erwischt wurden.
51 Antworten
FvSpee vor 1 Jahr 54 68
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Abschied von Bertrand
Meine mehr als halbjährige Abstinenz auf diesem Forum hatte eine ganze Reihe Gründe. Einer davon ist, dass ich momentan fast keine Düfte mehr teste. Ich befinde mich in einer Phase, in der ich die knapp 100 Düfte meiner Sammlung genieße und bei dieser Gelegenheit die Kollektion auch behutsam verkleinere, wenn ich merke, dass ich ein Parfum eigentlich kaum trage.

Eine solche Besinnungspause ist recht empfehlenswert (für die Parfümerien nicht so, für dieses Forum vielleicht auch nicht so), sie nimmt etwas Druck aus dem Kessel, erdet und schafft Klarheiten.

Bei mir ist eine solche neu gewonnene Klarheit, dass Duchaufour für mich ein Parfumeur ist, vor dem ich zwar als Künstler auf die Knie gehe (ich finde fast alle seine Düfte unglaublich faszinierend, einige halte ich für atemberaubende, geniale Duftkunstwerke, glatte "Zehner"), den ich aber nicht gerne trage. Wenn ich künftig daher noch mal beim Testen in ein rauschhaftes Fieber geraten sollte, das einen Besitzwunsch entstehen lässt: ich werde widerstehen oder mir allenfalls eine Abfüllung besorgen. Im sicheren Wissen, dass ich diese nicht mal zu Ende aufbrauchen, sondern am Ende vertauschen oder verschenken werde.

Tycoon, Trayee, Jubilation XXV Man sind Beispiele für Duchaufours, die mich erzittern lassen, die ich mir aber glücklicherweise nie gekauft habe. Timbuktu, Dzongka und Rappelle-Toi ebenfalls Faszinosa, die nichts für mich waren (zum Aufbrauchen meiner Abfüllung Rappelle-Toi habe ich mich gezwungen). Kyoto und Avignon habe ich zwar gekauft und benutze sie auch. Aber beide wirklich sehr selten.

Chypre Palatin gehört vollends in diese Reihe. Ich stand jahrelang im Bann dieses Dufts, schlich um ihn herum..., und nun verabschiede ich den Rest der Abfüllung in meine Tauschkiste. Es ist ein mächtiger, opulenter Duft am Rande des Genres Chypre, mit kaum etwas von dessen leichter, spielerisch-blumiger Seite, sehr preziös, sehr goldglänzend, sehr majestätisch. Eine Kollegin, die allerdings wenig Duftkenntnisse hat, fühlte sich an den klassischen "Opium" (Damenvariante) aus den 70-ern erinnert; das schien mir zuerst abwegig, aber beim näheren Nachdenken hat dieser Chypre etwas Schlaghosenorientalisches, und auch die Duftpyramiden weisen ein paar interessante Gemeinsamkeiten auf. Keine Frage, dass die Performanz dieses Dufts in Sachen Haltbarkeit und Projektion außerordentlich ist. An dieser Tafel wird in jeder Hinsicht geklotzt, nicht gekleckert, und wem diese Speise zu üppig ist (was nicht fernliegt), der wünscht sie sich irgendwann vom Tisch und muss doch immer weiter tafeln und pokulieren.

Der Name des Duftes scheint mir, hier mögen mich die Frankophonen belehren, mehrdeutig. "Palast-Chypre" heißt es wohl nicht, auch wenn man das als Französisch-Halbgebildeter wie ich intuitiv denkt, und auch wenn es zu diesem nachgerade barocken Chypre passt. Ich meine, es gibt drei Deutungsmöglichkeiten: "Palatin-Chypre" (nach dem Hügel in Rom), "Pfalz-Chypre" (kann sowohl auf die Herkunftsgegend des Saumagen bezogen sein, als auch ganz allgemein auf eine Kaiserpfalz) oder "Gaumen-Chypre", eine spannende Deutungsoption für diese durchaus auch ins Gourmandige sich räkelnde Tinktur.
68 Antworten
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