Louce

Louce

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1 - 5 von 132
Louce vor 9 Jahren 3
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Traumpaar
Bergamotte und Sandelholz?
Natürlich sind da noch andere Sachen drin, aber was man riecht, sind tatsächlich nur diese beiden Noten. Ein simples Duftkonzept. Und genau in dieser Simplizität liegt die Kunst:
Zwischen der klaren, bitteren, zitrischen, hellen, schmalen und kalten Bergamotte und dem pastösen, holzigen, ein klein wenig süßlichen, milchigen, warmen und ganz leicht rauchigen Sandelholz wird ein geruchlicher Bogen gespannt, der Spannung und Dramaturgie bringt. Die beiden Akkorde sind nicht einfach zusammengemischt, so dass sie nur nebeneinander stehen. Sie beziehen sich aufeinander, vollziehen Annäherung und nehmen dabei aber auch immer wieder Distanz, begegnen sich an den Schnittmengen und unterscheiden sich in ihren Eigenheiten.
Gleichklang ohne Vermengung.
Verblüffend ist die Haltbarkeit des Bergamotteneffekts.
Nach 2 Stunden dachte ich: „Wow! Es stimmt, was Frau Bosetti Tonatto über die ungeheuren Gewichtsprozente Bergamottenessenz sagt. Der notorischen 3-Minuten-Startnote geht nicht die Puste aus. Schön!“
Nach 3 Stunden dachte ich: „OK… da muss ein Trick dabei sein. Irgendeine helle, klare, eventuell synthetische und zitrusaffine Note greift die Bergamotte auf und führt sie weiter in die Mitte der Entwicklung. Das geht doch nicht allein über die Menge! Das Zeug müsste doch irgendwann verdunstet sein, während das Sandelholz gerade Fahrt aufnimmt.“
Aber egal, wie die Parfumeurin es technisch gemacht hat: ich rieche nur Bergamotte. Inzwischen etwas weniger schallend am Vordrängeln, aber immer noch ganz typisch.
Nach 4 Stunden wurde mir Indaco langsam unheimlich.
Nach 5 war ich konsterniert, verwundert, sprachlos.
Nach 6 Stunden wird das Parfum insgesamt sehr leise, hat keine Sillage mehr und zieht sich zurück, bleibt aber ganz hautnah noch eine ziemliche Weile zu riechen. Immer noch mit beiden Akteuren.

Laura Bosetti Tonatto sagt, dass ihr Konzept zum großen Teil auf den ausgesuchten Rohmaterialien beruht.
Das stimmt exakt so, zumindest im Fall Indaco.
Bergamotte ist bitterzitrisch, strahlend, klar – und hat dabei noch einige andere Aspekte, die man kaum kennt, da sie fast nur als Startkomponente und Servierhilfe für anderes benutzt wird, selten aber eine Komposition Raum und Zeit gibt, um ihr Charakteristisches auszubreiten und herauszuarbeiten. Die in Indaco verwendete Bergamotte bringt diese Aspekte mit: ein hellgrünes Schillern, eine geringfügige Süße, die beinahe verschwindend unter dem Herbfrischen liegt, ein winziger Hauch Röstaromatik.
Ebenso das hier verwendete Sandelholz: über die bekannten Eigenschaften hinaus zeigt es Aspekte, die man in billigen und/oder synthetischen Sandelnoten nicht findet. Es ist weniger laut, als man es kennt, dabei aber sehr deutlich, die Milchigkeit ist sahnig, aber nicht undurchlässig dick und cremig, sondern mutet flüssig an. Auch das Holzige wird nie massiv und hat eine gewisse Jungholz-Gelbgrünlichkeit, dabei aber gleichzeitig auch diesen Anklang von Rauchigkeit. Der typische Sandelholzeffekt findet hier statt, aber wesentlich weniger breit, dicht und schwer als sonst, sondern sehr hell und schlank.

In der Beschreibung der Seitenaspekte habe ich auch schon die Schnittmengen aufgezählt. Die zwei Noten begegnen sich überraschend im Hellen, im unerwartet Süßen, im Gelbgrünlichen und im Röst-Rauchigen. In der Basis wird das getriggert von einem dezent ahnbaren Vetiver, wie ich vermute.
Reizvoll das riechend immer wieder mitzuerleben.
Weder Bergamotte noch Sandelholz sind für mich persönlich Favoritennoten, die mich schon an sich vom Hocker reißen könnten.
Aber diese Bergamotte und dieses Sandelholz sind exzellent.

Und ihr Zusammenspiel ist grandios.
3 Antworten
Louce vor 9 Jahren 8
7.5
Flakon
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Kir Patchoul
Was da beim Erstkontakt entgegen kommt, besticht sofort: eine enorm positive, freudestrahlende, lebhafte Frucht, die ein olfaktorisches „Ja, ja, ja!“ trällert.
Die unbestreitbare Hauptrolle in diesem bejahenden Fruchtbouquet hat Cassis. Die Duftnote Schwarze Johannisbeere ist der Geschmacksnote ziemlich ähnlich: Sie bringt eine tiefe, dunkle, beerige Süffigkeit mit einer darauf tänzelnden, spitzen Säure und hat einen blank-glatten, leicht metallisch anmutenden Aspekt mit einem Quäntchen ätherischen Echos.
All das kann ich im Start von Aube Rubis ausmachen (in den ersten Momenten unterstützt von irgendeiner Bergamotten-Grapefruit-Kombo) ...
… und noch etwas anderes, nämlich Patchouli. Das schwant von Anfang an hinter der Cassisfruchtnote herum. Und überraschenderweise verdirbt es mir nicht geradewegs die Freude an der appetitlich strahlenden Beere. Nein, meine Duftnemesis Patchouli braucht nur kurze Zeit, um neben die Cassisnote ins Rampenlicht zu treten, verbündet sich dort mit ihr ohne nötige Annäherungsphase und duftet ab sofort harmonisch und gleichgesinnt mit der schönen Frucht.
Etwas verwirrt bin ich jetzt: Das ist unverkennbar richtiges, echtes Patchouli. Nicht gezähmt, gemildert und salonfähig gemacht, um es besser mit anderen Noten verkuppeln zu können, sondern eindeutig wieder erkennbar und typisch. Aber gleichzeitig ist es fröhlich, dynamisch, ohne Kellermuff oder nekrophilen Grufthauch. Die schwarze Johannisbeere tut dem Patchouli so gut! Sie bringt die Aspekte des Patchoulis zum Leuchten, die im Regelfall untergehen in der feucht-erdigen, pflanzlich-sekrethaften und modrigen Wucht. Patchouli hat auch etwas außergewöhnlich Lebendiges. Es riecht gewissermaßen „wuselig“, schwungvoll, drängend, energetisch. Es hat Power. Ganz viel Bewegung. Diese Potenz wird von der Cassisnote in Aube Rubis effektvoll in Schwingung gebracht. Das Ergebnis ist ein überraschend fröhliches, ungemein bewegtes Patchouli. Alle meine Patchoulivorurteile sind dahin und ich erlebe ziemlich gespannt den weiteren Duftverlauf.
Das kongeniale Zusammenspiel der beiden Akteure Cassis und Patchouli hält lange an. Es ist die prägende Hauptlinie des Parfums. Ab der Duftmitte wird die Frische der Fruchtigkeit naturgemäß matter, aber der Charakter hält sich weiterhin: Süß-sauer-fruchtiges, viriles Patchouli mit Kir-Kick.
Richtung Basis wird der Cassiseindruck verhaltener und etwas anderes übernimmt die Rolle des Patchouli-Sidekicks: Holzigkeit kommt auf. Patchouli hat auch holzige Aspekte und die sind hier eine wunderbar geeignete Andockstelle für eine nicht allzu trockene, leicht warme und etwas rauchige Holzigkeit (müsste ich einen Tipp abgeben, würde ich auf Guajak als Hauptakteur der Holznote setzen). Dazu ein bisschen natürliches Vetiveröl, das nach nassem, braunem Laub riecht. Immer noch ist ein kleiner Rest Cassis dabei und immer noch wirkt das Patchouli charmant jung und wendig, wenn jetzt die Patchoulikontur von Holz gerahmt und das Ganze ein wenig ruhiger und breiter wird.
Der Verlaufsbogen dauert lange. Aube Rubis hat eine erhebliche Haltbarkeit – allerdings ist es nicht Ultraextrem-Pattex, wie das bisweilen Patchoulidüfte sind.
Aube Rubis hat mich, eigentlich notorische Patchouliverächterin, mit dieser Cassis-Patchouli-Verpaarung ziemlich verzaubert. Übrigens auch Ronin, an mir wie an sich selbst, denn es ist vollkommen unisex.

Die 2015 ganz neue Marke Atelier des Ors mag ein wenig das Retortenbaby ein paar geldschwerer Investoren sein, die eine gute Marktplatzierung nicht mit kühnen, künstlerisch verblüffenden Parfums erzielen wollen, sondern mit bewusst klassisch genießbaren Düften antreten. Trotzdem sind die Parfums nicht gefällig auf eine beliebige Art, trotzdem riechen sie nicht altbekannt und schon mal da gewesen. Ich konnte alle fünf kennen lernen und rieche in jedem handwerklich solide und deutlich hochwertig gemachten Duft einen bemerkenswerten Twist, etwas Neues und Spannendes. Von der verantwortlichen Parfumeurin erfuhr man zunächst nur den Vornamen, seit der Esxence in Mailand weiß man, dass es Marie Salamagne ist.
Sie hat da etwas goldrichtig gemacht und ein paar Parfums komponiert, die riechenswert sind.
8 Antworten
Louce vor 9 Jahren 14
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Differenzessenz
Extrasynthetisch, ultramodern, metallisch, urban und arty. Dabei gleichsam auf eine widersinnige Art natürlich.
Völlig und komplett unisex und dabei völlig und komplett sexy, irgendwie eher männlich, dabei gleichsam irgendwie eher weiblich.
Widersprüchlich.
Widerspruch, der sich nicht hermeneutisch auflösen lässt und keine dialektische nächste Stufe hervorbringt, also keiner, der am Ende dann doch wieder in Frieden und Sinn endet. Aber trotzdem eine Art Sinn im Widersinn, trotzdem Struktur und System… nur halt nicht auflösbar, nicht reduzierbar auf einzeilige Antworten.
Der Un-Sinn dieses Duftes ist programmatisch und passt 1:1 zur Jahrtausendwenden-Mode von Comme des Garçons. Er passt auch 1:1 zu Mark Buxton, der diesem Weg weiter folgte, als das Modelabel nur noch so grob und ungefähr in die Richtung tapste, die es einmal wies (und als die CdG-Parfumlinien sich verzettelten).
Buxton ist inspiriert, mutig, witzig und duft-abenteuerlustig, gleichzeitig aber so profund handwerklich sicher als Parfumeur, dass seine manchmal schwindelig machenden Gimmicks immer ausgewogen integrierter Teil von reifen, durchdachten Kompositionen sind. Dabei zeigt sein Oeuvre eine Linie, wie mir scheint. Wenn ich z.B. Buxtons „Devil in Disguise“ von 2012 rieche, erkenne ich eine Verbindung zu CdG2, so als hätte sich die Duftidee verpuppt und wäre nach einer Metamorphose in der Gegenwart in ausgebildeter Form wieder geschlüpft. Noch konsequenter widersprüchlich (und damit für viele Nasen zu schräg). Vielleicht rieche ich diese Zeitlinie aber auch nur, weil die Idee so schön ist und weil ich Buxtons Magnolieneinsatz unwiderstehlich finde. Magnolie hat nämlich eine ziemlich wichtige Rolle bei beiden.

Magnolie ist in sich bereits widersprüchlich. Intensiv. Sehr, sehr intensiv ultra-blumen-süß, saftig mit dicker Cremigkeit und einer hellen Honigkomponente. Dabei ist aber auch ein dünner, zitrischer, frischer, frühlingshaft anmutender Aspekt und eine darunter liegende leichte Würzigkeit. In der Natur meide ich Magnoliengeruch, finde ihn zu fett, pastös zu dicht, zu dröhnend, zu süß… zu viel einfach. In Parfums meide ich ihn auch… außer Mark Buxton setzt ihn ein. Er hat nämlich ein Händchen oder besser Näschen für die vielen Andockstellen, die die Magnoliennote bietet: Man kann sie zu etwas Frischem, Saurem, Bitterem, Alkoholischem oder Trockenem setzen und bekommt so eine Zuspitzung, eine Auffälligkeit, eine sehr reizvolle Pointierung. Und genau das (und zwar alles) passiert in CdG2.
Die Turboblumenblüte Magnolie wird konterkariert mit lauter Widersprüchen. Sie ist im Herzen des Duftes eingebettet, nein, vielmehr umstellt von Antagonisten, die ihr olfaktorisch entgegentreten. Das Gegensätzliche wird durch Kontrast zum Klingen gebracht.
Metallisch, so dass es scheppert.
Synthetisch, so dass es knistert.
Kühl, luftig und klar, so dass es zischt.
Jedoch sind da auch, verhalten, aber erkennbar, das Blumige, das Süße, das Weiche und das Warme. Der Duft wird dabei nie chaotisch. Denn die Noten sind viel zu feinfühlig komponiert und unter einer so selbstbewussten Regie in Ordnung gebracht, dass sich all dieser Reiz entfalten kann, ohne dass Wirrnis entstünde. So viele einander widersprechende Aspekte auszubalancieren, ist solides Handwerk. Sie überhaupt zu einander stellen und reagieren lassen zu wollen, ist Kunst.
Die metallische Linie rieche ich bruchlos von Kopf über Herz bis in die Basis; ich vermute, von der Aldehydnote, dem Wacholder, der Tintennote und der silbrig-kalten Weihrauchnote gebildet, dabei wieder und wieder reflektiert von Grünem, Blumigem und Holzigem, das auch metallische Seitenaspekte haben kann, wie sie hier herauskomponiert wurden (in der Pyramide: Blätter, Angelika und Zeder). Die quasiwürzige, trockene und dennoch blumige Angelika korrespondiert wunderschön mit dem Metallischen, aber genauso mit dem cremig-saftig Blumigen der Magnolie, die wiederum abgestoßen und gleichzeitig festgehalten ist vom Metallkonstrukt, das ihre vorhandenen Andockstellen besetzt.
Obwohl in CdG2 so viel passiert, ist der Duft ruhig. Er lässt sich in seinen Entfaltungskapiteln Zeit. All diese Duftaction und doch behält der Duft über den ganzen (langen) Verlauf bemerkenswerte Geradlinigkeit, und wirkt bei allem was animiert und anreizt eher gut gelaunt ausgleichend auf Trägerin oder Träger… und auf alle drumherum, denn die Sillage ist gehörig.

Ein Parfum, das Brüche zeigt und diese nicht wieder verschließt. Kalt und warm, männlich und weiblich, glatt und rau, künstlich und natürlich, trocken und saftig, frischsauerbitter und süß, luftdurchlässig und dicht, komplex und simpel…
… bleiben kalt und warm, männlich und weiblich, glatt und rau, künstlich und natürlich, trocken und saftig, frischsauerbitter und süß, luftdurchlässig und dicht, komplex und simpel.
Keine Auflösung, Synthese, Vereinigung.
Dafür schwingen, klingen, vibrieren die Räume, die sich zwischen den Kanten der Brüche aufgetan haben.
Eine enorme Schönheit, die sonst verborgen bliebe, wird so sichtbar oder viel mehr ruchbar.
14 Antworten
Louce vor 9 Jahren 10
7.5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
9
Duft
Putte mit Kosakenstiefeln
Cuir d´Ange… engelsgleiches Leder, himmlisches Leder… hmm.. aber auch Leder von Engeln, so wie bei cuir de vaux oder cuir de crocodile. Und ich glaube, dieser kleine mögliche Engelsleder-Wortwitz ist kein Falschverstehen, sondern ganz im Sinne des Parfumeurs, denn die Idee, einem Engelchen die Haut abzuziehen und zu gerben mag zwar geschmacklos brutal sein – hilft aber gut dabei, sich eine Vorstellung vom Duft Cuir d´Ange zu machen. Denn begrifflich fassbar hierin liegt der ganze watteweiche, fluffige, helle und leichte Moschus, der neben Leder dieses Parfum ausmacht: es ist ein Leder-Moschus-Duft.
Das Leder ist ein deutlich Gummiartiges. Der Gummiaspekt, den einige Ledernoten haben, ist Ergebnis einer Birkenteer-Lederinterpretation, wie sie in der Russisch-Leder-Juchten-Linie traditionell komponiert wird und zum Beispiel klar duftbestimmend wirkt im Etro-Lederparfum, das bezeichnenderweise den Namen „Gomma“ trägt. Ein solches Gummi-Leder mit künstlicher Anmutung und einem Hauch Autoreifen haben wir hier. Der Gummiwhiff wird sogar herausgestellt, am Anfang unterstrichen durch die Eröffnung mit Weißdorn (sämig-dicht, ein wenig fleischig, dabei blütig) und dann im gesamten Duftverlauf weiter getragen. Die Irritation, die das zunächst auslöst, wird beantwortet mit ganz viel superflaumigem, luftigem, zärtlichen Weichweichweich-Moschus. Was die eine oder andere Nase widrig angehen mag, wird mit so viel kompensatorischer und versöhnlicher Moschusgefälligkeit eingepackt, dass aus etwaigem Naserümpfen ein Lächeln wird: Lederhärte und Teer-Exsudat kommen gebändigt und zahm daher.
Das Unnachgiebige wird mit etwas Nachgiebigem kombiniert. Eine sehr reizvolle Paarung. Das Kosakenstiefelleder wird einerseits ausnehmend schmiegsam, der Moschus bleibt andererseits nicht knochenlos und undefinierbar dunstig. Die Vanilleblume Heliotrop ist der perfekte Begleiter hierfür, hilft dem Moschus, das Leder leicht zu machen, hilft auf der anderen Seite aber genauso dem Leder, dem Moschus Substanz und Form zu geben, dabei erfüllt sie diese vermittelnde Rolle mit sanfter Süße. Aus dem Reifengummi wird ein softer, pastellfarbener (zum Radieren völlig ungeeigneter) Radiergummi, aus dem derben, undurchlässigen Leder wird edelstes Veloursleder und aus dem buschigen Wölkchen-Moschus ein klares Leuchten. Der animalische Charakterzug, der bei Leder fast unvermeidlich immer dabei ist, kommt hier sehr, sehr ungewohnt und beinahe unmerklich daher: untergründig und mehr geahnt, als wirklich präsent, umspielt er die äußersten Ränder des Duftes.
Ellena ist eigentlich nicht unbedingt der Moschusfan und erst recht bei seinen extra-extra-transparenten Hermessencen überrascht ein so offensichtlicher Moschuseinsatz. Aber es ist wohl gerade das Spiel mit Pastosität und Transparenz, das bei Cuir d´Ange die kreative Herausforderung war und er hat sie gemeistert mit einem hell-leichten, weichen Ledermoschus, der bei aller Sanftheit immer noch Kante, Charakter und Linie aufweist.
Ein feinfühliger, freundlicher Begleiter, nicht imposant oder grell, aber mit Eigenheit und Profil. Indirekt und über einen kleinen Umweg, aber eben doch im Grunde sehr ellenaesk und hermessenceartig.
10 Antworten
Louce vor 10 Jahren 11
5
Flakon
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Sonneneinladung
Die Different Company Colognes (zwar in EdT-Stärke, aber betont "Cologne" genannt: "Esprit de Cologne") sind Émilie Bevierre-Coppermann bislang verdammt gut gelungen und die Symrise-Parfumeurin werde ich im Auge, bzw. der Nase behalten, wenn sie außerhalb der normalen Marken-Auftragsarbeit zum Duftgestalten kommt, so wie hier. Die kann was.

Der Anspruch an ein Cologne ist ein anderer als an sonstiges Parfum: Hier darf die Komposition nicht so komplex, dicht verwoben und tiefschichtig sein, dass sie den Vorder-, Mittel- und Hintergrund einnimmt und den (Luft-)Raum verstopft. Ein Cologne muss immer einen erfrischenden Effekt haben und auch über die Kopfnote hinaus, möglichst bis zum Ende der Dufterfahrung, einen erquickenden, jung-natürlich-gesunden, gerne auch kühlenden Charakter aufweisen.
Es muss leicht sein und erleichternd wirken.
Wenn die Different Company Colognes macht, kommt dazu noch die Erwartungshaltung, dass das ganze trotz des obligatorischen Frische-Gebots ein spannendes und modernes Parfum sein und sich nicht zu belanglos in die 0815-Aquas oder 4711-Varianten einreihen soll.

Mission accomplished auf ganzer Linie:
Alle Different Company-Colognes habe ich als echte, im Sommer gut tuende und bei Hitze besonders taugliche Eaus de Colognes erfahren, die Nase und Hirn freuen mit interessanten, riechenswerten und ungewohnten Duftbögen, die dabei aber nicht fordernd (und damit irgendwie anstrengend), sondern aufheiternd, anregend und belebend sind. Jetzt hat mich eines davon so sehr bezaubert, dass ich es gar nicht erwarten kann, es bei über 25°C auszuprobieren und es als ganz heißen Kandidaten für den Sommer 2014 auf meine Wunschliste setze: South Bay.

South Bay fängt an mit einer außerordentlich natürlich wirkenden Grapefruitnote. Nicht die, die einem öfter begegnet in Kopfnoten und seit TdH zum Kanon zeitgenössischer Zitrusstarts gehört, sondern eine hyperrealistische: Nicht eingebettet in Kontext, sondern unmittelbar, ruft die Grapefruitnote (laut Pyramide unterstützt von sauer-bitterer Quasizitrus-Tamarinde und herbem Mandarinenblatt, was ich gut nachvollziehen kann) mit hohem Ikonizitätsgrad eine direkte Geschmackserinnerung an den ersten Schluck frisch gepressten Grapefruitsafts am frühen Morgen auf. Und genau diese Auswirkung hat sie auch olfaktorisch: sie weckt, rüttelt auf und bringt die Sinne auf die Reihe.
Die Bitternote zieht sich langsam zurück, aber das Säuerliche bleibt und das, was dann entsteht, ist blumig. Aber es entspricht überhaupt nicht bekannten Blumenakkorden und erfüllt kein gewohntes Sommerblumenklischee: Eine gut erkennbare, supercharmante Freesie duftet gut gelaunt neben etwas Süßsaurem, Schwungvollem, das ein wenig holzig und rosig ist und unter dem Eindruck enorm Vitamin C-haltiger Frische eine Idee von Fülle, Dichte und Reife mitbringt. Keine Ahnung, wie das gemacht wurde, aber der Name „Hagebutte“ passt 1:1! Auf ihrer Website nennt die Different Company das "Églantine", was "Heckenrose", oder deren Frucht "Hagebutte" bedeuten könnte... obwohl der Akkord durchaus auch etwas Rosenhaftes hat, bin ich mir sicher, dass es mit Hagebutte exakt richtig übersetzt ist. Diese Hagebuttennote ist verblüffend und auffallend, sie macht für mich den Hauptreiz dieses Colognes aus. Nicht süß-mehlig, wie Hagebuttenmark oder extrasauer wie Hagebuttentee (der ja eigentlich ein Hibiskus-Hagebutten-Tee ist), sondern wie Hagebuttenfruchtfleisch um die vielen kleinen Kerne, wenn man die Frucht direkt vom Strauch gepflückt und aufgepuhlt hat.
Diese hagebuttig-blumige Mitte zeigt für ein Cologne eine erstaunliche Puste und hält lange an, bis sie sich schrittchenweise zu einer hellen, leichten Holzigkeit wandelt, die dann immer weiter verblassend und sich in Hautduft integrierend, ausklingt. In diesem letzten, holzigen Kapitel wird der Duft ausgeglichen und ruhig, dabei aber nicht fester oder weniger durchlässig. Der Wildlederaspekt bedeutet hier keine eigentliche Ledrigkeit mit hinterrücks kickender animalischer Beinote, vielmehr ein Heben der Holzigkeit zu streichelig-weicher Leichtigkeit.

Ein attraktiver, sehr vergnüglicher Duft - frisch, erst bitter, dann sauer, dann süßsauer, zuletzt hellholzig, leicht und bei aller Unschwere dennoch kraftvoll und charakterstark, Gegenmittel gegen Hitzemüdigkeit und Wärmephlegma, voller Lebendigkeit… das macht SOLCHE Lust, South Bay im Sommer zu tragen. Der braucht Sonne, Sonne und noch mehr Sonne, um sein ganzes Potenzial an Energie zu entfalten und bestimmt mächtig viel Spaß zu bringen.
Bravo, Émilie!
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