MaxFavier

MaxFavier

Rezensionen
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1 - 5 von 6
MaxFavier vor 12 Jahren 47 12
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Apologie der Biederkeit
langweilig, beliebig, massenkompatibel: das Urteil über Bleu de Chanel war nach seinem Erscheinen in den gängigen Onlinemedien schnell gefällt - und fiel nicht gerade schmeichelhaft aus. Eine gefällige Komposition aquatischer Synthetika - von Chanel?
Und Unrecht haben die Kritiker nicht. Die Qualität der Rohstoffe scheint okay, aber auch nicht mehr; vor der Qualitätsanmutung her gibt es durchaus bessere Düfte in der Regalen der Parfümerien. Und es stimmt: neben Chanels Dauerbrennern wie No 5 sieht Bleu reichlich blass aus. Trotzdem ist Bleu für mich mehr, als die Verrisse ihm zugestehen möchten - nämlich ein gutes Parfum.

Warum?

Erstens: Mit Bleu zielt Chanel direkt auf Otto Normalverbraucher. Und damit gehöre ich zur Zielgruppe. Ich bin kein Parfumsammler und auch kein semiprofessioneller oder nebenberuflicher Parfumtester. Die langweilige Wahrheit ist: bei mir gehören ein paar Spritzer EDT zur Morgenhygiene. Dafür kaufe ich 90% meines duftenden Zeugs: nach dem Duschen aufsprühen, sauber und frisch fühlen, nicht mehr groß drüber nachdenken.
Viele User hier stellen hohe Ansprüche an ihr Duftwasser: es soll ihrer facettenreichen Persönlichkeit Ausdruck verleihen, ihre Individualität betonen, es soll qualitativ und kompositorisch den Düften der schnöden Massen überlegen sein und auf diesem Wege die Selbstdarstellung von überlegenem Stil und Geschmack ermöglichen, ein Statement machen, bisweilen gar die Verführung des anderen Geschlechts in die Wege leiten. Das alles sind zumindest interessante Beweggründe für das Tragen von Parfum. Wie trivial es auch sein mag: In meinem persönlichen Alltag sollen die Produkte der Beautyindustrie meist bestenfalls ausdrücken, dass ich mir morgens 10 Sekunden Zeit genommen habe, halbwegs sauber und adrett vor die Türe zu treten. Als unspektakulärer, aber solider Duft aus der Richtung besseres Herrendeo/Shampoo/Aftershave erfüllt Bleu diesen Zweck.

Zweitens habe ich im Laufe der Zeit für mich die Erfahrung gemacht, dass ich im Berufsalltag keine Düfte mag, die meine Aufmerksamkeit einfordern. Duftiges Hintergrundplätschern ist okay, aber wenn ein Parfum um mich herum ständig eine Party des Wohlgeruchs abfackelt, geht mir das recht schnell auf die Nerven. Das kleine Blaue von Chanel ist ein angenehmer aber unauffälliger Begleiter. Ich habe ein paar Düfte mit "mehr Kante" im Schrank, die ich ab und an gerne mag, aber im täglichen Gebrauch nicht ertragen könnte. Bleu de Chanel ist für mich tatsächlich alltagstauglich.

Und Drittens riecht Chanel Bleu gut. Nicht extravagant, nicht innovativ-abgefahren, aber auch nicht zu billig oder aufdringlich - sondern ganz schlicht angenehm maskulin. "Warmes Duschgel" trifft es ganz gut. Die Grundarchitektur scheint mir im übrigen nicht allzu weit von dem einige Jahre älteren Allure Blanche entfernt zu sein, Bleu variiert dieses Thema jedoch etwas "dunkler". Die Haltbarkeit ist ziemlich gut.
Für mich sind Adjektive wie erfolgreich, gefällig und massenkompatibel keine Schimpfworte - aber wer großen Wert auf Originalität und Einzigartigkeit seines Parfums legt, dürfte tatsächlich andersweitig glücklicher werden.

Man braucht aus Bleu nicht mehr machen, als es ist. Einige Klassiker von Chanel haben spektakuläreres zu bieten. Aber ein anständiges Alltagsparfüm ist es durchaus.

Für wen? Mittelschichtsmänner mit Sinn für ehrbare Langeweile ;-)
12 Antworten
MaxFavier vor 13 Jahren 15 5
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
3
Duft
Zimtorgie im Bioladen
Assoziationswolke: Alternativladen, Parkas, Friedensdemo, Kassie, Big Red Kaugummi, Pril Blumen, Flugblätter, billige Zimtöle für die Duftlampe, Tofu, Greenpeacegummiboote, Noam Chomsky, Zimt, ökologische Studenten-WG, Rost 4, Petra Kelly, Tschernobyl, Buchweizen, Mitterand, rettet die Wale, Zimt, hammse mal ne Mark für mich, Protestsongs, Joschka Fischers Turnschuhe, Jean Pütz, Hofgarten, Reformhausverkäufer, Anti-AKW-Barrikaden, Grobstrick, K-Gruppen-Resteverwertung, Pershing II, Heinrich Böll, Camden Town, Antiparteienpartei, Sitzblockade, Lammfellmützen, Schreibmaschine & Schulterpolster, Fasten für den Frieden, Demeter Fruchsaft, Biermann-Schallplatten, warum sehen die Leute im Bioladen eigentlich immer so verhungert aus, Naturkost, umweltgerechte Herstellung, Veganertreff, Bärlauch, Henna, recyceltes Packpapier, Basisarbeit, Norwegerpullis, Vollwertkost.

Eau Lente öffnet so, wie es endet: Mit Zimt. Viel Zimt. Und ganz vielen anderen Gewürzen aus dem Sortiment des Bioladens an der Ecke, die man aber unter der Schiffsladung Zimtöl nie wirklich zu riechen bekommt. Ein bisschen Opoponax, Nelke und Kreuzkümmel kann man erahnen. Ich habe es bei mehreren Versuchen nie lange mit Lente ausgehalten, gehe aber von einer grandiosen Haltbarkeit auf der Haut aus, da sich das Zeug so gut wie überhaupt nicht abschrubben lässt. Wer auf der Suche nach seinem spirituellen Ich den Weg der ökologischen Läuterung beschreiten möchte, ist hier genau richtig: mit einem Schuss Lente am Handgelenk riecht jeder Parfümliebhaber in Sekundeschnelle wie ein vollwertkostorienter Hare Krishna Anhänger mit einem Sack Zimt auf den Schultern. Eau Lente: wecke den Guru in dir!

Doch keine Panik, die gute Nachricht für die leistungstragenden Parfümeliten: diese erheiternde Reminiszenz an die ökologische Linke der 80er Jahre gibt es nicht nur im Biosupermarkt, sondern auch im Luxuswarentempel. The Times They Are A-Changin'.

Für wen? Altalternative mit Zimtfetisch
5 Antworten
MaxFavier vor 13 Jahren 38 12
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
4
Duft
Taschenbestiarium
Musc Ravageur ist penetrant, intensiv, animalisch. Wer Musc Ravageur ersteht, tut dies mit dem wohligen Gefühl: hier hat sich der Parfumeur noch so richtig die Finger dreckig gemacht, mithin einen ganzen Streichelzoo dahingemetzelt, zersägt, mit klammen Fingern ungezählte Drüsen ausgepresst und in einem langwierigen und übel riechenden Prozess klebrig-tierische Riechstoffe aus Mäusehintern extrahiert.

Mit Musc Ravageur ist Maurice Roucel ein kleines Kabinettstückchen gelungen: Er hat ein modernes Parfum mit dem Vokabular der verlorenen Welt der klassischen Parfümerie entworfen. Dabei hat er die animalischen Komponenten, die sonst als Basisnoten ihren Dienst versehen, in Kopf und Herz versetzt. Während die vorherrschende Ambra-Moschus Kombination zusammen mit den Gewürzen (Nelke, Lavender, Zimt) zunächst für einen kräftigen oldschool-Vibe a la 50er Jahre sorgt, gewinnt die Komposition mit dem gourmandigen Vanille-Tonka Akkord und der eingestreuten Zitrone einen eindeutig modernen Charakter. Eine ähnliche Moschus-Amber Kombination findet sich beispielsweise sehr dezent eingesetzt in YSLs M7. Das Wechselspiel zwischen lieblich und herb kennt man aus Chanels Coromandel, doch gefällt mir dessen Ringen zwischen Puder und Kraut deutlich besser als MRs innerer Kampf zwischen Tier und Vanille. Die Vergleiche machen deutlich, dass wir uns mit MR im Territorium hochwertiger, aber etwas aus der Reihe tanzender Düfte befinden, die nicht jedermanns Geschmack entsprechen. MR wirkt dabei sehr arty, sehr dicht, sehr nischig.

In einem bekannten englischsprachigen Gesprächskreis für Parfümnarren wird Musc Ravageur als letzter Schrei in Sachen „sexy perfume“ gehandelt, ein sicheres Mittel zur Verführung des jeweils anderen Geschlechts. Nachvollziehen kann ich das nicht. Musc Ravageur sollte sich nur derjenige anschaffen, der nicht davor zurückscheut, dass seine teuer eingekaufte animalische Sexyness für pre-senile Inkontinenz gehalten werden könnte. Denn die unter der würzigen Vanille zu riechende Nähe zum Haustier wird nicht jedem gefallen. Musc Ravageur riecht nicht nach konkretem Tier im Sinne von Löwe, Hund oder Pinguin. Die Pointe von Roucels Kreation und verantwortlich für den „animalischen“, schwitzigen Eindruck ist der ungewöhnlich hohe Anteil an tierischen Riechstoffen. Ich könnte mir vorstellen, dass MR für seinen Träger ein heikles Unterfangen ist. Es wird im Spektrum der „Mitriecher“ seine Liebhaber finden, aber bei anderen Ekel erregen. In jedem Fall ist MR in freier Wildbahn eine Provokation.

Musc Ravageur ist ein qualitativ wertiges Parfüm, das einen Probelauf durchaus lohnt. Für mich persönlich ist es jedoch mehr interessante Machbarkeitsstudie als tragbares Parfüm. Ich betrachte es als reizvolles Exponat, das ich in der Ausstellungshalle der Düfte kurz bewundere, bevor ich weiter zur nächsten Kuriosität schlendere. Tragen möchte ich dieses Parfum nicht - und auch an meinen Mitmenschen lieber nicht riechen. In dieser gewürzten Variation über das Vanille-Gourmand Thema steckt mir einfach zu viel Fauna.

Für wen? Vanilletierzüchter und urbane Hipster, die ihre animalische Seite betonen möchten
12 Antworten
MaxFavier vor 14 Jahren 17 6
5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft
Der Waffelmann
Für meine Entmannung auf dem Bahnhofsvorplatz zeichnete Diors Homme Intense verantwortlich. „Hast du Waffeln gebacken?“ frug mich die Bekannte, in deren Auto ich soeben gestiegen war. „Nein, aber meinst du vielleicht mein Parfum, das riecht so lecker nach Kakao?“ Erwartungsvoll hielt ich ihr meinen Arm entgegen. Die Antwort kam zögerlich: „oh ja, das riecht nach frisch gebackenen Waffeln mit Puderzucker.“ Vorsichtige Nachfrage: „nicht gut?“ Und während wir in den Stadtverkehr einbogen hauchte man mir als Antwort entgegen: „doch, doch...nur halt nicht wirklich...öh...maskulin.“

Am Handgelenk präsentiert sich Dior Homme EDP überwiegend durch ein kräftiges Aroma von Kakaobohne, umgeben von etwas indifferent „parfümigem“. Dabei erzeugt Homme EDP einen Effekt, den ich so bei keinem anderen Parfum erlebt habe: Ich kann Homme Intense kaum riechen - aber fühlen. Ich fühle, wie mich eine olfaktorisch kaum wahrnehmbare Duftwolke umgibt. Ich rieche, dass da etwas ist, was ich nicht riechen kann. Klingt komisch, ist aber so. Dior Homme Intense umgibt den geneigten Träger mit einer sanften, niederfrequentig pumpenden Aura; ein kuscheliger Vollkörpernimbus aus sämig-buttrigem Waffelundpuderzuckeraroma.

Im Vergleich zu anderen Konditordüften wie CSP Vanilla Abricot wirkt Dior Homme EDP dabei geradezu edel, fizzelt nicht künstlich-billig in den „Höhen“ vor sich hin sondern nutzt das „Frequenzspektrum“ aus und schiebt kräftig über die „Mitten“ und den „Bassbereich“. Die Gemeinplätze der modernen Herren-Mainstreamparfümerie, die als „aquatische Noten“ euphemisierten Chemobomben und Weichspüler, sucht man hier zum Glück vergeblich. Vom handwerklichen kann man gegen Homme Intense also nichts sagen, ganz im Gegenteil. Homme Intense hält und hält und hält, auf meiner Jacke ist er nach 2-3 Wochen noch wahrnehmbar. Es schlägt sich in dieser Disziplin deutlich besser als das zugehörige EDT, dessen Lebensdauer auf Haut und Kleidung eher begrenzt ist.
Homme Intense kommt insgesamt gourmandiger daher als das EDT, der Kakoa ist kräftiger, die pudrige Iris tritt etwas in den Hintergrund, die Vanille ist raumgreifender, der Duft wird ambraischer, „fettiger“.

Natürlich konnte ich angesichts der prinzipiellen Hochwertigkeit von Dior Homme EDP die eingangs geschilderte negative Einschätzung nicht auf sich beruhen lassen, und so mussten weitere weibliche Testobjekte meinen unter ihre Nasen gehaltenen Arm ertragen. Das Ergebnis war jedoch stets ähnlich, Dior Homme EDP wurde übereinstimmend als „anti-maskulin“ wahrgenommen, und mittlerweile stimme ich zu. Während Dior Homme EDT für mich einen femininen Einschlag hat, ist das EDP nicht einmal unisex zu nennen - es ist eher asexuell. Ich mache sonst per se weder um süße noch gourmandige Noten in Parfüms einen Bogen, aber Dior Homme EDP scheint, vielleicht durch den buttrig-pudrigen Charakter, fortwährend „Eunuch“ in die Duftwolke zu flüstern.

Was machen wir aus dem ganzen? Dior Homme Intense ist ein angenehm riechendes, hochwertiges Parfum mit sehr guter Lebensdauer auf Haut und Kleidung. Hier riecht nichts billig oder über Gebühr chemisch. Eigentlich perfekt – würde der sämig-buttrig-gourmandige Charakter nicht die olfaktorischen Signale in eine Richtung setzen, in die die meisten Männer freiwillig dann doch eher ungerne reisen. Ich jedenfalls habe meinen kurzen Flirt mit Dior Homme EDP recht schnell wieder beendet.

Für wen? Geschlechtslose Zuckerbäcker in einer Leckerschmeckerplüschwaffelwelt
6 Antworten
MaxFavier vor 14 Jahren 6
7.5
Flakon
2.5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Bittersüßer Bürobegleiter
Lancome Miracle Homme ist kein Parfum, das eine Geschichte erzählt - hier kann man sich kurz fassen. MH riecht dezent „modern parfümig“ mit Noten von fruchtig-süßlichem Laub und einem Schuss bitterer Kaffeebohne der nicht-gourmandigen Spielart, garniert mit etwas Moos und Paprika (ich vermute, dass es sich bei den Noten oben um einen Übersetzungsfehler handelt: red pepper = Paprika, nicht roter Pfeffer). Die tonangebende, ungewöhnliche Laubnote hat eine nussige und eine apfelig-süßliche Komponente - und riecht erstaunlich gut. Auch die Paprika reiht sich brav ihn die Reihe der üblichen Geruchskomponenten ein ohne seltsam zu wirken.
Kurkdjians Komposition verbindet erfolgreich helle und süßliche Motive der modernen Herrenparfümerie mit klassischen, herberen Noten. Doch es hilft alles nichts: leider ist Miracle Homme auf meiner Haut kurzlebig, die Projektion beschränkt. MH vermeidet zwar die chemische Seichtheit von Hugo Boss und Konsorten, ist aber in seiner Zurückhaltung trotzdem nicht gerade ein Charakterspieler. Mit MH wird man kaum irgendwo anecken, aber genau so wenig Begeisterungsstürme hervorrufen.

Miracle Homme ist, wie ein Stück Seife, ein braver und solider Arbeiter in Sachen persönliche Hygiene, kein Kunstwerk für Parfümliebhaber. Insgesamt gut tragbar, auch wenn MH auf der Haut zu früh die Puste ausgeht.

Für wen? Büroarbeiter, die anständig aber nicht zu aufdringlich parfümiert sein möchten.
0 Antworten
1 - 5 von 6