Ormeli

Ormeli

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1 - 5 von 65
Ormeli vor 8 Jahren 29 14
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Er weiß zu gefallen
Gern begab sich er sich auf Walz. Ein einfaches Leben war er gewohnt. Pfirsich, Honig und die Ruhe. Dennoch ließ er kein Richtfest aus - den auch für das Gesellige hatte er etwas übrig. Im Grunde ein Suchender, der nicht einmal den Hauch einer Idee hatte, was er finden wollte.

Kein Holz, das er nicht allein schon an den Fasern, der Maserung, dem Geruch erkannte. Wurde im Umkreis von ein paar Tagesmärschen, etwas gebaut, ein Dach ausgebessert oder eine Brücke erneuert war er ein gesuchter Handwerker, dem der Bauherr auch mal freie Hand ließ. Was sind schon Pläne und Skizzen? Phantasielos! Man muss das Holz verstehen. Wissen wie es atmet, wie es arbeitet. Wenn man einen Balken richtig einbaut trägt er seine Last ewig.

Eines Tages geschah etwas Seltsames. Ein Balken oder vielmehr ein Baumstamm hatte seinen wunderlichen Weg in die abgelegenen und weitgehend verkarsteten Höhen und Täler seiner armenischen Heimat gefunden. Das Holz – ja war es denn überhaupt ein Holz? So etwas hatte er noch nie gesehen. Steinhart, ungewöhnlich schwer und sobald man einen Span abschnitt, klebrig-harzig. Doch einen beinahe betörende Duft verströmend. Sowas hatte er immer finden wollen.

Die Rede ist von Guajakholz, einem sehr harten, harzreichen Laubholz, das in Armenien nicht wächst. Unser Baumeister hätte es mit einer Eisensäge bearbeiten müssen und sich dabei wohl tierisch über das zäh-klebrige Harz geärgert, das ihm das Sägeblatt total versaut hätte. Aber der aromatische, leicht vanillene, harzige Duft hätte ihn bestimmt versöhnt.

Mein aller erster Eindruck von Bois d´Arménie: Wirkt und duftet geheimnisvoll. Hautnah ist es anfangs gar nicht so schön. Sein Zauber entwickelt sich erst auf kurze Distanz. Bei meinem vierten oder fünften Test will er zum Beispiel nicht mal richtig in Fahrt kommen. Vielleicht war es zu kühl. Er dümpelte voll und dunkel vor sich hin – ich war schon fast enttäuscht. Doch nach gut ein bis zwei Stunde kam er mit umso größerer Wucht, so dass ich ihn selbst im zügigen gehen gut und deutlich wahrnehmen konnte.

Am Start ist Bois d’Arménie meistens gourmand-pudrig, fast erinnert es an zart herben Kakao, manchmal auch an hochwertiges Make Up, welches meine Frau gerne verwendet. Diese Sachen haben teilweise einen ähnlich pudrigen, karemellenen, schokohaften Anklang. Eine andere Assoziation ist herb süßer, dunkler, zähfließender Honig, umschlossen von zartem Karamell und ummantelt mit bitterer, tiefschwarzer Kakao-Schokolade. Dieser Eindruck, bei dem man allein schon vom Zuhören zunimmt hält jedoch nie lange vor. Auch wenn es sich vielleicht etwas danach anhört, ist es keine Duftpraline. Der Start ist oft sogar ruppig, sehr zurückhaltend, fast unprätentiös. Dazu kommt, dass er direkt auf der Haut leicht erdig und kantig erscheint.

Seine volle Wirkung erzielt Bois d’Arménie erst mit etwas Abstand, in der Projektion. Da steckt viel Kraft dahinter, die Haltbarkeit lässt mit über 8 Std. kaum zu wünschen übrig. Dabei wirkt der vollmundige Duft, durchaus leichter als er ist, was ihn gerade noch für kühlere Tage im Frühling oder Spätherbst interessant macht. Eindeutig etwas für die kalte Jahreszeit. Keine ausschließliche Geschlechterzuordnung, jedoch für meinen Geschmack eher feminine Aspekte in der Entwicklung. Die übrigens relativ geradlinig verläuft. Das Dunkle, geheimnisvolle, cremige Werk behält seinen Charakter über lange Strecken bei, was die Wiedererkennung steigert obwohl der Großteil meiner Mitmenschen dieses zauberhafte, vielschichtige Werk wohl nicht richtig zu würdigen wüssten.

Höre ich Armenien, denke ich an Pfirsich vielleicht an Honig. Zerklüftetes Bergland und karge Höhen aber nicht an Gujak oder Kopavia. Das ist wohl dem Traum und der Phantasie des Guerlain geschuldet. Ich persönlich sehe im Guajakholzd und später, an der Basis, mit dem Kopaiva, welche ebenfalls mit einem exzellenten Aroma glänzt, den zentralen Bestandteil, das Herz und die Seele dieses Duftes. Beides harzreiche Laubhölzer, die in den Subtropen beheimatet sind. Also nichts, was im herausfordernden Klima Armeniens zurecht käme.

Gelegentlich sind am Start sogar dezent wirkende und leichtflüchtige zitrische Eindrücke zu erkennen. Diese lugen auch nach gut zwei Stunden und sogar - mit leichtem Grapefruitcharakter - in der Basis noch mal kurz durch. Ob sich Iris da gegen die übermächtige Konkurrenz durchmogelt?

Nach rund vier Stunden beginnt, nach und nach, ein behutsamer Wandel. Bois d´Arménie wird weicher und nun zwischendurch auch auf der Haut schöner. Sein vanillener Charakterzug tritt jetzt in Erscheinung. Wobei es sich um eine dunkle Vanillenote handelt, die kaum süße aufweist. Bis zum Ende ist eine komplette Wandlung vollzogen und es duftet am Handgelenk zeitweise sogar ein kleinwenig ätherisch – technisch. Nicht so wie in der Schlosserei dennoch schmort da hautnah etwas still und heimlich vor sich hin.

Eigentlich sollte dieser zauberhafte Duft nicht zerpflückt und analysiert werden. Einzelnen Noten lassen sich kaum herauspicken. Alles ist zu einem harmonischen Gesamteindruck verschmolzen. Sowas ist kaum nachzuahmen und hätte ich es nicht gewusst, hätte ich wahrscheinlich nicht auf Guerlain getippt. Schon öfter hatte ich Düfte, die mehrere, teilweise sehr unterschiedliche Eindrücke kombinieren, aber kaum einem gelingt es, sie so stimmig, so harmonisch miteinander zu verknüpfen.

Zusammenfassend ist Bois d´Arménie ein schwer zu beschreibender Duft, der vor allem in der Projektion ein vielschichtiges, cremig-weiches, teils kakaohaft, karemellig duftende, teils vanillen-herbes Bild zeichnet. Gute Silage, vorzügliche Haltbarkeit. Es macht richtig Spaß diesen sehr gepflegten, stilvollen Duft zu tragen. Mein Pröbchen habe ich von Claudine erhalten, die mir damit eine große Freude bereitet hat. Und ich freue mich schon richtig darauf weitere Vertreter aus dieser Reihe unter die Nase zu nehmen, denn wenn auch kaum in Worte zu fassen, sie wissen zu gefallen, diese Guerlains.
14 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 27 22
7
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Etwas Salz auf der Haut …
Ein Tag am Meer, wobei es keine Rolle spielt, ob sturmumtoste Nordsee oder knackig heißer Adria-Strand, ist für eine Landratte wie mich stets etwas Besonderes. Alles wird intensiver. Farben und Gerüche, satter und deutlicher. Wo zuvor Eile, verfliegt alle Hast und ich möchte verweilen. Während Sel de Vétiver auf mich wirkt, bin ich in Gedanken an der Nordsee. Dabei hat selbstverständlich auch ein mediterraner Badestrand seine Verlockungen. Und doch zieht es mich an die raue, wilde See.

Ein paar Kilometer hinter den Dünen, der Wind rauscht in den Blättern der Pappeln und Weiden. Gedämpft dringt Kreischen und Lachen von Kindern an mein Ohr, die wohl gerade große Pause haben. Dicht an dicht stehen rote Klinkerhäuschen mit ihren an Schaufenster erinnernden, prächtig geschmückten, zum Blickfang herausgeputzten Frontseiten. Einfach nur pittoresk. Der auffrischende Wind stört mich kaum. Ich beobachte die Menschen, die wie fleißige Bienen den kleinen Marktplatz bevölkern. Möwen zanken sich um einen Leckerbissen. Völlig in Gedanken versunken rühre ich meinen Kaffee, da steht sie plötzlich vor mir.

Weißer Hut, das lange, dunkle Haar hochgesteckt. Sommersprossen im Gesicht. Der Blazer und das dünne Beinkleid stehen ihr gut. Die Jahre haben kaum Spuren hinterlassen.

Viel zu kurz war der Tag. Tang, Treibholz, Sand und Muscheln. Auch jede Menge Unrat, welchen ich ignoriere. So liegen wir schließlich in den Dünen, den Blick auf das wild heran rollende Meer, während die untergehende Sonne alles in ein seltsames Zwielicht taucht. So schön die Zweisamkeit, die uns viel zu selten gegönnt ist. Mit Sand in den Haaren und etwas Salz auf der Haut geht einer der wenigen sonnigen Tage zu Ende, an diesem wilden und rauen, vom Überlebenskampf gezeichneten Ort, den die Menschen dem Meer abgetrotzt haben, wohl wissend, dass es sich das Land irgendwann zurückholen wird.
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Ungezügelte Wildheit, ein rauer, fast herber Charme und doch strahlt Sel de Vétiver eine gewisse Sinnlichkeit aus. Faszinierend, die wohltuend warmen und beinahe herzhaften Akkorde, die mich ganz entfernt an Anis, dieses intensiv duftende, kleinblütige Kraut denken lassen, bevor schließlich der erdige Charakter überhand gewinnt.

Nur für einen kurzen Moment sind zitrische Aromen präsent, relativ lang hält sich Grapefruit. Doch schon verschafft sich die namensgebende Note Aufmerksamkeit. Ein Vétiver wie ich es noch nicht kannte. Nach rund zwei, drei Stunden, fügen sich Eindrücke mit ein, die ich an der See gesammelt habe, wenn der Wind aus Nord-Nord-West den Geruch der Brandung, des Meeres, das Salz in der Luft herüberträgt. Es bleibt jedoch bei einem kurzen Gastspiel.

Eine weiche, bunte, beinahe eigenwillige Kombination, die jetzt zusehends lieblicher wird. Der markante, gern als kantig und rau empfundenes Vetiver, flankiert von würzig-süßem Kardamom auf der einen und lieblich-blumigen, ätherisch schwebenden Ylang- Ylang auf der anderen Seite.

Iris und Vetiver. Im wahrsten Sinne die Wurzel dieses Duftes. Iriswurzel an sich, kaum wahrnehmbar, macht jedoch das Vetiver weicher, nimmt ihm von dem Herben und lässt ihn sanftmütiger erscheinen. Ganz am Ende, wenn man den Duft, direkt auf der Haut nicht mehr wahrnehmen, sonder nur noch erahnen kann, ist er leicht balsamig, fast weich, sowie eine winzig-kleine Spur seifig. Ein schönes Finale. Im letzten Drittel ähnelt er etwas Fleurs de Sel von Miller Harris.

Nach dem ganzen Meeresrauschen drängt sich mir die Frage auf, ist dies Wässerchen, von dem mir Meggi dankenswerter Weise ein Pröbchen überlassen hatte, etwa ein Aquat? Es riecht frisch und mit viel Phantasie erinnert es an die anbrandende See. Aber zu den typischen „Sauber und Rein“- Düften mit Meerestouch würde ich es nicht zählen, sondern eher erdig-frisch mit einer kleinen Patina. Oder einfach nur … etwas Salz auf der Haut.
22 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 15 13
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Tschai?
Kürzlich hatte ich mich in einer Nürnberger Einkaufspassage mit meiner Frau verabredet. Da noch etwas Zeit war, nahm ich eine Bank in Beschlag und ließ Gedanken und Blicke schweifen. Ich gebe es offen zu: Gelegentlich beobachte ich gern mal andere Menschen. Während das bunte Treiben auf mich wirkte, bahnte ein eigentümlicher Gedanke sich seinen Weg in mein Bewusstsein.

Was wäre wenn ich mir selbst begegnen würde? Wenn ich z.B. durch eine Diskontinuität im Raum- Zeitgefüge einen kurzen Blick auf mich selbst, sagen wir mal vor 15 oder 20 Jahren werfen könnte? Plötzlich und unvermittelt? Was würde ich meinem jüngeren ich sagen? Lottozahlen? Wichtige Nachrichten? Müsste ich mich nicht vor irgendetwas selbst warnen oder andererseits zu etwas ermutigen, was mir heute vielleicht als verpasste Chance erscheint?

Und umgekehrt? Sollte ich mich nicht bereits an so ein Ereignis erinnern können? Was wenn mein Gespräch, mit mir selbst, ungeahnte negative Folgen gehabt haben könnte? Wäre es dann nicht besser zu schweigen? Da kommt man ganz schön ins grübeln. Glücklicherweise sind derlei Ereignisse höchst unwahrscheinlich. Dagegen ist es viel wahrscheinlicher, das ein Bekannter die Passage betritt und mich in ein Gespräch verwickelt.

Wie hängt das mit John Varvatos zusammen? Nachdem meine Frau eingetroffen war entdeckte ich das in Leder gehüllte Fläschchen bei einem beliebten Restpostenverwerter zu einem attraktiven Preis. Blind gekauft und frisch aufgesprüht startet das Wässerchen fruchtig-würzig-fein und macht zunächst einen zurückhaltenden, aber guten Eindruck. Abgerundet von einer leicht balsamischen Basis.

Bei fruchtigen Düften, speziell wenn es leicht an Apfel erinnert, winke ich schnell ab. Doch mutet es eher wie ein würziger Tschai an. So feigenhaft-dattelig hatte ich John Varvatos, nach meinem Null-Test nicht in Erinnerung.

Aber so bleibt es nicht. Denn nach spätestens zwei Stunden ist der fruchtig-krautige Anteil weitestgehend verschwunden und langsam wird es sandel- süß und weicher, in engem Rahmen auch vanillig. In den folgenden Stunden spult John Varvatos sein lieblich-warmes Programm ab, bis die Duftquelle, an meinem Handgelenk, nach insgesamt rund acht Stunden versiegt. Das versprochene Leder bleibt jedoch auf der Strecke.

Insgesamt startet er nicht so Fruchtig, wie meine Beschreibung vielleicht vermuten lässt. Es handelt sich eher um ein dezentes, krautiges Duftwasser mit einer leicht süßen, fast beschwingten, minimal cremig-balsamigen, ambratischen Basis. Beigaben wie Oud oder Leder bleiben unterhalb der Wahrnehmungsschwelle.

Ein dezent zurückhaltender Duft für kühle, aber nicht kalte Tage, der sich irgendwo in der Übergangszone zwischen Massenmarkt und Nische ansiedelt. Bei seiner Entwicklung zeigen sich eher maskuline Aspekte. Zwar belanglos aber nicht schlecht. Keine explizite Kaufempfehlung, außer - falls ein zurückhaltender Vielzweckduft in der Sammlung ersetzt werden möchte.
13 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 17 13
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Feng Shui im schlanken Flakon
Schön, wenn nach dunklen Wintermonaten endlich die Natur erwacht. Die Sonne schickt ihre ersten wärmenden Strahlen und am Himmel befindet sich kaum noch etwas, außer einem satten Blauton. Von meinem Büro habe ich einen guten Blick auf einige rot-blühende Kirschen. Da fühle ich mich dem Fuji irgendwie nahe. Genau die richtige Zeit für Tomo Fresh – der jedoch so gar nichts Asiatisches an sich hat.

Er geht grob in dieselbe Richtung wie Joop! Go nur das Tomo Fresh einen für mich viel schöneren Dry Down hat. Bei Go riecht es nach 10 Stunden zwar moschusfrisch- und leicht Holzig aber die Luft ist eindeutig raus. Tomo Fresh gelingt dies viel wärmer weicher und runder. Aber davon gleich noch mehr.

Annayaké ist quasi eine Eigenmarke von Douglas, jedenfalls waren in Deutschland die Produkte exklusiv nur dort erhältlich. Inzwischen ist das wohl nicht mehr ganz so streng. Gekauft habe ich ihn schon vor rund drei Jahren und er gefällt mir auch heute noch. Doch der schlanke, fast 20 cm hohe Flakon führte ein fürchterlich vernachlässigtes Leben in meiner Parfümschublade. „Zuletzt vor 638 Tagen getragen“ mahnte die Übersicht im Parfumo Assistenten.

Die mit Zitrusfrüchten beschriebene Kopfnote offenbart Limettenfrische, Bergamotte und einen Nerolianteil, der bis in die Anfänge der Basis präsent bleibt. Schon kurz nach dem Start macht sich der Lavendel, zwar nicht unbedingt deutlich bemerkbar, doch sicherlich würde ohne diesen ätherischen Gute-Laune-Bringer etwas wesentliches fehlen. Alsbald gesellt sich eine dezent gourmandene Vanillenote hinzu.

Am frühen Nachmittag nehmen sich die zitrischen Anteile endgültig heraus und es übernimmt ein Tandem aus edlem Gehölz und nun recht deutlichem, eine Spur von honigsüßem- bis vanilligem – tja was eigentlich? Teakholz, wenn es den welches ist, spielt nur die zweite Geige. Den Großteil bestimmt eine vanillige Tonkabohne, die nur unwesentlich durch den Moschus aus der Basis gebremst bzw. abgepudert wird. Mit etwas Glück halten sich die warmen und süßen Anteile des Tropenholzes, direkt auf der Haut, noch bis weit in die Nacht.

Für mich ist Tomo Fresh ein kleiner Lichtblick in den Regalen der Parfümerieketten. Hier wurde zwar nicht unbedingt das Herrenparfüm neu erfunden, aber zu einem fairen Preis ein guter und solider Duft lanciert. Er wirkt erfrischend, anregend und auf gewisse Weise auch harmonisierend. Fast so eine Art Duft-Feng-Shui. Auf Dauer ist mir diese Tonka-Vanille-Exposition allerdings zu kräftig, so dass ich Tomo Fresh nicht länger als drei Tage hintereinander tragen mag.

Résumé: Zitrisch frischer Start, ätherischer Verlauf und süffig-süßholzige Basis mit guter, aber nicht atemberaubender Projektion bei ausreichender Ausdauer. Fraglos ein Frühlings-, Sommerduft, der sich prima für Zwischendurch eignet. Ein angenehmer, kurzweiliger Begleiter den ich mir auch sehr gut an einer Frau vorstellen könnte.
13 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 29 14
6
Flakon
5
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Liebes Tagebuch
Was für ein Tag! Life is killing me! Eines meiner Projekte konnte heute endlich in die Testphase starten. Obwohl wir es von langer Hand geplant hatten, überstürzten sich die Ereignisse und es drohte an Formalitäten, neu eingeführten Prozessstrukturen und anderem Ungemacht zu scheitern. Ich sage bloß: Kompetenzrangeleien. Nur wirklich frischer Wind, eine fast blauäugige Portion Zuversicht und viel Ausdauer haben „den Karren" letztlich in der Spur gehalten.

Die Mittagspause kam wieder mal zu kurz, aber für einen kleinen Happen, zusammen mit ein paar Kollegen in der Kantine, reicht die Zeit fast immer. Und dann war er da, der neue Global Head of Schieß-mich-Tod und Blablabla. Dienstantritt am ersten Februar und gleich heute großes Abteilungsmeeting mit lokalem Management und Betriebsrat. Das lässt nichts Gutes erwarten. „Wir müssen schneller sein … Innovationen … mein Bonus und die Optionen sind in Gefahr!“ Das letzte hatte er natürlich nicht extra erwähnt, kam ja auch so rüber. „Sie, die Mitarbeiter, sind unser größtes Kapital!“ Damit hatte er den Bogen komplett überspannt und das letzte Restchen Glaubwürdigkeit verloren.

„Headcount reduction by 248 FTE“ stand ganz unverblümt auf dem Chart, das ich schon kannte. Aber dass es jetzt doch auch uns treffen würde? Vom geschätzten Mitarbeiter zu FTE in nicht mal drei Minuten. Wem das nicht den Puls hochjagt, hat bereits einen neuen Vertrag in der Tasche oder weiß aus sicherer Quelle, das sein Bereich verschont bleibt – vorerst. Leider zähle ich zu keiner der beiden Gruppen.

Hätte es wirklich nicht erwartet. Doch mein heutiger Tagesduft hat mir tatsächlich geholfen. Und zwar den ganzen Tag lang. Beim nervenaufreibenden Projektmanagement lieferte er die nötige frisch-inspirierende Duftkulisse. Und ist doch dezent genug, um nicht reihenweise von sensiblen Kollegen, als unbelehrbarer Dampfer verdächtigt zu werden. Denn die fruchtig-frischen Auftaktnoten mit Orangenblüte und belebendem Neroli machen zwar echt Laune, können aber in höherer Dosierung zu Irritationen führen. Unabhängig davon ist eine Verwechselung mit dem Quadrat-Gaultier nicht ausgeschlossen.

Eine olfaktorische Beruhigungsspritze kann die warme, süßholzige Basis mit einem Hauch Vanille und gut abgestimmten Amber liefern. Das ist zwar nicht sonderlich originell - diese Kombination habe ich inzwischen oft in der Nase – gefällt mir aber dennoch recht gut. Ist ja auch ein klein wenig Vetiver mit von der Partie.

Für derart stressige Tage ist Altamir eine ziemlich gute Wahl. Er muss nicht ausschließlich von Männern getragen werden, wobei sich die femininen Akzente in Grenzen halten. Ich teste ihn schon, seit mir letzten Herbst, Angelliese eine Kostprobe zukommen lassen hat – herzlichen Dank dafür! Vielleicht sollte er nicht an besonders heißen Tagen eingesetzt werden. Da dürfte die schwer-süße Basis nicht sonderlich angenehm sein.

Fazit: Wohldosiert ist dieser Ted Lapidus ein netter, unaufdringlicher aber durchaus potenter Begleiter. Anfangs nerolifrisch, im Übergang ansprechend floral mit Veilchennote und zur Basis hin ein warm-würzig, tonka-teak-holzig-süßes Nerventonikum.
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