Rebelle

Jawohl, liebe Leute, es gab eine Zeit – die noch nicht lange zurückliegt – da gab es für mich noch kein Parfumo. Eine schreckliche Vorstellung, ich weiss. Manche von Euch werden sich an ihre derartig graue Vorzeit nicht mehr erinnern können. An diese Zeit, in welcher eine Parfümerie derart viele Möglichkeiten bot, dass man sich fragte: „Oh mein Gott, wo soll ich bloss mit Testen anfangen?“. Also nahm man den bestaussehendsten Flakon zur Hand, spritzte und wurde von einer Schrecklichkeit in Pink oder anderen Horrorvorstellungen begrüsst. Hilfe. Also blieb einem nicht viel anderes übrig, als die nette Parfümerieverkäuferin um Rat zu bitten, welche in der Lage war, diese Grausamkeiten von einem abzuwenden und einen annehmbaren Duft zu präsentieren.

Damit beende ich nun auch meine Zeitreise und komme zum Wesentlichen zurück: Golden Delicious von DKNY. Nun, man kann es sich fast schon vorstellen – eine hilfsbereite Parfümerieverkäuferin empfahl mir diesen Duft als ich sie in meiner Pre-Parfumo-Zeit nach einem Herbstduft fragte. Zugegeben, die originellste Idee war es nicht. Ich möchte allerdings eines ebenfalls betonen: die schlimmste war es auch nicht. Klar, bei diesem Duft handelt es sich um keinen Meisterduft der Parfumkunst. Dennoch, derart störend, wie er hier teilweise dargestellt wird, erscheint er mir dann auch wieder nicht. Es ist eben ein netter Duft, welcher aber beim Durchschnittsmenschen kaum Kopfschmerzattacken und Übelkeit auslösen wird.
Nach dem Aufsprühen ist der Alkohol sehr stark und beissend wahrnehmbar – dieser verfliegt aber sehr rasch und ich rieche einen schönen, reifen Golden Delicious Apfel heraus. Nicht einen frischen, knackigen, sondern einen, welcher bereits eine Weile gelagert wurde, um später daraus Apfelsaft zu gewinnen. Herbststimmung eben. Es ist ein süsser Apfel, das merkt man – aber nicht aufgrund von übermässiger Zuckerzugabe (daran wurde glücklicherweise gespart), sondern weil er es einfach ist. Danach geht alles sehr schnell: erst wird es dezent blumig. Dann noch dezenter blumig. Und dann ist er schon wieder weg. Nein, die Haltbarkeit ist wirklich nicht gut.

Nun, als Fazit lässt sich aus meiner Sicht sagen, dass Golden Delicious kein Supergau ist (ich habe ihn ja gekauft, trage ihn und wurde bisher noch nicht strafrechtlich belangt, weil Menschen in meiner Gegenwart per Fenster im dritten Stock das Gebäude verlassen haben). Kaufen würde ich ihn mir heute allerdings auch nicht mehr. Da gibt es nun wirklich schönere Düfte.

Praxis Dr. med. Alexander Schnüffelmann, Spezialist HNO, Freitag, 15:28

(Telefon klingelt)
(Praxisangestellte geht ans Telefon): Praxis Dr. Schnüffelmann, Naseweiss am Apperat.

Patient: Guten Tag, Frau Naseweiss. Ich habe ein Problem mit meiner Nase.

Fr. Naseweiss: Ja, was haben Sie denn für ein Problem?

Patient: Ich habe mir doch diesen Duft gekauft, der heisst Cool Water Wave von Davidoff. Wissen Sie, ich dachte, bei Davidoff kann man echt nichts falsch machen, schliesslich mag ich den Duft Cool Water ohne Wave ganz gerne. Und es war ein Sonderangebot.

Fr. Naseweiss: Ähm, ja...

Patient: Nun, ich habe mir diesen Flakon - sehr hübsch übrigens, tausendmal besser als die öde blaue Flasche des Originals - jedenfalls gekauft. Frisch und aquatisch soll der ja sein, genau so also, wie ich das gerne mag.

Fr. Naseweiss (langsam etwas genervt): Das ist schön für Sie.

Patient: Ja, und wissen Sie, als ich den Duft zuhause sofort aufgetragen habe... nichts. Kein frischer aquatischer Duft. Ich meine, ich kann mir ja schon vorstellen, dass der frisch sein sollte. So ein bisschen Wassermelone rieche ich ja schon. Bloss ist da irgendetwas extrem schweres. Guave vielleicht? Wissen Sie, wie Guave riecht? Na ja, jedenfalls erinnert mich dieser Duft überhaupt nicht an kühles Wasser und schon gar nicht an eine frische, schäumende Welle. Dieses Schwere, unglaublich Aufdringliche erinnert mich irgendwie an Spaghetti Bolognese! Und das kann doch nicht sein - Spaghetti Bolognese statt Surf-Feeling... Also, da muss etwas mit meiner Nase nicht stimmen. Das Schlimme ist, diese komische Gewürzmischung bleibt irgendwie die ganze Zeit. Auch wenn sie mit der Zeit etwas erträglicher wird und in den Hintergrund tritt.

Fr. Naseweiss: Nun, ich weiss nicht...

Patient: Ja, und wissen Sie, die Inhaltsstoffe würden doch eigentlich wirklich gut riechen. Ich glaube wirklich, dass da mit meiner Nase etwas nicht stimmt.

Fr. Naseweiss: Also, wenn Sie möchten, kann ich Ihnen einen Termin geben. Aber das scheint mir ja ein ganz kurioser Duft zu sein, den Sie da wahrnehmen. Vielleicht sollten Sie sich lieber an Parfumo.de wenden. Die wissen mit solchen Fällen bestimmt umzugehen.

Patient: Vielen Dank für den Tipp. Das werde ich gleich einmal ausprobieren. (Hängt auf, startet den Computer, logt sich bei Parfumo ein und schreibt diesen Kommentar)

Wir schreiben das Jahr 2005. Die ganzen Parfum-Werbungen sind von sich räckelnden, halbnackten Frauen mit ihrem "ich-bin-so-sexy-Image" besetzt. Die ganzen? Nein. Ein kleines, blaues Etwas wagt es noch immer, diesem Vorurteil der typischen Frau Widerstand zu leisten. Und diesen Duft musste ich einfach haben.

Nun, so ganz richtig ist dies vermutlich nicht. Aber mir kam es damals zumindest so vor. 2005 war ich 18 Jahre alt und hatte eine extreme Abneigung gegen alles, was sich irgendwie in die Schublade "weiblich" stecken liess: Kochen war dämlich, die Farbe Rosa sowieso, Liebesfilme waren alle Schrott, mit Röcken sowie Kleidern konnte man mich jagen und wenn ich eins ganz bestimmt nicht sein wollte, dann war das sexy. Stattdessen liebte ich Action- und Horrorfilme, ging auf Backpacking-Tour, besuchte jedes Eishockey-Spiel und Musik-Festival, probierte Fallschirmspringen und Bungee-Jumping aus. Und in dieses Gefühl von Freiheit, Abenteuer und Rebellentum gehörte auch der Duft Cool Water Woman von Davidoff. Denn dieser Duft suggerierte in meinen Augen Freiheit und Abenteuerlust, weshalb ich ihn täglich trug.

Heute bin ich zwar immer noch ein Freund von Freiheit und Abenteuern, aber mir ist auch Individualität sehr wichtig. Und ich glaube, ich kenne keinen einzigen anderen Duft, der an jeder Person so absolut gleich riecht, wie Cool Water. Aus diesem Grund hat er seinen Status als Alltagsduft bei mir auch einbüssen müssen. Ich trage ihn allerdings immer noch ganz gerne- aber niemals für den Kaffee-Klatsch oder die Uni. Um diesen Duft zu tragen muss es schon zum Freeriden oder Klettern in die Berge gehen...

Dienstag Abend, halb zehn, ich müffle, bin fix und alle. Voraus gingen 90 Minuten Sport. Jetzt unter die Dusche und... na toll, Duschgel ist alle.

Mittwoch, halb vier Uhr Nachmittags, ich müffle nicht (hoffe ich zumindest) und stehe vor demjenigen Parfum-Regal, vor welchem sich normalerweise Teenies auf der Suche nach dem neusten Duft ihres Lieblingsstarlets herumtreiben. Da fällt mein Blick auf einen runden, hellblauen Flakon mit der Aufschrift Fresh. Da mich "Blau" und "Fresh" irgendwie einfach ansprechen, probiere ich den Duft einfach mal aus. Und was soll ich sagen? Passt perfekt.

Inzwischen habe ich mir das Duschgel bereits zum dritten Mal gekauft (das EdT habe ich noch in der ersten Ausführung) und es gehört bei mir inzwischen schon fest zum Sport dazu: nach dem Sport eine erfrischende Dusche mit Mexx Fresh und zur Abrundung noch ein Spritzer des EdT dazu.

Eigentlich wollte ich ja bloss rasch ein Shampoo kaufen. Eigentlich. Eigentlich wollte ich auch schon wieder gehen. Doch da stach mir dieses kleine, goldene Türmchen ins Auge. Na ja, wenn wir schon mal da sind, ein bisschen testen kann ja nicht schaden. Rasch einen Papierstreifen gegriffen und hmm... riecht gut. Sommerlich. Um genau zu sein, der Duft riecht für mich nach Schwimmbad im Sommer. Okay, damit meine ich jetzt nicht Käsefüsse und Chlorhölle. Nein, ich meine eher der Duft von trockenem Gras, nahem Wasser und Sonnencreme. Irgendwie nett. Mal auf die Haut sprühen und schauen, wie er sich noch entwickelt. Ich gehe also zur Kasse und bezahle mein Shampoo. Kaum bin ich zur Tür heraus und schnuppere wiederum an meinem Handgelenk, muss ich feststellen, dass sich der Duft verändert hat: irgendetwas passt plötzlich nicht mehr zu dem Schwimmbad-Feeling. Irgendwie ist es plötzlich kälter geworden. Gut riecht es aber immer noch. Wiederum kurze Zeit später ist der Sommer dann endgültig vorbei und ich mache langsam grosse Augen. Kann das überhaupt sein? Irgendwie habe ich plötzlich das Gefühl, dass da etwas schweres mitmischt. Was genau es ist, kann ich nicht sagen, aber mein Arm riecht irgendwie plötzlich nach Weihnachtsmarkt. Auch dies natürlich im positiven Sinne. Der Duft fängt langsam an, mir echt zu gefallen- so viele Assoziationen konnte ich schon länger nicht mehr mit einem Duft machen. Wie vielleicht inzwischen schon erwartet, verschwand das winterlich Schwere mit der Zeit dann auch wieder und läutete somit wieder etwas Frühlingshaftes ein.

Ich mag den Duft und die damit für mich verbundene Reise durch ein Jahr. Vielleicht wäre ich auch tatsächlich nochmals in das Verkaufsgeschäft zurückgekehrt und hätte ihn mir gekauft. Bloss, was anderes als 100ml hatten die da nicht und das ist mir ehrlich gesagt ein bisschen too much (mir verleiden Düfte sehr rasch wieder und sooo oft habe ich nun auch nicht das Bedürfnis, ein Jahr in wenigen Stunden zu durchleben).