Yatagan

Yatagan

Rezensionen
Filtern & sortieren
1 - 5 von 394
Yatagan vor 9 Tagen 69 84
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Ariadnefaden
Unkommentierte Duft No. 180

Tilia ist der lateinische Name für Linde und legt damit eine Spur, die ein wenig in die Irre führen könnte, aber wie der Faden der Ariadne den Weg aus dem Labyrinth weisen kann. Zunächst ist für mich Heliotrop dominanter, der sehr charakteristisch duftet und m.E. immer eine etwas mattierte, eigenwillig cremige Pudrigkeit verströmt. Auch Ginster erscheint mir plausibel und unter diesem Gerüst ist dann auch die Lindenblüte erkennbar, wenn auch weniger stark und charakteristisch als in "Lindenblüte | Parfum-Individual Harry Lehmann" oder "Tilleul (1995) | d'Orsay" und anderen vergleichbar intensiven Lindenblütenparfüms, die ich zwar schätze, die aber zuweilen eine so schmerzliche Süße verströmen, dass sie wie melancholische Erinnerungen wirken. Hier wurde damit stilvoll und mit Raffinesse umgegangen und die Komposition passt in Summe, wirkt wie aus einem Guss, und vielleicht gehört ja auch der o.g. Jasmin und Vetiver zu diesem stimmigen Gesamteindruck, auch wenn ich sie mir allenfalls einbilden kann.

Wie man synthetische und geradezu inflationär gebrauchte Duftstoffe wie Amboxan gut einbinden kann, zeigt dieser Duft ganz nebenbei ebenfalls: Alles wirkt ein wenig wie stark duftende Hautcreme - und das ist nicht plakativ, sondern sogar ein bisschen sexy.

An diesen Gedanken anschließend, möchte ich noch betonen, dass der Duft m.E. sehr feminin ist, was nicht ausschließt, dass ihn Männer tragen sollten, womöglich gerade diejenigen mit maskuliner Aura, um ihren weiblichen Schatten zur Geltung zu bringen (psychoanalytisch gesprochen).

Der Duft hat übrigens einen Nachteil, den hier viele als Vorteil empfinden könnten: Er hat eine starke Ausstrahlung in Bezug auf Sillage und Haltbarkeit; für mich des Guten zuviel, denn ich schätze leichtere, dezentere Düfte. Ein Sprühstoß hat mich den gesamten Nachmittag und Abend begleitet. Dennoch: wieder ein großer Wurf von Barrois - ganz im Stile von "Ganymede (Eau de Parfum) | Marc-Antoine Barrois", der vollständig anders riecht, aber Synthetik und klassische Komposition ebensogut verbindet.
84 Antworten
Yatagan vor 2 Monaten 80 107
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Wie Sie erfolgreicher Parfumeur werden können
Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, eine erfolgreiche Parfumeurin oder ein erfolgreicher Parfumeur werden zu wollen, dann hätte ich hier ein paar wirklich gute Tipps für Sie:

1. Verwenden Sie Oud, synthetisches reicht völlig (natürliches überfordert ohnehin die meisten Nasen), denn Oud muss rein! Ohne Oud sind Sie nicht am Puls der Zeit und schlecht riechen tut es ja nun wirklich nicht.
2. Verwenden Sie Himbeere: Himbeerketon ist prima, wird auch in der Lebensmittelchemie verwendet, ist billig und kommt einer echten Himbeere immerhin nahe. - Damit haben Sie diesen Vibe von "Tuscan Leather (Eau de Parfum) | Tom Ford" - und der hat sich ja nun wirklich nicht schlecht verkauft.
3. Karamall wäre gut, mag ja jede:r, und ist überdies mit Maltol leicht und billig nachzubasteln. Der Gourmandtrend hält sich schließlich hartnäckig, obwohl er schon dutzendfach totgesagt wurde.
4. Pfeffer muss auch noch rein, denn Männer mögen das Prickeln auf der Haut und Frauen mögen das Prickeln an Männern: vice versa!
5. Ohne Amber geht gar nichts! Damit ist natürlich nicht echtes Ambra gemeint (viel zu teuer, Sie Naivling...), sondern ein synthetisches Substitut und da käme natürlich vor allem Ambroxan, ein aus Sclareol synthetisierter Duftstoff, in Frage.
6. Idealerweise riecht das dann alles ungefähr so (und gar nicht mal schlechter) wie ein bereits bekannter Duft, z.B. ganz zufällig wie "Oud for Greatness | Initio" , der teuer, erfolgreich und bekannt ist - und schon sind Sie eine gemachte Frau oder ein gemachter Mann.
War ja gar nicht so schwer!

ist das nun alles schlecht? Eigentlich nicht, denn das riecht ja gar nicht übel, auch wenn Sie sich jetzt damit abfinden müssen, dass an jeder Ecke jemand so riecht wie Sie und Ihre Abnehmer:innen, aber es gibt schließlich Schlimmeres.

Viel Erfolg!
107 Antworten
Yatagan vor 3 Monaten 48 87
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
5
Duft
Wer hat Angst vorm bösen LUSH?
Unkommentierte Düfte No. 179

Ultravox, Visage, Duran Duran, The Human League... sagt Ihnen nichts? Dann sind sie wahrscheinlich jünger als 50 Jahre und die Musikrichtung New Romantics ist für Sie bloß noch ein Song von Taylor Swift aus dem Jahre 2014. Gucken Sie mal bei Wikipedia, die wissen das nämlich noch.
Mal angenommen, Sie wüssten, welche Musik sich hinter den o.g. Bands verbirgt, und mal angenommen, Sie kämen auf die Idee, einen Duft zu entwerfen, der New Romantics heißen soll - ganz ähnlich wie ja auch LUSH auf diese Idee kam und das dann auch noch mit klarem Bezug auf die 80er bewirbt: Würden Sie dann Zitrone, Davana und Piment verwenden? Das ist eine rhetorische Frage! Würden sie nämlich nicht!

Zu den frühen 80er Jahren und dem damaligen New Romantic-Trend, der optisch eine Mischung aus Punk, Glam Rock, Gothic und Wave darstellte und auf die Einflüsse von David Bowie und Roxy Music zurückging, passt eigentlich bestens ein Powerhouse-Duft aus der gleichen Zeit wie "Kouros (Eau de Toilette) | Yves Saint Laurent" , "Antaeus (Eau de Toilette) | Chanel" , "Giorgio (Eau de Toilette) | Giorgio Beverly Hills" , "Must de Cartier (Eau de Toilette) | Cartier".

Nun hat LUSH sich eben für (1.) Zitrone, (2.) Davana und (3.) Piment entschieden. Genau so riecht das auch (und dazu muss man eigentlich vor allem Davana kennen und falls Sie es nicht kennen: kann mal im Bioladen als Öl kaufen; grün, pflanzlich, kaum fruchtig, vielleicht etwas süßlich wie Trockenobst) und das sind so ziemlich die drei unromantischsten Duftnoten, die Sie und ich kennen, auch wenn ich alle drei gerne mag und mir die schon ganz gern in einem Duft vorstellen will. Da da aber nicht mehr drin ist, ist das ziemlich karg, und riecht, finde ich, nicht nach New Romantics, David Bowie, Midge Ure, Roger Taylor oder Phil Oakey (können sie jetzt alle googeln).
87 Antworten
Yatagan vor 3 Monaten 81 123
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
5
Duft
Was passiert, wenn Dior den New Look neu definiert
Unkommentierte Düfte No. 178

Der sog. New Look bezeichnet einen neuen Stil in der Damenmode der 50er Jahre, der figurbetont und feminin war und von Christian Dior ab Frühjahr 1947 präsentiert wurde. Alles weitere weiß Wiki besser.

Da Dior damit seinerzeit die Damenmode revolutionierte, handelt es sich hier um ein für Dior besonders prestigeträchtiges Label, bei dessen olfaktorischer Umsetzung besondere Sorgfalt zu erwarten war. Nun ist Francis Kurkdjian durchaus jemand, der es könnte, steht allerdings eher für artifizielle Düfte, und zwar sowohl bei den schweren Düften wie "Baccarat Rouge 540 (Eau de Parfum) | Maison Francis Kurkdjian" als auch bei den hellen Colognes wie "Gentle fluidity (Silver) | Maison Francis Kurkdjian". Nahezu alle Düfte zeichnet eine durchaus künstlerisch ambitionierte Synthetik aus: artifizielle Düfte eben.

So auch der neue "New Look | Dior". Das Ergebnis ist m.E. ernüchternd: Im Zentrum der Komposition stehen Aldehyde, die ich durchaus zu schätzen weiß, wenn sie gut eingebunden sind, etwa in florale, ambrierte oder orientalische Kompositionen. Hier jedoch sorgt die Kombination mit Weihrauch, der nicht etwa schwer und sakral, sondern hell, silbrig, ätherisch daher kommt und die künstlich prickelnde Wirkung der Aldehyde unterstreicht, dafür, dass der New Look zu einem Synthetic Look wird. Mir fehlt das Fleisch, die Basis, die Grundierung, die Farbe: der Duft wirkt - synästhetisch betrachtet - grau, weiß, silbern, im eigentlichen Sinne kalt, ganz anders also als der New Look von Dior. Man kann das natürlich durchaus mögen. Ich kann es nicht würdigen.

Was Christian wohl dazu gesagt hätte?

123 Antworten
Yatagan vor 3 Monaten 52 74
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
6
Duft
Du bist Petrus?
Unkommentierte Düfte No. 177

Hier konnte ich einfach nicht widerstehen: Ein Duft, der nach dem sog. Felsenwort Jesu aus dem Matthäusevangelium (Mt. 16,19f.) benannt wurde, der (historisch höchst umstrittenen) Evangelienperikope, die Petrus das Primat in der Kirche zuschreiben soll (tu es Petrus...: Du bist Petrus...), ein Flakon, den eine Kasel (Papst- oder Bischofsmantel) als Umhang ziert und auf dem ein Papstwappen abgebildet ist - und der schlussendlich die Erinnerungen von Filippo Sorcinelli an seine Zeit als Student im Vatikan abbilden soll. Zu vermuten wären viel Weihrauch, Myrrhe und Harze, der Duft aber bricht mit allen Erwartungen. Abgesehen davon, dass er angeblich die Duftpryamide auf den Kopf stellen und die Hesperidien erst in der Basisnote entwickeln soll (wovon man hier nicht wirklich was merkt), ist er ein ausgesprochen grün fruchtiger, recht lustiger Priestergeselle: gar nicht so ernst, würdevoll und weihrauchschwanger wie man glauben (!) könnte. Ein Bild des Aufbruchs?

Den Duft kennzeichnen vor allem säuerlich fruchtige Hesperidien und das wirklich eigenwillige und auf mich geradezu sperrig wirkende Dewfruit® von Givaudan, das mir noch nie bewusst begegnete und bisher wohl recht selten Verwendung findet: Es soll nach LItschie und Himbeere riechen und eine grüne Note entwickeln: passt! Insgesamt ist mir das allerdings zu künstlich, zu neonfarben, zu grell und in Kombination mit dem Jasmin riecht da etwas ganz leicht nach verwelkten grünen Blumenstengeln: moderat indolisch, dezent faulig, ein klein wenig streng. Darüber hinaus wirkt alles synthetisch süß, so als hätte der Parfümeur noch eine ordentliche Dosis Aspartam oder Steviosid ins Blumenwasser gekippt.

Was das nun alles mit Sorcinellis Erinnerungen an seine Zeit im Vatikan zu tun hat? Sorcinelli, der neben seiner Leidenschaft für Düfte vor allem sakrale Gewänder und Accessoires für die Liturgie in der katholischen Messe schneidert, behauptet, es habe während seiner Zeit als Student im Vatikan in den 90er-Jahren einen Duft gegeben, der damals sehr populär gewesen sei. "Unum - Tu es Petrus | Filippo Sorcinelli" soll ähnlich sein: "Erinnerungen an Umarmungen, brüderliche Begrüßungen und Formalitäten im Petersdom." (Quelle F. Sorcinelli auf seiner Homepage).
Wer hätte das gedacht: Im Vatikan riecht es nicht nur nach Weihrauch, sondern auch nach Himbeeren und Litschie! Also doch ein Bild des Aufbruchs!
74 Antworten
1 - 5 von 394