Zoso

Draußen liegt Schnee, die Leute rennen auf den Weihnachtsmarkt oder sind mit Geschenkeshoppen beschäftigt. Ich verhalte mich ganz anachronistisch und halte bereits Ausschau nach einem schönen Duft für den nächsten Frühling. Und ich muss sagen, Chance ist ein ganz heißer Kaufkandidat.

Ich finde Chance toll und das, obwohl ich die sehr floralen Düfte eigentlich gar nicht so mag. Chance ist eindeutig blumig, aber nicht so platt und direkt wie ein bunter Blumenstrauß. Die Blumigkeit riecht hier sehr edel, elegant hochwertig und klar. Die Komposition ist sehr ausgewogen, lässt aber dem Jasmin den Vortritt.

Außerdem riechen Kopf- und Herznote angenehm frisch mit einem leicht fruchtigen Anklang, ohne dass der Duft in die 0815-Ecke blumig-fruchtig-süß rutschen würde. Dafür ist Chance auch viel zu hochwertig. Die Zitrusfrüchte rieche ich nicht heraus, vermute aber mal, dass die Frische zum Teil ihr Verdienst ist.

Die Basis entwickelt sich dann etwas wärmer und dezent balsamisch ohne jedoch süß zu werden. Die Vanille hält sich brav zurück.

Für mich ein idealer Frühlingsduft. Kommt in die engere Auswahl.

Die Probe ist auf verschlungenen Wegen zu mir gelangt, über die Stillschweigen zu wahren ich geschworen habe.

Erst kam der Schock und kurz darauf die Übelkeit. Ein kreischend künstliche und undefinierbare Fruchtnote machte sich schlagartig breit. Das ist definitv das schrecklichste "Parfum", das ich je gerochen habe. Das Zeug riecht in seiner Künstlichkeit als wäre es hochtoxisch! Bereits gezogene Vergleiche mit Nagellackenferner oder sonstigen Lösungsmitteln sind sehr treffend.

Wie kann ein Parfumeur so etwas zusammenmischen und das Ergebnis auch noch für gut befinden? Den muss der Teufel geritten haben. Oder wahrscheinlich eher ein subalterner Handlanger in einer von zahllosen untergeordneten Abteilungen des Großbetriebs Hölle, dessen zutiefst verachtenswerte Aufgabe darin besteht, Parfumfans ein olfaktorisches Horrorerlebnis zu bescheren.

Meine Haut hat den Test jedenfalls ohne Verätzungen überstanden. Gegen die Übelkeit half nur Abschruppen mit viel Wasser und Seife. Trotzdem hielt sich ein Rest dieses magenumstülpenden Geruchs noch einige Stunden auf meinem Handgelenk.

Ich bin noch unschlüssig, wie ich das Probenröhrchen absolut sicher entsorge, damit es keinem weiteren testfreudigem Duftfreak mehr in die unschuldigen Finger fällt. Irgendeine Form der rituellen Vernichtung wäre hier wohl angebracht.

Ich danke dem anonymen Spender / der anonymen Spenderin für die schockierende Erweiterung meines Dufthorizonts. Das Versprechen, dieses Erlebnis restlos aus meinem Gedächtnis zu tilgen konnte ich leider nicht einhalten.

Ein unschuldiger kleiner Sprühstoß setzt hier ungeahnte Mengen Puder frei. Es müssen mehrer Kilo von dem Zeug sein, die mir in die Nase steigen und mir regelrecht den Atem nehmen. Ich bekomme Erstickungsängste!

Puh, das ist viel zu pudig und zu allem Überfluss auch noch muffig. Wie uraltes Puder, das Omi vor Jahzehnten in der hintersten Schublade vergessen hat und einem bei einer dringend nötigen Aufräumaktion irgendwann mal in die Hände fällt...

Nach ungefähr einer Stunde fängt das olle Puder auf meiner Haut auch noch an, leicht angebrannt zu riechen. Nee, das ist echt zu viel des Guten - ohne mich!

... das war wohl nix! Die namensgebende Orange ist hier auf der auf dr Flucht und selbst die im Übermaß vorhandene Vanille hält nicht lange durch.

Orange ist nur im Auftakt zu riechen - für einige Minuten. Die Mandel hält sich tapfer und bemüht sich, der alles andere erschlagenden Vanille Paroli zu bieten. Viel entgegenzusetzen hat sie ihr allerdings nicht, so dass sie lediglich als ganz leichtes "Hintergrundaroma" in der pappsüßen Vanillesoße zu riechen ist.

Das hier ist weder ein Orangen- noch ein Mandelduft, sondern ein ziemlich eindimensionales Vanilleparfum, auch wenn bei den Duftnoten gar keine Vanille gelistet ist. Die Vanille riecht etwas syntetisch, wenngleich ich schon schlechtere Vanilledüfte geschnuppert habe. Bessere allerdings auch.

Die Haltbarkeit ist grottig schlecht, nach drei Stunden war selbst von der Vanille nichts mehr zu riechen. Ein 08/15-Vanilledüftchen.

Donnerwetter ist der blumig! Nach den bisherigen Beschreibungen hatte ich eher einen leichten Gourmand und keinen Blütenduft erwartet. Wenn man weiß, dass eine Pistazieneisnote enthalten ist, kann man sie im Hintergrund wahrnehmen, im Zentrum des Duftes steht sie jedoch nicht.

Wenn schon Eisbecher, dann einer mit üppiger Blütengarnitur. Da es inzwischen zur kulinarischen Mode gehört, Gerichte und insbesondere Salate mit Blüten zu garnieren, ist das gar nicht mal so abwegig.(Meine Oma sagte dazu einmal: Jetzt fressen die Snobs sogar schon die Blumen!)
Schiebt man also die Blumen etwas zu Seite, entdeckt man auch noch eine große saftige Birnenscheibe und darunter dann schließlich auch etwa Eiscreme. Aber wie gesagt: mehr Vanille als Pistazie.

Insgesamt ist es ein hübscher, und durch die dezente Pistazieneisnote auch interessanter, floraler Duft mit einer leichten Vanillebasis. Gut geeignet für den Frühling.

Danke an Louce für die Probe!