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vor 7 Jahren - 06.12.2016
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Über die Tom Ford Private Blends

Es begann vor etwa zehn Jahren. Da begegneten sie mir zum ersten Mal, die kleinen, braunen Apothekerflaschen eines Herrn aus Texas namens Ford. Der erste von ihnen, den ich damals scheu probierte - völliger Parfumlaie, der ich war, und von den Preisen dieser braunen Apothekerflaschen doch einigermaßen beeindruckt - war "Oud Wood (Eau de Parfum)", das weiß ich noch genau. Es hat Jahre gedauert, bis ich die erste dieser Flaschen wirklich kaufte (nicht "Oud Wood (Eau de Parfum)", sondern "Tuscan Leather (Eau de Parfum)", auch daran erinnere ich mich noch sehr genau, ein erhabener Moment war das). Doch angefangen hat es - im Grunde meine ganze Liebe und Leidenschaft für Parfum - an jenem Tag mit "Oud Wood (Eau de Parfum)". Insofern: Tom war's. Tom hat Schuld.

Seitdem ist viel passiert. Und wenn ich seitdem auch noch viele weitere Parfums kennengelernt habe - die Leidenschaft für die kleinen, braunen Apothekerflaschen ist geblieben. Ich mag es, wenn ein Hersteller eine Handschrift in seinem Œuvre erkennbar macht, wenn seine Düfte eine gemeinsame Sprache haben, ohne sich ähnlich zu sein. Ich habe Penhaligon's zuletzt oft dafür gescholten, dass sie diese Sprache zuletzt - zumindest in meiner Nase - etwas verloren haben, und Serge Lutens, der dritte unter meiner ganz persönlichen Top 3, verlor sich zuletzt etwas zu sehr in olfaktorischem Kornisch und Rätoromanisch, um bei der Metapher mit der Sprache zu bleiben. Tom Ford hingegen blieb sich immer treu.

Seine Düfte - dies lässt sich weithin auch für die Signature Blends, die günstigeren Mainstream-Düfte in den gerieften Flaschen sagen - sind allesamt nicht schüchtern angelegt. Und Amerikaner sind sie, das ist deutlich erkennbar, wenn man sie denn mit etwa französischen oder auch britischen Parfums vergleicht. Den meisten von ihnen gemein ist eine ausgeprägte Duftentwicklung - sie riechen nach acht Stunden völlig anders als nach einer oder zwei. Und sie alle haben jenseits ihrer strahlenden, selbstbewusst amerikanischen Kopfnote und Fassade etwas Verletztes, Tragisches, Gefallenes - etwas, das sie zu kleinen Dramakönigen macht. Das muss man wissen, muss man mögen, wenn man sich für einen von ihnen entscheidet.

Der Übersichtlichkeit halber will ich die bisher erschienenen achtundvierzig Private Blends in zwölf Gruppen à jeweils vier Düften ganz kurz vorstellen. Manche dieser Gruppen sind von mir, andere sind von Tom Ford selbst:

Die Classics I: dies sind die populärsten Bestseller und diejenigen, mit denen die meisten anfangen, die sich entscheiden, sich einzulassen auf Herrn Ford und seine Private Blends. Diese Klassiker sind "Noir de Noir (Eau de Parfum)" (eine dramatische und dunkle Schokoladenrose), "Oud Wood (Eau de Parfum)" (leuchtendes Adlerholzöl mit Silbertrompetennachhall), "Tobacco Vanille (Eau de Parfum)" (gutmütig süßer Pfeifentabak) und "Tuscan Leather (Eau de Parfum)" (herrlich dreckiges Motorenöl).

Die Classics II: dies sind jene Düfte der frühen Jahre, die es noch immer gibt und die sich eine kleine, aber stabile Fangemeinde aufgebaut und erhalten haben. Hier handelt es sich um "Amber Absolute" (ein trocken-bitterer Arzneiduft), "Arabian Wood" (ganz unerwartet balsamisch hell), "Champaca Absolute" (ein goldleuchtender Blütenduft) und "Italian Cypress" (harzig-waldige Testosteronbombe mit ganz viel 'Bunga-Bunga').

Die Verschwundenen I: dies sind die Düfte der ersten Jahre, die relativ schnell wieder verschwanden. Heute allesamt kaum noch zu riechen, geschweige denn zu bekommen (außer Fakes auf eBay und solche sind das fast alle). Es sind "Bois Rouge" (nicht wirklich 'rot', aber tändelnd und sanft), "Moss Breches" (ein lichtgrüner Honigwald), "Purple Patchouli" (weniger purpurfarben als sumpfwaldig-feucht) und "Velvet Gardenia" (betäubend und untot-morbide).

Die Verschwundenen II: inzwischen ebenfalls eingestellt sind "Black Violet" (ein flirrend-bacchantischer Früchteduft), "Bois Marocain" (harzige Macchie, aktuell als Limited Edition wieder zu bekommen, ausschließlich bei Tom Ford selbst und abartig teuer), "Japon Noir" (schwermütig-weintrunkene Tempeltinte) und "Lavender Palm" (ein lebhaft-heller Lavendel, anlässlich des damals neuen Flagships an Beverly Hills' Rodeo Drive gelauncht).

Die 'White Musk'-Collection: thematisch Moschus zugewandt, in weißen Flaschen und als 'eher weiblich' eingeordnet, was man lebhaft diskutieren kann. Drei von ihnen sind schon seit Jahren eingestellt: "Jasmine Musk" (Moschus meets Hawaii), "Musk Pure" (klassisch schwitziger Moschus) und "Urban Musk" (Moschus plus metallische Disco-Coolness). "White Suede" (hell-sprödes Wildleder) ist der einzige, den es noch gibt, inzwischen (wieder) in brauner Flasche.

Die 'Jardin Noir'-Collection: vier Blütendüfte mit blasslilafarbenen Etiketten, dunkel und abgründig arrangiert. Auch hier wurden drei eingestellt: "Jonquille de Nuit" (Narzisse, von Natur aus ja mitunter sachte ins Aasige spielend), "Lys Fume" (wunderbar übertrieben morbide Lilie, rauchig überhaucht) und "Ombre de Hyacinth" (eine surreal-lockende Hyazinthe). "Café Rose" (deutlich mehr Rose als Kaffee) gibt es noch, und er ist auch der Schönste.

Die Sommerlichen I: oft geschmäht und oft gescholten sind 'Toms Leichte' in den blauen Flaschen, drei von ihnen umkreisen den Kammerton Neroli: "Neroli Portofino (Eau de Parfum)" (frisch saftige Orangenblüte, erstaunlich ausdauernd arrangiert), "Neroli Portofino Acqua" (nicht ganz so ausdauernd), "Neroli Portofino Forte" (noch ausdauernder). Mein ganz persönlicher Favorit ist aber "Azure Lime" (eine opulente Sommerlimette, schmelzend karibisch arrangiert).

Die Sommerlichen II: da die meisten 'dunklen' Private Blends für die heiße Jahreszeit (oder heiße Gegenden) doch etwas zu gewichtig sind, wurden ihnen vier weitere Sommerdüfte beigestellt: "Costa Azzurra (Eau de Parfum)" (ein herber Aquate), "Fleur de Portofino (Eau de Parfum)" (blühende Sommerblumen, honigsüß), "Mandarino di Amalfi (Eau de Parfum)" (ein italienischer Sehnsuchtsduft) und zuletzt - golden verpackt - "Soleil Blanc (Eau de Parfum)" (surreale Sonnenmilch meets florale Schwüle).

Die 'Atelier d'Orient'-Collection: Düfte, die sich mit asiatischen Duftthemen beschäftigen. Wiederum sind es vier, die es (noch) alle gibt: "Fleur de Chine" (taumelnd zart wie Nachtfalterflügel), "Plum Japonais" (urbane Hochglanzpflaume, in der Kopfnote - aber nur da - quasi "Japon Noir" 2.0), "Rive d'Ambre" (ein erstaunlich hell leuchtender Amber) und "Shanghai Lily" (eine bleiche Lilie, subtiler und zarter als "Lys Fume", aber kaum weniger morbide).

Die Oud-Collection und die beiden Roten: zum einen ist das die graue Oud-Collection (zu der inzwischen natürlich auch "Oud Wood (Eau de Parfum)" gehört) - "Oud Fleur" (quasi Lana Del Rey, der Duft) und "Tobacco Oud" ("Oud Wood (Eau de Parfum)" meets "Tobacco Vanille (Eau de Parfum)"). Hinzu kommen zwei wunderbare Parfums in roter bzw. zartnudefarbener Flasche: "Jasmin Rouge" (sinnlicher Jasmin) und "Santal Blush" (rotblondes Sandelholz, herrlich abgründig arrangiert, einer der allerschönsten!).

Die neuen Dunklen: auch für Tom Ford bleibt die Zeit nicht stehen, und diese 'Neuen' sind geeignet, 'die Geschichte weiter zu erzählen'. Noch relativ neu sind "London" (zur Eröffnung des dortigen Flagships erschaffen und ursprünglich auch nur dort erhältlich, ein bleicher Novemberduft), "Patchouli Absolu" (gediegene Schmutzigkeit), "Venetian Bergamot" (abgründige Blütenopulenz) und zuletzt "Ombré Leather 16" (eine Art "Tuscan Leather (Eau de Parfum)" light).

Die 'Les Extraits Verts'-Collection: umkreisen thematisch die Farbe Grün, entgegen der Erwartung jedoch ebenfalls in braunen und nicht in grünen Flaschen. Der beruhigende Beweis, dass es im Haus Tom Ford weitergehen wird, sind "Vert Bohème" (hochmütig-reife Blüteneitelkeit), "Vert d'Encens" (dunkle, wunderbar tiefgründige Harze), "Vert de Fleur" (moosig-grün und blumig) und "Vert des Bois" (ein bittergrüner Waldduft).

Was bleibt zu sagen? Unter allen Häusern wird Tom Ford absehbar eins meiner bevorzugten bleiben - und jeder seiner neuen Düfte zumindest eine wohlwollende Nase wert. Ein Drittel meiner über die Jahre angewachsenen - in meiner subjektiven Wahrnehmung fast schon zu großen - Sammlung besteht aus Tom Ford Private Blends (dazu kommen drei Signature Blends). Letzte Woche stand ich vor der nicht ganz einfachen Wahl, entweder endlich "Oud Wood (Eau de Parfum)" zu erneuern - oder meine Sammlung um etwas Anderes, Neues zu erweitern. Nach ziemlich kurzem Zögern (und Probieren) hab' ich mich dann für einen neuen "Oud Wood (Eau de Parfum)" entschieden (inzwischen leider in der grauen Flasche, die braune fand ich viel schöner). Mannomann, was bin ich froh!

Er hat's halt einfach drauf, der coole Texas-Tom.

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