Agent Provocateur 2000

Michelangela
30.05.2012 - 03:34 Uhr
20
Sehr hilfreiche Rezension
2.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft

Die Spionin, die übern Teich kam .... oder die Stunden mit Billy Ray aus Alabama

Nach langer Beobachtung und etlichen Recherchen ist es nun soweit und ich lasse mich auf "Agent Provocateur" ein. Ein verschweißter OF davon thront schon seit einiger Zeit in meinem Duftschrank, doch ich hab mich noch nicht so richtig getraut, die anmutende schwarze Verpackung aufzureißen, da der knatsch-rosane Flakon irgendwie eine Assoziation zwischen Barbie und Matrjoschka (Babuschkapuppe) in mir hervorruft.
Ich habe mir also nun eine Probe zukommen lassen und stürze auf die vermeintlich provozierende Agentin.
~
Ein paar Tröpfchen auf den Handrücken, Augen schließen und meine Reise beginnt:
Wir schreiben das Jahr 1982: Ich befinde mich in einem billigen Motel nahe der Küste California´s, direkt an der Route66. Über meinem Kopf dreht sich quietschend ein Deckenventilator. Es ist drückend heiß und ich spüre, wie mein Kunstleder-Minirock am Körper klebt. Draußen hallt die krächzende Musik von der Musikbox im Truckstop herein. Billy-Ray nimmt eine Dr.Pepper Cola aus der Papiertüte, öffnet sie und reicht sie mir. Ich trinke einen kräftigen Schluck des lauwarmen, klebrigen Cola-Kirsch-Gemisch´s und mustere ihn. Er trägt unter seinem schlechtsitzenden Anzug ein sattrosanes Hemd aus Polyester und dazu Cowboystiefel. Sein breites Grinsen ziert das gerötete Gesicht, welches von einer altmodischen Haartolle gekrönt wird und ich frage mich gerade, was mehr an ihm glänzt: Seine Haut, die makellosen Jacketkronen oder die fette Goldkette an seinem Hals. Als er sein Jackett auszieht, zieren feuchte Flecken an den Achseln sein Hemd und das Tattoo mit einer großen roten Rose und dem Schriftzug "Betty my Love" erscheint über der protzigen Golduhr auf seinem Unterarm.
Er hat sich hier in L.A. niedergelassen und verkauft Gebrauchtwagen für Mr Pillahan, hat er mir erzählt und normalerweise macht er „sowas“ ja nicht.
Noch ein nervöser Zug, dann drückt er seine Zigarette im Aschenbecher aus und nimmt mich in seine schwitzigen Arme. Wir lassen uns aufs Bett fallen......
~
Einige Stunden später schleiche ich mich verstohlen aus dem Motelzimmer, in dem Billy-Ray erschöpft und genüßlich schnarcht. In meiner rechten Hand halte ein paar Dollar Scheine und in der linken die Kamera mit den Beweisfotos für seine Frau, Betty. An meinem Körper haftet trotz Katzenwäsche (Dusche gabs nicht) noch lange eine schale Duftmischung aus Lust, Schweiß, Polyester und Rosen.
Auftrag ausgeführt!
~
Fazit:
„Agent Provocateur“ ist kein gefälliger Duft. Er hat was, keine Frage! Die synthetische muffige Rose knallt direkt zum Auftakt in die Vollen und danach kann ich leider keinen großartigen Duftverlauf vernehmen. Eine latexartige Plastiknote bleibt immer dezent im Hintergrund und es gesellt sich mit jeder Minute noch eine dreckige, ja tatsächlich organisch menschliche Note dazu, die diesem Duft einen gewissen Reiz verleiht. Also, wenn ich das Kind beim Namen nennen soll: AP ist richtiges Nuttendiesel. Schwülstig, schmuddelig, rosig und tatsächlich ungemein sexy, wenn auch auf eine sehr primitive Art.
Eine provozierende Agentin, lasziv und schön, wie man sie aus den Bond-Streifen kennt, kann ich damit leider nicht verbinden. Vor meinem olfaktorisch inspirierten geistigen Auge erscheint die als Prostituierte getarnte, schon etwas abgetackelte Privatdetektivin, die es mit Billy-Ray, dem schmierigem Gebrauchtwagenhändler aus Alabama, in einem billigen Motel treibt, um der betrogenen Ehefrau auftragsgemäß Beweisfotos liefern zu können.
Hier überrascht mich kein fesselnder "007"Streifen mit Special-Effects und raffiniert eingebauter Erotik, sondern nur ein drittklassischer Detektivfilm aus den frühen 80ern ...
Gleiche Hintergrundmotive aber eben auf einem ganz anderen Niveau!
~
Ob ich den Duft mag? Hmmm, das "Verrucht-Schmutzige" fasziniert mich, doch ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn wirklich in der Öffentlichkeit tragen möchte. Dazu hat er mir zu wenig Raffinesse und präsentiert sich zu plump. Vielleicht teste ich ihn nochmal ganz privat zuhause, als Lockstoff, um Hase zu "provozieren"...
"Agent Provocateur" duftet für mich auch gar nicht "englisch" sondern so richtig "herrlich amerikanisch".(Obwohl es ja definitiv um eine britische Schöpfung handelt.)
Ein bißchen billig, ein bißchen schmutzig und sehr rosig ... "dirty stuff" eben!
~
Infos zum Begriff "Agent Provocateur":
(frz. ‚provozierender Agent‘, Lockspitzel) bezeichnet man eine Person, die üblicherweise im Auftrag des Staates einen oder mehrere Dritte zu einer gesetzeswidrigen Handlung provozieren soll. Im weiteren Sinne wird damit auch ein Handeln bezeichnet, das durch die gezielte Vortäuschung oder auch Provokation einer ruchbaren Handlung die Stärkung der eigenen Position und die Legitimation für einen Eingriff anstrebt

(Quelle: Wikipedia)
11 Antworten