29.03.2015 - 13:23 Uhr
Meggi
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Schwarze Augen
Lange habe ich gebraucht für einen Kommentar zur „Rose“, der Dritten im Bunde. Die drei Calligraphy-Düfte waren Gaben aus Angellieses sagenhaftem Proben-Päckchen an mich. Ohne tiefere Absicht hatte ich mir diesen als letzten Testkandidaten aufgehoben.
Doch als es ans Testen und Schreiben ging, habe ich ex post einen prima Grund für mein Zögern gefunden. Denn in den bisher acht Kommentaren ist bereits eine mächtige Dichte an Beschreibung, Analyse, Besinnung, Stimmung und Poesie vorzufinden – ob aus einem Urlaub oder aus dem Alltag destilliert. Was noch beitragen zu diesem Duft? Der mich dazu brachte, sofort in der Goutal-Boutique meiner beiden Damen bei Le Chèvrefeuille das Geißblatt nachzuriechen; ein jahreszeitlich bedingter Ersatz. Der in mir angesichts der kurz nach dem Auftragen zunächst leicht wässrigen Rose eine kleine Weile ein wenig Hoffnung erforderte. Bis er alsbald in einer glutvollen floral-würzigen Flut eine grandiose Linie fand, über viele Stunden hinweg hielt und gegen Abend in einem honigwarmen, ambrierten Schleier endete. Eine würdige Schwester von Perfume Calligraphy Saffron!
Es ist vielleicht ein Eckchen frei für eine Art verdrehtes Märchen. Hier ist es:
Er lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand, nur einige Schritte von der kleinen Seitentür entfernt, durch die sie soeben mit ihrem Korb verschwunden war. Gleich würde sich im ersten Stock, genau über ihm, der hölzerne Fensterladen öffnen. Er war von dort oben nicht zu sehen, nicht einmal, wenn sie den Kopf hinausstrecken und nach unten blicken würde; ihn verbarg das dichte Geißblatt, welches an der Hauswand wucherte und ihn mit einem feinen Kranz duftender Blüten umringte. Aber sie würde wissen, dass er da war.
Wie jeden Morgen seit einer Woche hatte er sie bereits in der Frühe auf dem Basar erwartet, den er so gerne unerkannt besuchte. Er hatte dabei zugeschaut, wie sie für ihre Familie die täglichen Einkäufe erledigte, mit den Händlern um Datteln, Safran oder eine Zuckermelone feilschte, bis aus dunkelblauem Gewand eine zarte Hand mit einem hauchdünnen Reif um das Gelenk erschien und ein paar Münzen den Besitzer wechselten. Ihr Gesicht war im Schatten des Kopftuches verborgen gewesen, vielmehr hatten ihre anmutigen und unverkennbar jugendlichen Bewegungen seine Neugier geweckt. Denn üblicherweise erledigten die älteren Frauen die Einkäufe für den Haushalt – zumindest bei den einfacheren Leuten. Immer näher war er herangerückt, bis sie ihn schließlich bemerkt hatte.
Ihr Blick aus großen, tiefdunklen Augen, die wie schwarze Diamanten in ihrem schmalen Gesicht funkelten und das kaum wahrnehmbare Lächeln, das ihre Lippen umspielt hatte, hatten ihn berührt, als wären die Wolken eines düsteren Abends unvermittelt einem glitzernden Sternenhimmel gewichen. Rasch hatte sie sich abgewendet. Bloß ein einziges Mal hatte sie ihm seitdem einen Blick geschenkt. Gestern war es gewesen. Sie war just durch eben dieses Türchen getreten und er hatte sich daraufhin hinter der Ecke hervorgewagt, um seinen Platz unter dem Fenster einzunehmen. Da hatte sie den Kopf noch einmal halb herausgesteckt und ihn angeschaut. Er war erstarrt und beschämt stehengeblieben, weil er ihr – obwohl er alles andere war - wie ein Tagedieb und Herumtreiber nachschlich. Doch ehe er gänzlich hatte erröten können, war ihr Gesicht schon wieder verschwunden gewesen und an seiner statt war die Wand aus alten Brettern erschienen. Heute hatte er lieber gewartet, bis er deren Klappen gehört hatte, bevor er nähergekommen war.
Gedankenverloren drehte er nun den Stiel einer Rose zwischen den Fingern und hob schließlich die Blüte an die Nase. Die Blume hatte auf dem Weg gelegen, gleich vor dem Türchen. Blutrot und ganz frisch, an den Blütenblättern hingen noch einige Tröpfchen, die zu vertreiben der frühen Sonne die Zeit gefehlt hatte. Sie hatte an einem Blumenstand eingekauft, mehr hatte er nicht erkennen können. Hatte sie sie verloren? Oder sie gar fallen lassen?
Der Fensterladen öffnete sich viel später als an den vorigen Tagen. Und nicht nur das war anders, denn plötzlich umgab ihn eine Wolke von Gewürz und Rauchwerk. Hatte Sie etwa schon am Morgen Räucherwerk entzündet? Es gerade so weit erkalten lassen, dass es ihn regelrecht übergießen konnte? Ebenso betörend wie schmeichelnd mischte sich der Geruch von Weihrauch, Amber, Honig, Blüten und Gewürzen mit der Luft des sich erwärmenden Tages und mit dem Duft der Rose in seiner Hand.
Dann hörte er eine Stimme, das musste ihre Stimme sein. Hoch und rein und gewiss allein für ihn. Sie sang und summte eine uralte Weise von der Rose und der Nachtigall, von der Schönheit und der Liebe. Und er stand da – berückt - inmitten eines Kokons aus Duft, und Tränen der Hoffnung und der Zuversicht rannen ihm über die Wangen.
Doch als es ans Testen und Schreiben ging, habe ich ex post einen prima Grund für mein Zögern gefunden. Denn in den bisher acht Kommentaren ist bereits eine mächtige Dichte an Beschreibung, Analyse, Besinnung, Stimmung und Poesie vorzufinden – ob aus einem Urlaub oder aus dem Alltag destilliert. Was noch beitragen zu diesem Duft? Der mich dazu brachte, sofort in der Goutal-Boutique meiner beiden Damen bei Le Chèvrefeuille das Geißblatt nachzuriechen; ein jahreszeitlich bedingter Ersatz. Der in mir angesichts der kurz nach dem Auftragen zunächst leicht wässrigen Rose eine kleine Weile ein wenig Hoffnung erforderte. Bis er alsbald in einer glutvollen floral-würzigen Flut eine grandiose Linie fand, über viele Stunden hinweg hielt und gegen Abend in einem honigwarmen, ambrierten Schleier endete. Eine würdige Schwester von Perfume Calligraphy Saffron!
Es ist vielleicht ein Eckchen frei für eine Art verdrehtes Märchen. Hier ist es:
Er lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand, nur einige Schritte von der kleinen Seitentür entfernt, durch die sie soeben mit ihrem Korb verschwunden war. Gleich würde sich im ersten Stock, genau über ihm, der hölzerne Fensterladen öffnen. Er war von dort oben nicht zu sehen, nicht einmal, wenn sie den Kopf hinausstrecken und nach unten blicken würde; ihn verbarg das dichte Geißblatt, welches an der Hauswand wucherte und ihn mit einem feinen Kranz duftender Blüten umringte. Aber sie würde wissen, dass er da war.
Wie jeden Morgen seit einer Woche hatte er sie bereits in der Frühe auf dem Basar erwartet, den er so gerne unerkannt besuchte. Er hatte dabei zugeschaut, wie sie für ihre Familie die täglichen Einkäufe erledigte, mit den Händlern um Datteln, Safran oder eine Zuckermelone feilschte, bis aus dunkelblauem Gewand eine zarte Hand mit einem hauchdünnen Reif um das Gelenk erschien und ein paar Münzen den Besitzer wechselten. Ihr Gesicht war im Schatten des Kopftuches verborgen gewesen, vielmehr hatten ihre anmutigen und unverkennbar jugendlichen Bewegungen seine Neugier geweckt. Denn üblicherweise erledigten die älteren Frauen die Einkäufe für den Haushalt – zumindest bei den einfacheren Leuten. Immer näher war er herangerückt, bis sie ihn schließlich bemerkt hatte.
Ihr Blick aus großen, tiefdunklen Augen, die wie schwarze Diamanten in ihrem schmalen Gesicht funkelten und das kaum wahrnehmbare Lächeln, das ihre Lippen umspielt hatte, hatten ihn berührt, als wären die Wolken eines düsteren Abends unvermittelt einem glitzernden Sternenhimmel gewichen. Rasch hatte sie sich abgewendet. Bloß ein einziges Mal hatte sie ihm seitdem einen Blick geschenkt. Gestern war es gewesen. Sie war just durch eben dieses Türchen getreten und er hatte sich daraufhin hinter der Ecke hervorgewagt, um seinen Platz unter dem Fenster einzunehmen. Da hatte sie den Kopf noch einmal halb herausgesteckt und ihn angeschaut. Er war erstarrt und beschämt stehengeblieben, weil er ihr – obwohl er alles andere war - wie ein Tagedieb und Herumtreiber nachschlich. Doch ehe er gänzlich hatte erröten können, war ihr Gesicht schon wieder verschwunden gewesen und an seiner statt war die Wand aus alten Brettern erschienen. Heute hatte er lieber gewartet, bis er deren Klappen gehört hatte, bevor er nähergekommen war.
Gedankenverloren drehte er nun den Stiel einer Rose zwischen den Fingern und hob schließlich die Blüte an die Nase. Die Blume hatte auf dem Weg gelegen, gleich vor dem Türchen. Blutrot und ganz frisch, an den Blütenblättern hingen noch einige Tröpfchen, die zu vertreiben der frühen Sonne die Zeit gefehlt hatte. Sie hatte an einem Blumenstand eingekauft, mehr hatte er nicht erkennen können. Hatte sie sie verloren? Oder sie gar fallen lassen?
Der Fensterladen öffnete sich viel später als an den vorigen Tagen. Und nicht nur das war anders, denn plötzlich umgab ihn eine Wolke von Gewürz und Rauchwerk. Hatte Sie etwa schon am Morgen Räucherwerk entzündet? Es gerade so weit erkalten lassen, dass es ihn regelrecht übergießen konnte? Ebenso betörend wie schmeichelnd mischte sich der Geruch von Weihrauch, Amber, Honig, Blüten und Gewürzen mit der Luft des sich erwärmenden Tages und mit dem Duft der Rose in seiner Hand.
Dann hörte er eine Stimme, das musste ihre Stimme sein. Hoch und rein und gewiss allein für ihn. Sie sang und summte eine uralte Weise von der Rose und der Nachtigall, von der Schönheit und der Liebe. Und er stand da – berückt - inmitten eines Kokons aus Duft, und Tränen der Hoffnung und der Zuversicht rannen ihm über die Wangen.
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