14.11.2013 - 14:33 Uhr
Palonera
467 Rezensionen
Palonera
Top Rezension
52
Wann ist ein Mann ein Mann?
Früher war alles ganz anders.
Früher trugen Frauen Kleider und Männer Hosen, schnürte die Dame von Welt sich im Korsett die Luft ab und hielt ihre Lebensgeister mit Riechsalz zusammen, während das schwindende Haupthaar ihres Angetrauten von voluminösen Backenbärten kompensiert wurde.
Früher zogen Männer in die weite Welt hinaus und verirrten sich in Ermangelung eines modernen Navi auf dem Weg nach Indien bis an amerikanische Gestade, derweil ihre Frauen zwischen Küche und Kirche pendelten und nebenbei dafür sorgten, daß aus den Kindern etwas Ordentliches wurde.
Früher badeten höfische Damen in Rosenwasser und Eselsmilch – und waren froh, wenn ihre Männer wenigstens Wasser an ihre Haut ließen und nicht nur nach sich selbst dufteten.
Selbst Hemingway zeigte sich hier immerhin einsichtig und nahm Abstand von den Gepflogenheiten zur Zeit des Sonnenkönigs.
Lange ging das gut, lange waren die biologischen und ökologischen Aufgaben klar verteilt, lange Zeit verlief die Grenze zwischen Androgenen und Östrogenen geradlinig und unverrückbar – bis eines Tages die Frauen die Nase voll hatten, Korsett und Küchenschürze in den Mülleimer stopften und sich mit Krawatte und Kurzhaarfrisur anschickten, Karriere zu machen.
Die Erde bebte unter den Füßen der Männer, ihr Weltbild geriet ins Wanken und stürzte in sich zusammen, begrub das eine oder andere Bild von Männlichkeit gleich mit und hinterließ in der entstandenen Leere den Raum für etwas Neues, für Unbekanntes bis Unerhörtes – und für eine Freiheit, die Männer sich vor wenigen Jahrzehnten noch nicht hätten erträumen lassen.
Plötzlich war es ganz in Ordnung, Gefühle zu zeigen und seine weichen Seiten, das Ruder auch mal aus der Hand geben und die Frau nicht nur sonntags ans Steuer zu lassen.
Mann durfte auf sein Äußeres achten, ohne mißtrauisch beäugt zu werden, und während Frauen mit größter Selbstverständlichkeit bisher männliches Terrain eroberten, wagten sich die Mutigsten schließlich auch an Herrenkosmetik und –düfte heran.
Herb und frisch sollte es sein, markant und männlich, würzig und krautig – eindeutig nach Mann sollte es riechen, auf keinen Fall nach irgendwelchen Blumen, das war dann doch weibliches Hoheitsgebiet und irgendwo mußte sie schließlich verlaufen, die Grenze zwischen den Geschlechtern, die man irgendwann aus den Augen verloren hatte und ohne die es nach Ansicht des Einen und der Anderen dann doch nicht ging.
So fragte Herr Grönemeyer im ausgehenden 20. Jahrhundert leicht verzweifelt, wann denn ein Mann ein Mann sei, bemühte sich redlich um eine Antwort und schien doch am Ende so schlau wie zuvor.
Bis im Jahr 2005 in den Herrenabteilungen der gängigen Parfümerien ein Duft im Regal erschien, der stolz das Etikett "Homme" trug und ganz selbstverständlich mit Iris, Kakao und Amber daherkam, warm und weich und pudrig, wie man es zuvor nur an einer Frau erschnuppert hatte.
Diors neuer Mann spaltete die Lager mit gepuderten Lippenstiftakkorden und Assoziationen an alte Ohrensessel aus rissigem Leder, staubige Bücher und knisternde Kaminfeuer.
Frauen liebten ihn und bestahlen ihre Partner um die kostbaren Tropfen, während Männer hin und her gerissen waren und sich nicht entscheiden konnten, ob Olivier Polge nun ein Denkmal oder ewiges Fegefeuer verdiente.
"Dior Homme" kümmerte es nicht – kraftvoll und doch sensibel, wärmend und Halt gebend schritt er bis zu seiner Reformulierung einher, selbstbewußt und raumgreifend in seinem Statement und damit manchem Mann "too much".
Ein wenig mehr Dezenz, gedrosselte Lautstärke und gedimmtes Licht hätte er sich gewünscht – dann, ja, dann wäre es perfekt gewesen...
Manchmal hilft das Wünschen.
Manchmal erhört nicht Gott die Gebete, sondern eine Frau.
Fünf Jahre nach dem Erscheinen von "Dior Homme" entschwebte dem Hause Carthusia ein würzig-frischer Hauch anisiger Iris, hell und grün und von einer leicht herben, ernsten, fast schon strengen silbrigen Pudrigkeit.
Wer ihn aufnahm, dem straffte er den Rücken, dem hob er den Kopf und klarte den Blick, bis er bestimmt auf die Welt schaute, eigenwillig, doch weit entfernt von allem Rabiaten.
Bald schon verschmolz der Duft mit der Haut seines Trägers zu einem schimmernden, weichen, sanft pudrigen Fluidum, in dessen Schatten warme Hölzer und eine Spur aromatischen Weihrauchs erahnbar waren.
Sehr nah blieb der Duft bei seinem Menschen, sehr zart umgab er ihn wie eine Aura, sich jenen nur mitteilend, die ihm nahe kamen, die ihn berühren, ihn anrühren durften, die seine Stärke spürten und seine Verletzlichkeit, seinen Stolz und seine Demut, seine Sehnsucht und seine Träume.
Und seine Wurzeln.
Der Mann des Jahres 2013 trägt wieder Bart.
Und "Carthusia 1681".
Früher trugen Frauen Kleider und Männer Hosen, schnürte die Dame von Welt sich im Korsett die Luft ab und hielt ihre Lebensgeister mit Riechsalz zusammen, während das schwindende Haupthaar ihres Angetrauten von voluminösen Backenbärten kompensiert wurde.
Früher zogen Männer in die weite Welt hinaus und verirrten sich in Ermangelung eines modernen Navi auf dem Weg nach Indien bis an amerikanische Gestade, derweil ihre Frauen zwischen Küche und Kirche pendelten und nebenbei dafür sorgten, daß aus den Kindern etwas Ordentliches wurde.
Früher badeten höfische Damen in Rosenwasser und Eselsmilch – und waren froh, wenn ihre Männer wenigstens Wasser an ihre Haut ließen und nicht nur nach sich selbst dufteten.
Selbst Hemingway zeigte sich hier immerhin einsichtig und nahm Abstand von den Gepflogenheiten zur Zeit des Sonnenkönigs.
Lange ging das gut, lange waren die biologischen und ökologischen Aufgaben klar verteilt, lange Zeit verlief die Grenze zwischen Androgenen und Östrogenen geradlinig und unverrückbar – bis eines Tages die Frauen die Nase voll hatten, Korsett und Küchenschürze in den Mülleimer stopften und sich mit Krawatte und Kurzhaarfrisur anschickten, Karriere zu machen.
Die Erde bebte unter den Füßen der Männer, ihr Weltbild geriet ins Wanken und stürzte in sich zusammen, begrub das eine oder andere Bild von Männlichkeit gleich mit und hinterließ in der entstandenen Leere den Raum für etwas Neues, für Unbekanntes bis Unerhörtes – und für eine Freiheit, die Männer sich vor wenigen Jahrzehnten noch nicht hätten erträumen lassen.
Plötzlich war es ganz in Ordnung, Gefühle zu zeigen und seine weichen Seiten, das Ruder auch mal aus der Hand geben und die Frau nicht nur sonntags ans Steuer zu lassen.
Mann durfte auf sein Äußeres achten, ohne mißtrauisch beäugt zu werden, und während Frauen mit größter Selbstverständlichkeit bisher männliches Terrain eroberten, wagten sich die Mutigsten schließlich auch an Herrenkosmetik und –düfte heran.
Herb und frisch sollte es sein, markant und männlich, würzig und krautig – eindeutig nach Mann sollte es riechen, auf keinen Fall nach irgendwelchen Blumen, das war dann doch weibliches Hoheitsgebiet und irgendwo mußte sie schließlich verlaufen, die Grenze zwischen den Geschlechtern, die man irgendwann aus den Augen verloren hatte und ohne die es nach Ansicht des Einen und der Anderen dann doch nicht ging.
So fragte Herr Grönemeyer im ausgehenden 20. Jahrhundert leicht verzweifelt, wann denn ein Mann ein Mann sei, bemühte sich redlich um eine Antwort und schien doch am Ende so schlau wie zuvor.
Bis im Jahr 2005 in den Herrenabteilungen der gängigen Parfümerien ein Duft im Regal erschien, der stolz das Etikett "Homme" trug und ganz selbstverständlich mit Iris, Kakao und Amber daherkam, warm und weich und pudrig, wie man es zuvor nur an einer Frau erschnuppert hatte.
Diors neuer Mann spaltete die Lager mit gepuderten Lippenstiftakkorden und Assoziationen an alte Ohrensessel aus rissigem Leder, staubige Bücher und knisternde Kaminfeuer.
Frauen liebten ihn und bestahlen ihre Partner um die kostbaren Tropfen, während Männer hin und her gerissen waren und sich nicht entscheiden konnten, ob Olivier Polge nun ein Denkmal oder ewiges Fegefeuer verdiente.
"Dior Homme" kümmerte es nicht – kraftvoll und doch sensibel, wärmend und Halt gebend schritt er bis zu seiner Reformulierung einher, selbstbewußt und raumgreifend in seinem Statement und damit manchem Mann "too much".
Ein wenig mehr Dezenz, gedrosselte Lautstärke und gedimmtes Licht hätte er sich gewünscht – dann, ja, dann wäre es perfekt gewesen...
Manchmal hilft das Wünschen.
Manchmal erhört nicht Gott die Gebete, sondern eine Frau.
Fünf Jahre nach dem Erscheinen von "Dior Homme" entschwebte dem Hause Carthusia ein würzig-frischer Hauch anisiger Iris, hell und grün und von einer leicht herben, ernsten, fast schon strengen silbrigen Pudrigkeit.
Wer ihn aufnahm, dem straffte er den Rücken, dem hob er den Kopf und klarte den Blick, bis er bestimmt auf die Welt schaute, eigenwillig, doch weit entfernt von allem Rabiaten.
Bald schon verschmolz der Duft mit der Haut seines Trägers zu einem schimmernden, weichen, sanft pudrigen Fluidum, in dessen Schatten warme Hölzer und eine Spur aromatischen Weihrauchs erahnbar waren.
Sehr nah blieb der Duft bei seinem Menschen, sehr zart umgab er ihn wie eine Aura, sich jenen nur mitteilend, die ihm nahe kamen, die ihn berühren, ihn anrühren durften, die seine Stärke spürten und seine Verletzlichkeit, seinen Stolz und seine Demut, seine Sehnsucht und seine Träume.
Und seine Wurzeln.
Der Mann des Jahres 2013 trägt wieder Bart.
Und "Carthusia 1681".
27 Antworten