20.12.2010 - 18:05 Uhr
Profumo
284 Rezensionen
Profumo
Top Rezension
22
Ein After-Eight gefällig?
Wer viele Düfte sein eigen nennt, kennt das Problem: die Flakons wollen sich einfach nicht leeren, da man immerfort von einem Duft zum anderen wechselt.
So geht es mir nun schon seit Jahren, und die Düfte werden alt und älter.
Nicht so Roadster.
Diesen Duft habe ich mir gleich nach seiner Einführung gekauft und es tatsächlich geschafft, ihn in etwas mehr als zwei Jahren aufzubrauchen – der Flakon (100ml) ist bis auf einen klitzekleinen Rest leer!
Dabei war ich vor drei Jahren, als ich las, dass Cartier die Einführung eines neuen Herren-Duftes plane, dieses ein mineralisches Fougère mit einer prominenten Minze-Note sein solle und auch noch den Namen Roadster trüge, noch nicht so sicher ob er mich überhaupt interessieren würde. Allein die Tatsache aber, dass Mathilde Laurent den Duft kreiert haben würde erweckte in mir große Erwartung.
Als ich ihn schließlich testen konnte, hatte ich wenige Minuten zuvor das neue Guerlain Homme probiert, das mich – gelinde gesagt – eher ratlos zurückließ. Nun hatte ich aber diesen überaus schweren Roadster-Flakon in der Hand, sprühte mit etwas von seinem Inhalt auf den Handrücken und war augenblicklich sehr, sehr angetan. Ich weiß noch wie mein erster Gedanke war: „..diesen Duft hätte Guerlain lancieren sollen, nicht den anderen!“
Tja, zu spät. Wer Mathilde Laurent ziehen lässt, nachdem sie so schöne Werke wie Guet-Apens (Attrape-Coeur), Shalimar légère oder Aqua Allegoria Pamplelune für die eigene Firma kreiert hat, der ist selbst dran schuld...
Stattdessen nun Thierry Wasser. Der ist sicher auch kein schlechter Parfumeur, aber er ist eben nicht Mathilde Laurent, deren Düfte sich irgendwie organisch an das Erbe Guerlains anschlossen, so als habe sie dieses nicht nur genauestens studiert, sondern es auch mit Überzeugung und Freude angenommen (wer ihre Düfte der ‚Heures – Reihe’ für Cartier probiert, kann staunend entdecken wie viel Guerlain in ihnen steckt, und wo das Haus heute stehen könnte, hätte man Mathilde Laurent, dieses riesen Talent, gehalten!)
Nachdem schließlich Cartier schlau genug war sich der Dienste von Mathilde Laurent zu versichern (zum ersten Mal in der Geschichte Cartiers installierte man einen sogenannten In-House-Parfumeur), sollte Roadster ihr erster Massenmarkt-Duft für den neuen Arbeitgeber werden.
Eine firmeneigene Uhrenkollektion stand nicht nur für den Namen Pate, sondern diente zudem als Inspirationsquelle für Duft und Flakon (dieser bildet fast exakt die ovale Lupe über der Datumsanzeige ab, während der Schraubverschluss des Flakons eine detailgetreue Nachbildung der Krone ist!).
Einst als sportliches Vehikel zum puren Fahrvergnügen erdacht, haftet dem Roadster heutiger Tage für mich immer etwas von gediegener Lebensart an – als führe man im einundzwanzigsten Jahrhundert noch immer mit einem uralten MGA, dem berühmten Roadster der British Motor Corporation, durch die sanft hügelige Landschaft Süd-Englands und nasche dabei ein After-Eight ums andere. Die Fahrer dieser Wagen vermitteln mir häufig den Eindruck geradewegs zu einem Picknick aufbrechen zu wollen, ebenso wie ich immer denke sie müssten alle Barbour-Jacken tragen.
Aber passt das nicht alles gut zusammen: ein Sport-Coupé mit offenem Dach, englischer Landadel, ein stilvolles Picknick, Wachsjacken, Dachsjagd und ein After-Eight?! Und genau das ist Roadster: eine ganze Schachtel dieser pfefferminzigen Schokoladen-Täfelchen in einem schicken alten Sportwagen, dessen Armaturen mit edlen Hölzern vertäfelt sind, und Griffe und Lenkrad mit hochwertigem Gummi gepolstert.
Die Minze aber, prominent in Szene gesetzt, ist so eine Sache – eine äußerst assoziationsreiche dazu. Häufig denkt man zunächst einmal an Zahnpasta, noch bevor einem irgendwelche Pastillen, Tees oder eben After-Eight-Täfelchen einfallen. Und wie vielen negativen Kritiken zu entnehmen ist, war es ebenjene Zahnpasta-Assoziation, die heftiges Missfallen auslöste. Seltsamerweise dachte ich nie an Zahnpasta. Stattdessen hatte ich sofort die in kleinen Papiertütchen steckenden After-Eights vor Augen. Das Bild gefiel mir, da es mich ebenso daran erinnerte, dass ich diese Thin-Mints schon als Kind gerne naschte.
Passend zu den gediegenen Konservatismus verströmenden Täfelchen, entschied sich Mathilde Laurent diesen, den Duft so beherrschenden Minze-Akkord in ein klassisches Fougère Umfeld zu integrieren: helle Bergamotte-Noten sorgen für ein frische Brise, harziges Labdanum, weiches Patchouli, pudriges Coumarin sowie leichte moosige Akzenten für den typischen Fougère-Rahmen. Einzig der krautige Lavendel fehlt. Diesen ersetzt auf eigenwillige Art, gleichermaßen kühlend wie wärmend, die aromatische Minze. Eine sehr sanfte Vanille-Note, ihrem eigenen Shalimar-légère entlehnt, hilft die herbe Minze im Herzen und im Fond zu stützen, und beraubt sie der Spitzen und der Schärfen. Flankiert wird diese Minze-Vanille-Achse von einer Gummi-Note, die viele als störend synthetisch beschreiben – ich mag sie. Sie bildet einen sehr schönen Kontrast zum harmonischen Geschehen, ohne dieses allzu sehr aufzumischen, und rundet obendrein das Bild von einem Roadster ab. Wäre diese Note nicht vorhanden, ginge mir dieser Duft vielleicht ein wenig zu sehr in Richtung ‚Gourmand’. So aber bleibt es lediglich bei einem kleinen Flirt mit diesem Genre. Den Schlussakkord bilden schließlich schöne, auf Hochglanz polierte und lang anhaltende holzige Noten, auf denen das Vanille-Minze-Duo langsam zur Ruhe kommt.
Der Duft verfügt über eine angemessene, seine Umwelt nicht irritierende Projektion und bleibt, nachdem er sich auf der Haut des Trägers ‚gesetzt’ hat, diesem eine gute Weile erhalten. (Ich warte noch immer auf eine EdP-Variante oder ein ‚Intense’, denn ich könnte mir die entscheidenden Merkmale dieses Duftes noch ein gutes Stück intensivierter vorstellen!)
Aber, wie gesagt: an Minze (und/oder Gummi) scheiden sich die Geister. Sehr viele mögen den Duft, und ich glaube er ist einigermaßen erfolgreich, aber fast ebenso viele scheinen ihn zu verachten – anders kann man manche, mitunter recht aggressive Kritik nicht deuten.
Mme. Laurent scheut sich nicht im Internet auftauchende Reviews ihrer Düfte ab und an höchstselbst zu kommentieren. So geschehen als beispielsweise jemand behauptet hatte, sie verwende für Roadster scheußlich-billigen, synthetischen Amber, begleitet von der Empfehlung, man möge diesen doch bitte in eine Liste verbotener, toxischer Stoffe aufnehmen. Sie verwahrte sich entschieden dagegen, indem sie erwiderte: er könne sicher sein, dass sie nie mit solchem Amber arbeiten würde, da sie ihn selber nicht ausstehen könne. In Roadster habe sie nur: „...du vrai patchouli, du vrai ciste qui donne la note ambrée, et de très belles notes boisées“ verwendet.
So scheint Roadster ein Duft zu sein, den man entweder nur lieben oder hassen kann, ebenso wie er Unentschiedenheit, oder Gleichgültigkeit offenbar nicht zulassen mag.
Die Empfänger dieses Duftes aber, die ihn an mir riechen sollen, haben sich noch nie über ihn beklagt – ganz im Gegenteil.
Sonst hätte ich doch nie einen ganzen Flakon aufgebraucht – und es wird sicher nicht der letzte gewesen sein!
So geht es mir nun schon seit Jahren, und die Düfte werden alt und älter.
Nicht so Roadster.
Diesen Duft habe ich mir gleich nach seiner Einführung gekauft und es tatsächlich geschafft, ihn in etwas mehr als zwei Jahren aufzubrauchen – der Flakon (100ml) ist bis auf einen klitzekleinen Rest leer!
Dabei war ich vor drei Jahren, als ich las, dass Cartier die Einführung eines neuen Herren-Duftes plane, dieses ein mineralisches Fougère mit einer prominenten Minze-Note sein solle und auch noch den Namen Roadster trüge, noch nicht so sicher ob er mich überhaupt interessieren würde. Allein die Tatsache aber, dass Mathilde Laurent den Duft kreiert haben würde erweckte in mir große Erwartung.
Als ich ihn schließlich testen konnte, hatte ich wenige Minuten zuvor das neue Guerlain Homme probiert, das mich – gelinde gesagt – eher ratlos zurückließ. Nun hatte ich aber diesen überaus schweren Roadster-Flakon in der Hand, sprühte mit etwas von seinem Inhalt auf den Handrücken und war augenblicklich sehr, sehr angetan. Ich weiß noch wie mein erster Gedanke war: „..diesen Duft hätte Guerlain lancieren sollen, nicht den anderen!“
Tja, zu spät. Wer Mathilde Laurent ziehen lässt, nachdem sie so schöne Werke wie Guet-Apens (Attrape-Coeur), Shalimar légère oder Aqua Allegoria Pamplelune für die eigene Firma kreiert hat, der ist selbst dran schuld...
Stattdessen nun Thierry Wasser. Der ist sicher auch kein schlechter Parfumeur, aber er ist eben nicht Mathilde Laurent, deren Düfte sich irgendwie organisch an das Erbe Guerlains anschlossen, so als habe sie dieses nicht nur genauestens studiert, sondern es auch mit Überzeugung und Freude angenommen (wer ihre Düfte der ‚Heures – Reihe’ für Cartier probiert, kann staunend entdecken wie viel Guerlain in ihnen steckt, und wo das Haus heute stehen könnte, hätte man Mathilde Laurent, dieses riesen Talent, gehalten!)
Nachdem schließlich Cartier schlau genug war sich der Dienste von Mathilde Laurent zu versichern (zum ersten Mal in der Geschichte Cartiers installierte man einen sogenannten In-House-Parfumeur), sollte Roadster ihr erster Massenmarkt-Duft für den neuen Arbeitgeber werden.
Eine firmeneigene Uhrenkollektion stand nicht nur für den Namen Pate, sondern diente zudem als Inspirationsquelle für Duft und Flakon (dieser bildet fast exakt die ovale Lupe über der Datumsanzeige ab, während der Schraubverschluss des Flakons eine detailgetreue Nachbildung der Krone ist!).
Einst als sportliches Vehikel zum puren Fahrvergnügen erdacht, haftet dem Roadster heutiger Tage für mich immer etwas von gediegener Lebensart an – als führe man im einundzwanzigsten Jahrhundert noch immer mit einem uralten MGA, dem berühmten Roadster der British Motor Corporation, durch die sanft hügelige Landschaft Süd-Englands und nasche dabei ein After-Eight ums andere. Die Fahrer dieser Wagen vermitteln mir häufig den Eindruck geradewegs zu einem Picknick aufbrechen zu wollen, ebenso wie ich immer denke sie müssten alle Barbour-Jacken tragen.
Aber passt das nicht alles gut zusammen: ein Sport-Coupé mit offenem Dach, englischer Landadel, ein stilvolles Picknick, Wachsjacken, Dachsjagd und ein After-Eight?! Und genau das ist Roadster: eine ganze Schachtel dieser pfefferminzigen Schokoladen-Täfelchen in einem schicken alten Sportwagen, dessen Armaturen mit edlen Hölzern vertäfelt sind, und Griffe und Lenkrad mit hochwertigem Gummi gepolstert.
Die Minze aber, prominent in Szene gesetzt, ist so eine Sache – eine äußerst assoziationsreiche dazu. Häufig denkt man zunächst einmal an Zahnpasta, noch bevor einem irgendwelche Pastillen, Tees oder eben After-Eight-Täfelchen einfallen. Und wie vielen negativen Kritiken zu entnehmen ist, war es ebenjene Zahnpasta-Assoziation, die heftiges Missfallen auslöste. Seltsamerweise dachte ich nie an Zahnpasta. Stattdessen hatte ich sofort die in kleinen Papiertütchen steckenden After-Eights vor Augen. Das Bild gefiel mir, da es mich ebenso daran erinnerte, dass ich diese Thin-Mints schon als Kind gerne naschte.
Passend zu den gediegenen Konservatismus verströmenden Täfelchen, entschied sich Mathilde Laurent diesen, den Duft so beherrschenden Minze-Akkord in ein klassisches Fougère Umfeld zu integrieren: helle Bergamotte-Noten sorgen für ein frische Brise, harziges Labdanum, weiches Patchouli, pudriges Coumarin sowie leichte moosige Akzenten für den typischen Fougère-Rahmen. Einzig der krautige Lavendel fehlt. Diesen ersetzt auf eigenwillige Art, gleichermaßen kühlend wie wärmend, die aromatische Minze. Eine sehr sanfte Vanille-Note, ihrem eigenen Shalimar-légère entlehnt, hilft die herbe Minze im Herzen und im Fond zu stützen, und beraubt sie der Spitzen und der Schärfen. Flankiert wird diese Minze-Vanille-Achse von einer Gummi-Note, die viele als störend synthetisch beschreiben – ich mag sie. Sie bildet einen sehr schönen Kontrast zum harmonischen Geschehen, ohne dieses allzu sehr aufzumischen, und rundet obendrein das Bild von einem Roadster ab. Wäre diese Note nicht vorhanden, ginge mir dieser Duft vielleicht ein wenig zu sehr in Richtung ‚Gourmand’. So aber bleibt es lediglich bei einem kleinen Flirt mit diesem Genre. Den Schlussakkord bilden schließlich schöne, auf Hochglanz polierte und lang anhaltende holzige Noten, auf denen das Vanille-Minze-Duo langsam zur Ruhe kommt.
Der Duft verfügt über eine angemessene, seine Umwelt nicht irritierende Projektion und bleibt, nachdem er sich auf der Haut des Trägers ‚gesetzt’ hat, diesem eine gute Weile erhalten. (Ich warte noch immer auf eine EdP-Variante oder ein ‚Intense’, denn ich könnte mir die entscheidenden Merkmale dieses Duftes noch ein gutes Stück intensivierter vorstellen!)
Aber, wie gesagt: an Minze (und/oder Gummi) scheiden sich die Geister. Sehr viele mögen den Duft, und ich glaube er ist einigermaßen erfolgreich, aber fast ebenso viele scheinen ihn zu verachten – anders kann man manche, mitunter recht aggressive Kritik nicht deuten.
Mme. Laurent scheut sich nicht im Internet auftauchende Reviews ihrer Düfte ab und an höchstselbst zu kommentieren. So geschehen als beispielsweise jemand behauptet hatte, sie verwende für Roadster scheußlich-billigen, synthetischen Amber, begleitet von der Empfehlung, man möge diesen doch bitte in eine Liste verbotener, toxischer Stoffe aufnehmen. Sie verwahrte sich entschieden dagegen, indem sie erwiderte: er könne sicher sein, dass sie nie mit solchem Amber arbeiten würde, da sie ihn selber nicht ausstehen könne. In Roadster habe sie nur: „...du vrai patchouli, du vrai ciste qui donne la note ambrée, et de très belles notes boisées“ verwendet.
So scheint Roadster ein Duft zu sein, den man entweder nur lieben oder hassen kann, ebenso wie er Unentschiedenheit, oder Gleichgültigkeit offenbar nicht zulassen mag.
Die Empfänger dieses Duftes aber, die ihn an mir riechen sollen, haben sich noch nie über ihn beklagt – ganz im Gegenteil.
Sonst hätte ich doch nie einen ganzen Flakon aufgebraucht – und es wird sicher nicht der letzte gewesen sein!
5 Antworten