Zitronendüfte sind mitunter sanfter als mancher vermuten würde. Viele sind geradezu feminin (Monsieur Balmain, Eau d‘Hermes...) und letztlich von beiden Geschlechtern gut tragbar.
Auf den berühmtesten Träger dieses Duftes werde ich im Verlauf der Beschreibung noch zu sprechen kommen.
In England gibt es allerdings eine sehr alte Tradition ganz anderer Zitrusdüfte, die bei einem ersten Versuch fast schon an einen Peitschenschlag erinnern. Truefitt & Hills West Indian Limes gehört dazu (ein dezenter Vertreter), aber natürlich auch die mentholartig-scharfen Düfte aus dem 19. Jahrhundert, so z.B. Geo F. Trumpers Wellington, Crowns Town & Country und natürlich Penhaligion‘s Blenheim Bouquet.
Ein besonderer und wiederum ganz andersartiger Vertreter ist der gleichfalls messerscharfe und doch sanfte Spiced Limes von Crown, jener verschollenen Marke, die in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts aus einem Corsagen-Hersteller hervorging, anfangs mit Riechwässern und Riechsalz der ständig drohenden Ohnmacht bei eng geschnürten Damen entgegenwirken sollte, schließlich zu Düften fand und damit bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs zu den führenden englischen Parfumherstellern zählte.
Dass die britische Duftgeschichte nicht etwa ein wenig bedeutendes Nebengleis der Parfumhistorie ist, lässt sich schon an der großen Zahl britische Hoflieferanten ablesen, die z.T. bis heute existieren und zu den ältesten Parfummanufakturen und -herstellern gehören, die es weltweit gibt (Floris etwa, 1730 von einem Menorciner in London gegründet, gilt vielen Kennern, je nach Interpretation und Art der Darstellung, als ältester Parfumhersteller der Welt; Konkurrenz kann da eigentlich nur das Kölner Haus Farina machen: mit einigen Unterbrechungen ist dessen Tradition noch älter - s. mein Kommentar zu Russisch Leder).
Zurück zum hier besprochenen Duft, zu Crowns Spiced Limes, dessen ambivalenter Charakter für einige Faszination sorgen kann, auch und gerade deshalb, weil er in dieser Form nicht mehr produziert wird: Crown wurde zwar 1994 als Marke wiedererweckt, dann aber 1999, nach der angesichts der aufwändigen Produktion beinahe unvermeidlich erscheinenden Insolvenz, vom Möbel-Hersteller Clive Christian (hier wohl den meisten als Produzent der Clive-Christian-Düften bekannt) aufgekauft und dann 2002 trotz anfangs Erfolg versprechender Neubelebung beerdigt und der Luxus-Sparte des Herstellers geopfert. Da ich schon häufiger auf diese Verbindung hingewiesen habe, spare ich mir nähere Erläuterungen und verweise nur auf die Ähnlichkeit der Flakons von Clive Christian und von Crown, dort insbesondere der Damenflakons, die im Gegensatz zu den runden Herrenflakons (auf dieser Seite ist unten auf einem Foto von mir ein Exemplar zu sehen, ebenso bei den Düften Eau der Russe und Eau de Quinine) eckig waren und damit den neueren Christian-Flaschen fast vollständig glichen.
Auf der längst nicht mehr existenten Homepage bzw. auf der alten Werbung für die Düfte der Marke Crown warb man stolz mit berühmten ehemaligen Trägern der Marke. Bei Spiced Limes konnte man da erstaunt nachlesen, dass ein ehemaliger Träger des Duftes Lawrence von Arabien gewesen sei; wohlgemerkt der historische T.E. Lawrence, nicht Peter O‘Toole, der ihn in dem zurecht berühmt gewordenen Filmklassiker kongenial darstellte. Das mag angesichts der Markanz dieses Duftes und angesichts der erfrischenden und belebenden Wirkung, die von ihm ausgeht, kein Märchen sein, sondern der Wahrheit entsprechen: ein Duft, wie geschaffen für Arabien.
Spiced Limes eröffnet mit einer Note, die ein wenig an Haarspray erinnert. Da ist diese Schärfe, die einem zunächst fast den Atem nehmen kann, die ein wenig herb und bitter riecht und die sich so in vielen englischen Düften findet, besonders stark in Crown Eau de Quinine oder in Floris No. 89 (alte Formel). Verantwortlich sind vermutlich die krautigen Komponenten, die neben der Limette und der Zitrone den Auftakt bestimmen. Darüber hinaus kann auch die Kombination mit Bergamotte für diesen Akzent sorgen: Bergamotteöl ist wenig lieblich, hat einen strengen Charakter, auch wenn der als Duftöl nicht so bitter erscheint wie das Bergamotte-Öl, das im Earl Grey-Tee verarbeitet wird und wo es seinen bitter-süßen Charakter voll entfaltet.
Die weitere Entwicklung des Duftes wird durch den starken, markanten, geradezu beeindruckenden Kontrast zwischen den zitrischen Komponenten (m.E. steht die Zitrone im Vordergrund, die Limette bleibt etwas blasser) einerseits und den Gewürznoten andererseits bestimmt. Besonders deutlich lässt sich Zimt wahrnehmen - und das dürfte wohl kein allzu häufig in Düften entwickelter Kontrast sein: Zitrone und Zimt, zwei starke Geruchskomponenten, zwei starke Akzente, die den Duft fast ein wenig zu zerreißen drohen. Das ist es, was ich zu Anfang mit dem Peitschenhieb meinte. Das fordert der Nase schon einiges ab und gehört nicht zu den gängigen Geruchskomponenten.
Unterstützt und getragen wird dieser Kontrast vom Geruch der Muskatnuss, der hier gleichfalls in schöner Distanz zur Zitrone steht, trotz seiner Herbheit und würzigen Schärfe aber besser harmoniert als der Zimt, der durch seinen weich-süßen Unterton in eine andere Richtung tendiert.
Bei einem klassischen englischen Duft darf natürlich die Gewürznelke nicht fehlen. Wer sich ein wenig für englische After Shaves, Hair Tonics und ggf. deren amerikanische Ableger (z.B. Lucky Tiger, Clubman) interessiert, wird den typischen Bay Rum-Geruch kennen, den man nur mögen oder hassen kann. Selbst langjährige Gewöhnung in Gefangenschaft kann an einer solchen Grundhaltung nicht wirklich etwas ändern. Natürlich handelt es sich bei Spiced Limes nicht um die in Kontinentaleuropa gefürchtete, in Amerika und England legendäre Rum-Nelken-Note aus dem klassischen Bay Rum. Ein ganz klein wenig scheint aber eine Verwandtschaft durch, da die Nelke hier nicht dezent, sondern durchaus gut wahrnehmbar verarbeitet wurde.
Unter all diesen starken Gerüchen wäre Vetiver für mich eigentlich nicht wahrnehmbar; wenn man aber weiß, dass es enthalten ist, so kann man seine Gegenwart ahnen und verstehen, dass es sich mit seinem säuerlich-erdigen Ton ausgesprochen gut in das Konzept von Zitrone und Gewürzen einzufügen vermag. Eichenmoos dagegen dient hier vor allem der sanften Abrundung, schafft eine Basis, auf der die übrigen Komponenten ruhen können.
Nun könnte man diesem Duft nachtrauern und sein Ableben bedauern, gäbe es da nicht die verdienstvolle Anglia Perfumery, mitgetragen von Lothar Ruff, einem Duftenthusiasten aus Berlin, der dort unter dem Label The English Scent nach wie vor ein charmantes, besuchenswertes Ladengeschäft betreibt, selbst dort anzutreffen ist und der mit seinem Enthusiasmus dafür sorgte, dass die Crown-Düfte nicht untergingen, sondern in England unter dem neuen Markennamen Anglia Perfumery weiter produziert werden. Sicherlich musste gerade Spiced Limes mit seinen Zitrusnoten und dem Eichenmoos in der Basis reformuliert werden, ist aber auch in der neuen Version ein klassischer englischer Duft von besonderer Ausstrahlung geblieben.
Ein schlachterprobter Held wie Lawrence von Arabien konnte eigentlich nicht irren. Man mag es sich kaum vorstellen: dieser Duft könnte ihn inspiriert haben.
Kopfnote 
Herznote 
Basisnote 
Schoeibksr
Ergoproxy
Yatagan
Eggi37
Floyd
