Meggi
Top Rezension
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Viele Dahinters
Der Place de Furstemberg in Paris ist eine ziemlich übersichtliche Angelegenheit. Die schmale Rue gleichen Namens teilt sich und führt - als wolle sie möglichst eilig an der nahen Kirche Saint-Germain-des-Prés enden - knapp links und rechts verschwenkt an einem Verkehrs-Inselchen vorbei, welches lediglich Raum für vier Bäume und eine (zugegebenermaßen ansehnliche) Straßenlaterne bietet. Eher ein Plätzchen…
In einer Häuser-Ecke findet sich ein düsterer Eingang, der des großen Plakats daneben bedarf, um überhaupt als öffentlich erkannt zu werden. Dahinter geht es durch einen Torbogen auf einen versteckten Innenhof und erst von jenem aus erreicht man das Musée National Eugène Delacroix, untergebracht in dessen einstigem Wohnhaus. Wer Eintrittskarten zum Louvre vorzeigen kann, erhält am selben Tag in der kleinen Dependance freien Zutritt.
Das enge Häuschen mit steiler Treppe beherbergt manches aus dem Nachlass des Künstlers sowie einige Bilder, die vielleicht nicht der vordersten Reihe des Schaffens entstammen mögen, dafür jedoch ganz in Ruhe beguckt werden können, denn die mona-lisa-fixierten Horden verirren sich nicht dorthin. In einem der kleinen Räume steht übrigens – warum auch immer – ein Tisch mit ein paar Dufttest-Gläschen darauf, wo sich zum Beispiel Feigenblatt-Geruch schnuppern lässt.
Durch eine Hintertür im ersten Stock geht es hinaus auf eine Treppe, die zunächst zum ehemaligen Atelier und dann in einen teils von den umgebenden Gebäuden, teils von einer Mauer eingefassten Garten hinabführt. Welch eine Wohltat! Nach dem Trubel des Louvre nebst drumherum auf den stilleren Straßen des Rive Gauche etwa an den Kunstgalerien in der Rue Bonaparte entlang zu spazieren und anschließend unvermutet in einem lauschigen Hinterhof-Garten auf einer Bank zu sitzen. Die wenigen anderen Besucher schienen nicht minder froh über die Oasen-Stimmung.
Das war unser Ausflug auf das linke Seine-Ufer. Sowas! Da waren wir ein zweites Mal in Paris und ich war wieder nicht im Stammgeschäft von Diptyque auf dem Boulevard Saint-Germain. Dabei hatte ich mir den Besuch fest vorgenommen, vor allem, um eine Probe des exklusiven „Benjoin Bohème“ zu ergattern. Aber bereits am ersten Abend unseres Aufenthalts waren wir an der Diptyque-Filiale in der Rue Saint Honoré vorbeigekommen, wo die vier „Splitterglas“-Flakons ebenfalls standen. Ein Testerchen gab es auch. Aha: ‚Exklusiv‘ beschränkt sich offenbar nicht auf das Stammgeschäft, sondern meint die hauseigenen Läden.
Zum Duft: Edel-Karamell eröffnet das Geschehen. Die ohnehin maßvolle Süße zieht sich weiter zurück. Ich lese, dass Styrax Vanillin enthält. Passt. Ein würzig-bitterer Stich unterstreicht die Ernsthaftigkeit. Nach einer Stunde gesellt sich sanftestes Tam-Dao-Sandel hinzu. Tiefe steuert ab dem späten Vormittag dunkles, doch un-erdiges Patchouli bei. Bald zeigt das Harz eine hellholzgestützt staubige und luftige neben einer bitter-kompakten Seite.
Leider geht Benjoin Bohème am frühen Nachmittag stilistisch ein wenig der Atem aus. Ein bisschen H-Sahne mischt sich unglücklich mit dem hellen Holz, welches die übrigen Zutaten für ein paar Stündchen sozusagen indirekt an die Wand drückt; in dem Maße nämlich, in dem Letztere schlichtweg weichen. Erfreulicherweise gibt’s zum Abend hin einen zweiten Harz-Anlauf: Eine wackere Ambernote übernimmt – und versöhnt.
Fazit: Ein feiner Kuschler. An Tam Dao (ich kenne das EdP) reicht er indes nicht ganz heran.