25.09.2019 - 12:38 Uhr
Siebenkäs
63 Rezensionen
Siebenkäs
Top Rezension
53
Trick 17
Du vermeidest den hinteren Teil der Amsterdam Avenue
und biegst lieber in die 109te ab. Du hast absolut keine Lust
Steven oder einem von den Palladinos zu begegnen.
Es sind zwar nur 800 Dollar, die du ihnen schuldest,
aber gerade bist du etwas klamm.
Na ja, was heißt gerade? Normalzustand - meist im Minus.
Immer überlegen, wo du Kohle herkriegst für Farben und
Leinwand. Dein Atelier ist eine Bruchbude in einer Ecke,
die nur Leute, die keine Ahnung haben, harmlos nennen.
Anderswo vielleicht ein Klischee, aber bei dir stimmt der
Ausdruck "Überlebenskampf" mal ausnahmsweise.
Aber du hast deine kleinen Waffen. Kleine Helfer, Finten,
Tricks. Ein paar Geheimnisse. Ohne die ginge nichts.
Du schnupperst an deinem Handgelenk. Dieser Duft
ist eins davon. Velvet Desert Oud. Er gibt dir das Gefühl,
eine weiche, aber unverletzbare Hülle um dich zu haben,
gewebt aus merkwürdigen Gewürzen des Orients und
einem weihrauchartigen Hauch, der mit herkömmlichem
Kirchenweihrauch kaum etwas zu tun hat. Eher ein Rauch
der Weihe für eine besondere Kirche, denkst du. Eine
Kirche für die gesamte Menschheit, eine Kirche der
bedingungslosen Liebe womöglich. Solche Tagträume gibt
dir das Parfum gratis dazu.
Plötzlich fällt dir ein - du könntest nal bei Kasimir vorbei-
schauen. Vielleicht kannst du einen Hunderter aus ihm raus-
leiern, für eine Woche. Hat ja jetzt seine eigene Galerie,
nachdem er einem reichen Texaner einen gefälschten
Baselitz angedreht hat. Riskantes Spiel. Du könntest keine
Nacht mehr schlafen. Aber Kasimir hat andere Gene.
Aufgewachsen in Moskauer Vororten.
Wieder steigt ein Wölkchen deines Parfums auf, ein Whiff
sagen sie hier. Jetzt riechst du auch die Bänke aus
exotischen Hölzern in deiner Kirche der Liebe.
Wieder machst du einen kleinen Umweg. Die Dealer
Ecke Cathedral Parkway gehen dir auf die Nerven.
Dieses ewige "need somethin', honey?" Deine Koksphase
ist eh längst vorbei. Zwanzig Stunden im Rausch durch-
arbeiten und dann feststellen, dass alles nur kompletter
Schrott ist. Mit dir nicht mehr.
Im Hinterzimmer der Galerie Faktor kniet Kasimir mit seinem
Assistenten auf dem Boden, überall Schalen mit Tee,
Kaffeesatz, Asche, aufgelöster Erde. Du weißt genau, was
sie da machen, nichts weiter Ungewöhnliches.
"Na immer noch nicht fertig mit den Klimt-Tagebüchern?"
fragst du.
"Eins noch, dann ist es ein rundes Paket. Nicht nachweisbar.
Und kunsthistorisch absolut wasserdicht. Ich hab' jemand,
der zahlt mir 75K dafür..."
Eine halbe Stunde und zwei Espresso später bist du wieder
auf der Straße, mit hundert Dollar mehr in der Tasche.
Eine Tube Ultramarineblau, eine Krapprot, eine Preußisch-
blau. Ein paar Meter Leinwand. Malbutter von Lascaux.
Der Geruch der Farben harmoniert seltsam mit den tieferen
Tönen deines Dufts. Balsamische, holzige Süße, gleichzeitig
trocken oder besser wüstensonnnen-dry. Aber mit ganz
viel Oasengefühl.
Oud ist da eigentlich nur ein Wort.
Velvet Desert Hut könntest du dir genau so gut vorstellen.
Oder gleich Velvet Desert Trost.
Auf einmal hast du eine Idee. Eine Brückenform und weißgrau
übermaltes Grün. Du entdeckst ein Stück Tapete, das neben
der Mülltonne vor dem Aufgang zu deinem Atelier liegt.
Das wirst du in drei Teilen auf das untere Drittel der Lein-
wand kleben, zusammen mit dem Kassenzettel.
Beim Bücken steigt dir wieder der Duft in die Nase.
"Alles wird gut", sagt er.
Gut, so was zu haben in der Wüste, die sie Manhattan nennen.
und biegst lieber in die 109te ab. Du hast absolut keine Lust
Steven oder einem von den Palladinos zu begegnen.
Es sind zwar nur 800 Dollar, die du ihnen schuldest,
aber gerade bist du etwas klamm.
Na ja, was heißt gerade? Normalzustand - meist im Minus.
Immer überlegen, wo du Kohle herkriegst für Farben und
Leinwand. Dein Atelier ist eine Bruchbude in einer Ecke,
die nur Leute, die keine Ahnung haben, harmlos nennen.
Anderswo vielleicht ein Klischee, aber bei dir stimmt der
Ausdruck "Überlebenskampf" mal ausnahmsweise.
Aber du hast deine kleinen Waffen. Kleine Helfer, Finten,
Tricks. Ein paar Geheimnisse. Ohne die ginge nichts.
Du schnupperst an deinem Handgelenk. Dieser Duft
ist eins davon. Velvet Desert Oud. Er gibt dir das Gefühl,
eine weiche, aber unverletzbare Hülle um dich zu haben,
gewebt aus merkwürdigen Gewürzen des Orients und
einem weihrauchartigen Hauch, der mit herkömmlichem
Kirchenweihrauch kaum etwas zu tun hat. Eher ein Rauch
der Weihe für eine besondere Kirche, denkst du. Eine
Kirche für die gesamte Menschheit, eine Kirche der
bedingungslosen Liebe womöglich. Solche Tagträume gibt
dir das Parfum gratis dazu.
Plötzlich fällt dir ein - du könntest nal bei Kasimir vorbei-
schauen. Vielleicht kannst du einen Hunderter aus ihm raus-
leiern, für eine Woche. Hat ja jetzt seine eigene Galerie,
nachdem er einem reichen Texaner einen gefälschten
Baselitz angedreht hat. Riskantes Spiel. Du könntest keine
Nacht mehr schlafen. Aber Kasimir hat andere Gene.
Aufgewachsen in Moskauer Vororten.
Wieder steigt ein Wölkchen deines Parfums auf, ein Whiff
sagen sie hier. Jetzt riechst du auch die Bänke aus
exotischen Hölzern in deiner Kirche der Liebe.
Wieder machst du einen kleinen Umweg. Die Dealer
Ecke Cathedral Parkway gehen dir auf die Nerven.
Dieses ewige "need somethin', honey?" Deine Koksphase
ist eh längst vorbei. Zwanzig Stunden im Rausch durch-
arbeiten und dann feststellen, dass alles nur kompletter
Schrott ist. Mit dir nicht mehr.
Im Hinterzimmer der Galerie Faktor kniet Kasimir mit seinem
Assistenten auf dem Boden, überall Schalen mit Tee,
Kaffeesatz, Asche, aufgelöster Erde. Du weißt genau, was
sie da machen, nichts weiter Ungewöhnliches.
"Na immer noch nicht fertig mit den Klimt-Tagebüchern?"
fragst du.
"Eins noch, dann ist es ein rundes Paket. Nicht nachweisbar.
Und kunsthistorisch absolut wasserdicht. Ich hab' jemand,
der zahlt mir 75K dafür..."
Eine halbe Stunde und zwei Espresso später bist du wieder
auf der Straße, mit hundert Dollar mehr in der Tasche.
Eine Tube Ultramarineblau, eine Krapprot, eine Preußisch-
blau. Ein paar Meter Leinwand. Malbutter von Lascaux.
Der Geruch der Farben harmoniert seltsam mit den tieferen
Tönen deines Dufts. Balsamische, holzige Süße, gleichzeitig
trocken oder besser wüstensonnnen-dry. Aber mit ganz
viel Oasengefühl.
Oud ist da eigentlich nur ein Wort.
Velvet Desert Hut könntest du dir genau so gut vorstellen.
Oder gleich Velvet Desert Trost.
Auf einmal hast du eine Idee. Eine Brückenform und weißgrau
übermaltes Grün. Du entdeckst ein Stück Tapete, das neben
der Mülltonne vor dem Aufgang zu deinem Atelier liegt.
Das wirst du in drei Teilen auf das untere Drittel der Lein-
wand kleben, zusammen mit dem Kassenzettel.
Beim Bücken steigt dir wieder der Duft in die Nase.
"Alles wird gut", sagt er.
Gut, so was zu haben in der Wüste, die sie Manhattan nennen.
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