Vorwort: Als ich Qom Chilom testete und dort die Note "Latex" las, und aber auch so gar nichts roch, was mich entfernt an Latex hätte erinnern können, dachte ich, das sei mal wieder ein verzweifelter Versuch einer Marketingabteilung, sich den Anschein des Außergewöhnlichen zu geben (dabei hat Qom Chilom das gar nicht nötig).
Kapitel 1: Jetzt testete ich Modern Muse Le Rouge Gloss.
Und warum beeindruckt mich dieser Duft so, fasziniert mich geradezu? Ihr ahnt es schon: Ich rieche da eine feine, interessante Latexnote oder vielleicht auch Silikon. Und ich frage mich, wie es sein kann, dass ich diesen Geruch Latex, bzw. Silikon zuordne, obwohl Silikon meines Erachtens nach überhaupt nichts riecht (es sei denn, man drückt es direkt aus der Tube in eine Fuge, dann riecht es aber nach Lösungsmittel und das meine ich nicht); und Latex, das ich kenne, riecht auch nach fast überhaupt nichts.
Ja, fast. Das macht den Unterschied. Da ist ein ganz feiner Latex-Eigengeruch, dicht, aber nicht stickig; künstlich, aber nicht unangenehm. Seltsam, aber irgendwie gut. In der Pyramide steht Vinyl-Akkord. Ich denke, damit ist das gemeint, was ich rieche, vielleicht spielen auch Möhrensamen mit hinein, die ich aber nicht direkt wahrnehme. Und nachdem ich den Begriff Vinyl-Akkord gelesen habe, kann ich mit viel gutem Willen auch in einem Erinnerungsblitzlicht den eigenartigen Geruch erahnen, der sich einstellt, wenn man eine neue Schallplatte aus der Hülle zieht.
Kapitel 2: Ich habe vorgegriffen. Modern Muse Le Rouge Gloss beginnt erstmal ganz ohne Latex, es beginnt mit süßer, intensiv-künstlicher Kirsche. Wie schon einige andere hier schrieben, ist es genau der Geruch von den kleinen Kirschlollys, die Kojak aus der Fernsehserie immer lutschte, nachdem er das Rauchen aufgegeben hatte. Im ersten Moment erinnert mich Modern Muse Le Rouge Gloss allerdings an La Petite Robe Noire. Im Vergleich zum Guerlain finde ich beim Lauder die Kirsche etwas authentischer, denn ich erkenne sie immerhin als solche. Auch an Black Perfecto werde ich erinnert, wobei ich den Lauder dezenter empfinde, nicht weniger intensiv, aber weicher, leichter, freundlicher und dabei doch auch ungewöhnlicher. Die Süße lässt im Verlauf etwas nach, während die Kirsche bleibt und ein wenig pudriger wird.
Fazit: Modern Muse Le Rouge Gloss schafft einen beeindruckenden Spagat zwischen vertrauten und befremdlichen, zwischen blumig-fruchtigen und künstlichen Stoffen, zwischen Konvention und Avantgarde.
Um das Besondere wahrzunehmen, muss man sich konzentrieren und genau hinriechen. Aber im Alltag, wo die meisten Leute Parfum nur oberflächlich und im Vorbeigehen wahrnehmen, wirkt er freundlich, fröhlich und zurückhaltend und wird so zum Immergeher.
Dieser Duft schafft eine wundervolle Balance: Er ist vergleichsweise leicht, ohne nun gerade ein Cologne zu sein; er ist süß und fruchtig, aber kein Gourmand; er schwebt, ohne zart zu sein; ich finde ihn elegant, aber er ist dennoch weder kühl noch damenhaft; er erweckt bei mir den Eindruck des Edlen, Unaufdringlichen. Und gleichzeitig hat er diese Untiefen: Latex, Patchouli, irgendwie einen Hauch von Kaffee - ein ganzer Schatz von feinen Facetten kann mich immer wieder neu faszinieren.
Für mich ist das quasi perfekt: Diesen Duft kann ich wunderbar bei der Arbeit tragen, ohne Sorge zu haben anzuecken und gleichzeitig unterhält er mich selbst den ganzen Tag. Naja, nicht den ganzen Tag, die Haltbarkeit ist zwar nicht schlecht, aber nach etwa 5-6 Stunden lässt er dann doch deutlich nach und es bleibt nur ein leichter Vanillehauch und ein ganz klein wenig Puderkirsche auf Latexbett.
Nachwort: An diesem Latex kann sich Qom Chilom ein Beispiel nehmen. Ich danke Schokololly für die Kirschlolly-Abfüllung.