04.06.2018 - 11:04 Uhr
Jumi
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Jumi
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Dann buk sie...
SIE wohnte alleine im 3. Stock unseres Mehrfamilienhauses. SIE trug gerne High Heels, die immer etwas höher, Röcke, die immer etwas enger und kürzer und Oberteile, die immer etwas knapper und "offenherziger” ausfielen als es unsere hofinterne “Anstandspolizei”, vertreten durch die Rentnerin M., zuliess. Das hochtoupierte dunkle Haar liess keine Zweifel übrig, dass SIE sehr gerne im letzten, vor kurzem beendeten Jahrzehnt lebte (und geblieben wäre). Für uns, Teenagegirls, war SIE das Muster bei unseren noch recht ungeschickten Styling-Versuchen. Für einige unserer Jungs – ein erster, schüchterner gedanklicher Tappser in Richtung Mann-Seins. Für manchen Mann – ein zungenschnalzenauslösendes Phänomen. Für viele Frauen – einfach ein Dorn im Auge. Für Frau M., die Rentnerin aus dem Erdgeschoss – das Objekt ständiger Beobachtung und wohl die einzige Unterhaltung ihres Lebens. Natürlich neben der Beschimpfung von uns, “unnützem Rudel”, für unseren abendlichen Zeitvertreib auf dem Spielplatz im Innenhof. Wir waren jeden Sommerabend da, wenn die Kleineren von ihren Eltern bereits heimgeholt wurden, und konnten von der Bank und der Schaukel aus, die die verschwitzten Hände immer nach Metall riechen liess, dem zähen Haushofleben beim Zurruhekommen zusehen. SIE ging oft aus, stets abgeholt von fremden Autos, schicken Anzügen oder auch Lederjacken und Jeans. Das ganze Treppenhaus duftete noch eine Stunde später bis in den 3. Stock nach ihrem wummsigen, tornadoähnlichen Duft. IHRE Kurzbeziehungen dauerten nie lange und endeten nach etwa gleichem Schema: ein Auto brachte sie heim, nach einer Weile stieg sie aus, verabschiedete sich mit einer lässig-graziösen Mittelfingergeste – wie nur SIE sie beherrschte - und ging nach Hause. Nur SIE traute sich auf ihrem Weg nach oben das Guckloch der Rentnerin M. mit ihrem Kaugummi oder auch einem Stück Papier zuzukleben... Dann buk SIE. Mal Pfirsichschnitten, meist aber grosse Würzkekse, welche ausserhalb der Weihnachtszeit zu backen wohl niemand auf die Idee gekommen wäre. Von ihrem Balkon aus rief SIE die Kids zusammen und, nachdem die Leckereien auf dem Spielplatz verteilt waren, war die jeweilige Mann-Ära endgültig abgeschlossen.
Ich weiss nicht, was aus ihr geworden ist und ob sie immer noch dort wohnt. Dass sie damals Spellbound trug, erscheint mir heute höchst wahrscheinlich. Warum sonst würde mir der ganze besagte Sommer vom Vorarm in die Nase steigen? Samt metallisch riechenden Schaukelhänden, samt dunklen Würzkeksen in der schwülen Sommerluft, samt pinkem Kaugummi auf M.s Guckloch. Am allermeisten spüre ich jedoch den wummsig-üppigen warmgoldenen Tornado um die wohllüstige Tuberose (später auch die klassischere, anständigere Pudergartennelke), aus allerlei Gewürzen und ambriert-vanilliertem sanftanimalischem Schnurren, 3-Stockwerke-hoch. Und treppenhausbreit :)
Danke für die Vintage-Probe, Verbena!
Ich weiss nicht, was aus ihr geworden ist und ob sie immer noch dort wohnt. Dass sie damals Spellbound trug, erscheint mir heute höchst wahrscheinlich. Warum sonst würde mir der ganze besagte Sommer vom Vorarm in die Nase steigen? Samt metallisch riechenden Schaukelhänden, samt dunklen Würzkeksen in der schwülen Sommerluft, samt pinkem Kaugummi auf M.s Guckloch. Am allermeisten spüre ich jedoch den wummsig-üppigen warmgoldenen Tornado um die wohllüstige Tuberose (später auch die klassischere, anständigere Pudergartennelke), aus allerlei Gewürzen und ambriert-vanilliertem sanftanimalischem Schnurren, 3-Stockwerke-hoch. Und treppenhausbreit :)
Danke für die Vintage-Probe, Verbena!
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