10.10.2017 - 16:04 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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Mein letzter Besuch in der Parfümerie Jeanette
In einer hübschen Stadt im mittleren Westen der Vereinigten Staaten von Deutschland liegt eine Parfümerie, die sich durch einen bemerkenswerten Umstand von allen anderen unterscheidet: Sie wird mit außergewöhnlicher Leidenschaft und Kompetenz von einer über 80jährigen Dame - allein - geführt.
Die Dame, nennen wir sie Jeanette nach dem Namen ihrer Parfümerie, beriet in einzigartiger Weise ihre Kunden und wurde damit zur Legende weit über die Grenzen der mittelgroßen Stadt hinaus: Sie war stets fest davon überzeugt, dass sie nach einem kurzen Studium des Typs, der Kleidung und des Auftretens eines Käufers einen individuell passenden Duft aus ihrem Fundus (viele Raritäten, alte Guerlains, Carons, Boucherons, Balenciagas, aber auch einige wohl ausgewählte neuere Düfte von Rancé, Piguet usf.) finden könne. Tatsächlich war ihre Treffergenauigkeit nachgerade erstaunlich. Mehrfach beriet sie mich überzeugend und ich kaufte Düfte, die ich anfangs gar nicht in die engere Wahl genommen hätte - und bereute es nie!
Vor vielen Jahren, es könnte vor annähernd zwei Jahrzehnten gewesen sein, empfahl sie mir nach einem längeren Gespräch Mouchoir de Monsieur. Damals kaufte ich ihn nicht, verstand ihn nicht, vergaß ihn lange Zeit, aber erinnerte mich an ihn, als ich hier auf Parfumo aktiver wurde und meine Sammlung vergrößerte. Nachdem ich die wichtigsten Herrenklassiker von Guerlain in meiner Sammlung hatte, fehlte noch Mouchour de Monsieur. Vielleicht würde der Duft immer noch fehlen, wäre ich nicht von einer aufmerksamen Leserin der Lokalzeitung jener Stadt darauf hingewiesen worden, dass Frau Jeanette schließen müsse, weil das Haus, im dem ihr Ladengeschäft liegt, abgerissen werde. Um das Haus ist es nicht schade. Es handelt sich um einen gesichtslosen sanierungsreifen 70er-Jahre-Bau ohne Charme. Traurig aber, dass Frau Jeanette nun ihre Kunden nicht mehr beraten kann. Mit über 80 müsse nun Schluss sein, so sehr sie das abrupte Ende bedaure, hätte sie doch gerne noch ein paar Jahre weiter gemacht, bliebe das Haus nur erhalten.
Mein letzter Besuch hatte vor allem ein Ziel: jenen Duft, den sie mir vor wenigstens 15 Jahren empfahl, endlich zu kaufen, und zwar natürlich bei ihr - und nur bei ihr. Auf Nachfrage hatte sie tatsächlich noch einen klassischen Guerlain-Bienenkorb-Testflakon im Schrank versteckt, ziemlich neu und gut gefüllt, den ich zu einem vernünfitgen Preis erstehen konnte.
Nun steht auch Mouchoir de Monsieur bei mir zu Hause. Hüten Sie ihn gut und erinnern sie sich an mich, sagte sie mir zum Abschied. Mir blieb nichts weiter übrig als Jeanette alles Gute zu wünschen.
So verschwinden die letzten inhabergeführten Parfümerien aus deutschen Städten und Großstädten, in diesem Falle auch noch mit einer geradezu einzigartigen Auswahl alter Schätze. Das bedauern sicher nicht nur Nostalgiker.
Mit Mouchoir de Monsieur verbindet mich eine seltsame Leidenschaft. Vielleicht mag ich ihn deshalb so gerne, weil mir ausgerechnet Jeanette diesen Duft vor langer Zeit empfahl? Schließlich ist er doch sperrig, aus der Zeit gefallen, heutzutage schwer tragbar. Die Lavendelnote wird von einer animalischen Basis eingerahmt, ich würde Zibet vermuten, auch wenn es nicht angegeben ist. Im Kontrast dazu stehen die süße, liebliche, etwas schwere Vanille - und vielleicht das Eichenmoos, einstmals natürlich das echte (bei meinem damaligen Besuch sicher noch). Darüber hinaus sind die charakteristischen Bestandteile der Guerlinade enthalten, hier jedoch nicht so sanft wie in vielen Damendüften von Guerlain (Rose, Bergamotte, Tonkabohne, Vanille, Jasmin sowie diverse Gewürze wie Zimt; sehr typisch in Shalimar oder Habit Rouge). Das alles ist jedoch mehr als seine Teile: der Duft ist rau, erdig, sperrig, altertümlich, kantig. Eine etwas weichere Unisex-Verwandte ist das legendäre Jicky, das ich immer sehr ähnlich wahrnehme und das ich zum Vergleich empfehle.
Nun steht der Flakon im Schrank und ich werde mich also erinnern.
Die Parfümerie jedoch ist geschlossen. Der Vorhang gefallen.
Die Dame, nennen wir sie Jeanette nach dem Namen ihrer Parfümerie, beriet in einzigartiger Weise ihre Kunden und wurde damit zur Legende weit über die Grenzen der mittelgroßen Stadt hinaus: Sie war stets fest davon überzeugt, dass sie nach einem kurzen Studium des Typs, der Kleidung und des Auftretens eines Käufers einen individuell passenden Duft aus ihrem Fundus (viele Raritäten, alte Guerlains, Carons, Boucherons, Balenciagas, aber auch einige wohl ausgewählte neuere Düfte von Rancé, Piguet usf.) finden könne. Tatsächlich war ihre Treffergenauigkeit nachgerade erstaunlich. Mehrfach beriet sie mich überzeugend und ich kaufte Düfte, die ich anfangs gar nicht in die engere Wahl genommen hätte - und bereute es nie!
Vor vielen Jahren, es könnte vor annähernd zwei Jahrzehnten gewesen sein, empfahl sie mir nach einem längeren Gespräch Mouchoir de Monsieur. Damals kaufte ich ihn nicht, verstand ihn nicht, vergaß ihn lange Zeit, aber erinnerte mich an ihn, als ich hier auf Parfumo aktiver wurde und meine Sammlung vergrößerte. Nachdem ich die wichtigsten Herrenklassiker von Guerlain in meiner Sammlung hatte, fehlte noch Mouchour de Monsieur. Vielleicht würde der Duft immer noch fehlen, wäre ich nicht von einer aufmerksamen Leserin der Lokalzeitung jener Stadt darauf hingewiesen worden, dass Frau Jeanette schließen müsse, weil das Haus, im dem ihr Ladengeschäft liegt, abgerissen werde. Um das Haus ist es nicht schade. Es handelt sich um einen gesichtslosen sanierungsreifen 70er-Jahre-Bau ohne Charme. Traurig aber, dass Frau Jeanette nun ihre Kunden nicht mehr beraten kann. Mit über 80 müsse nun Schluss sein, so sehr sie das abrupte Ende bedaure, hätte sie doch gerne noch ein paar Jahre weiter gemacht, bliebe das Haus nur erhalten.
Mein letzter Besuch hatte vor allem ein Ziel: jenen Duft, den sie mir vor wenigstens 15 Jahren empfahl, endlich zu kaufen, und zwar natürlich bei ihr - und nur bei ihr. Auf Nachfrage hatte sie tatsächlich noch einen klassischen Guerlain-Bienenkorb-Testflakon im Schrank versteckt, ziemlich neu und gut gefüllt, den ich zu einem vernünfitgen Preis erstehen konnte.
Nun steht auch Mouchoir de Monsieur bei mir zu Hause. Hüten Sie ihn gut und erinnern sie sich an mich, sagte sie mir zum Abschied. Mir blieb nichts weiter übrig als Jeanette alles Gute zu wünschen.
So verschwinden die letzten inhabergeführten Parfümerien aus deutschen Städten und Großstädten, in diesem Falle auch noch mit einer geradezu einzigartigen Auswahl alter Schätze. Das bedauern sicher nicht nur Nostalgiker.
Mit Mouchoir de Monsieur verbindet mich eine seltsame Leidenschaft. Vielleicht mag ich ihn deshalb so gerne, weil mir ausgerechnet Jeanette diesen Duft vor langer Zeit empfahl? Schließlich ist er doch sperrig, aus der Zeit gefallen, heutzutage schwer tragbar. Die Lavendelnote wird von einer animalischen Basis eingerahmt, ich würde Zibet vermuten, auch wenn es nicht angegeben ist. Im Kontrast dazu stehen die süße, liebliche, etwas schwere Vanille - und vielleicht das Eichenmoos, einstmals natürlich das echte (bei meinem damaligen Besuch sicher noch). Darüber hinaus sind die charakteristischen Bestandteile der Guerlinade enthalten, hier jedoch nicht so sanft wie in vielen Damendüften von Guerlain (Rose, Bergamotte, Tonkabohne, Vanille, Jasmin sowie diverse Gewürze wie Zimt; sehr typisch in Shalimar oder Habit Rouge). Das alles ist jedoch mehr als seine Teile: der Duft ist rau, erdig, sperrig, altertümlich, kantig. Eine etwas weichere Unisex-Verwandte ist das legendäre Jicky, das ich immer sehr ähnlich wahrnehme und das ich zum Vergleich empfehle.
Nun steht der Flakon im Schrank und ich werde mich also erinnern.
Die Parfümerie jedoch ist geschlossen. Der Vorhang gefallen.
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