28.03.2016 - 14:00 Uhr
Meggi
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26
Eher Freud als de Sade
Unschwer vorstellbar, dass die Schriften und Aktivitäten des Marquis seinerzeit der Skandal schlechthin gewesen sein dürften. Und dazu nun ein Duft. Höher kann eine Erwartungshaltung kaum aufgehängt werden.
Zu Beginn denke ich spontan an einen leichten, trockenen Weißwein, Vinho Verde womöglich. Zudem bilde ich mir ein, dass nicht allein das vielgenannte Patchouli bölkt, vielmehr scheint mir zusätzlich Castoreum beteiligt. Das ergibt durchaus Sinn, weil Patchouli nicht bloß einen maßgeblichen Anteil am Duft hat, sondern es sich dabei um jene Spielart handelt, die weniger erdig und mehr bitterschokoladig einschließlich des Säuerlichen daherkommt und auf diese Weise ihrerseits das Animalische streift. Ich erinnere mich vage, bei einem lange zurückliegenden Laden-Papierstreifen-Test von Etros ‚Patchouly‘ einen solchen Eindruck gehabt zu haben. Langer Rede kurzer Sinn: Ich wittere neben der geschilderten Patchouli-Variante eine Portion des baldrianhaften Castoreum. „Latent urinös“ wäre übrigens eine zwar sehr boshaft zugespitzte, gleichwohl vertretbare Alternativ-Beschreibung der Auftakt-Phase.
Davana habe ich pur leider nie gerochen, aber was es darüber zu lesen gibt, ist hierfür plausibel. MisterE, der edle Spender des …äh… der Abfüllung (vielen Dank!) tippte auf just einen Davana-Dreh als verantwortlich für die Castoreum-Idee. Ich weiß es nicht. Festnagelbares Faktum ist nur, dass sich neben dem Patchouli ordentlich was Säuerliches und Herb-Fruchtiges, halt auch irgendwie „Weißweiniges“, durch den Vormittag zieht.
Innerhalb der ersten beiden Stunden wird es freilich bereits milder, dafür sorgt ein Hauch von Vanille. Doch wie ein Trojanisches Pferd bringt sie im Untergrund einen Anflug viehischer Ambra mit. Die Gewürze geben mehr Wärme als Aroma; die Immortelle ist nicht derart würzig wie anderswo, sie steuert eher einen Schleier von Korbblütler-Bitterkeit bei. Obenauf wirkt der Duft inzwischen regelrecht anheimelnd, im Untergeschoss müffelt allerdings ein ziemlich exklusiver Zoo: Ein Wal und ein Biber - wenn er es denn ist – in nunmehr analogen Gewichtsanteilen. Der Zoowärter raucht außerdem heimlich Birkenrinde und hat sich eine Weile nicht gewaschen (stinkige Rosengeranie?). Im Laufe des Vormittags erfolgt keine weitere Änderung im Duftcharakter mehr. Es genügt auch.
Erst während des Nachmittags verlässt mich meine Castoreum-bestimmt-wieder-mal-Solitär-Wahrnehmung. Denn 1740 schwenkt auf einen süßsauer-balsamischen Patchouli-Sanftleder-Labdanum-Vanille-Vierklang ein. Der Zoowärter ist auf dem Weg nach Hause und schon ein Stückchen weg. Relativ artig das Ganze, allemal nach dem bis dato Gezeigten. Auf diesem Akkord reitet der Marquis bis weit in den Abend hinein.
Ansonsten reitet der Marquis auf gar nichts und niemandem. Sofern man sich auf das Thema überhaupt einlassen mag, dürften Bezüge zu seiner Person nicht in oberflächlicher Betrachtung von Lebenslauf oder Werk liegen, sondern in einer Deutung deren Entstehens. Nachzulesen ist etwa von einer erzwungenen Hochzeit mit der älteren Schwester der geliebten Frau. Na ja, ein geborener Chorknabe oder Asket wäre der Herr wohl keinesfalls gewesen – arrangierte Ehe hin oder her. Immerhin vergnügte sich die Oberschicht damals allgemein auf breiter Front, wenngleich vermutlich zumeist weniger experimentierfreudig, was Teilnehmerzahl, Hilfsmittel sowie Körper-Öffnungen betrifft. Egal, vergessen wir das Marketing. Jedenfalls ist 1740 erfreulicherweise kein platter Ferkelkram-Duft, er ist allenfalls einer von unterschwelligen Trieben. Eher Freud als de Sade.
Global-stilistisch (Dreck plus Wärme; nicht im Sinne eines Duft-Zwillings!) sehe ich 1740 nahe an Ambrarem aus demselbem Hause. Letzterer kam zwar drei Jahre später raus, hat jedoch bei mir den Igel-Vorteil, sprich: Der Igel ist bereits vor Ort, da kann der Hase namens 1740 mit seinen grundsätzlich älteren Rechten rennen, wie er will. Dazu kommt, dass ich Ambrarem profilierter finde und hochdosiertes Patchouli ohnehin nicht allzu gern mag. Aber wenn, dann so! Daher ist 1740 definitiv ein Test-Tipp für jene, die aus Gruftigkeitsgründen mit Patchouli Schwierigkeiten haben.
Zu Beginn denke ich spontan an einen leichten, trockenen Weißwein, Vinho Verde womöglich. Zudem bilde ich mir ein, dass nicht allein das vielgenannte Patchouli bölkt, vielmehr scheint mir zusätzlich Castoreum beteiligt. Das ergibt durchaus Sinn, weil Patchouli nicht bloß einen maßgeblichen Anteil am Duft hat, sondern es sich dabei um jene Spielart handelt, die weniger erdig und mehr bitterschokoladig einschließlich des Säuerlichen daherkommt und auf diese Weise ihrerseits das Animalische streift. Ich erinnere mich vage, bei einem lange zurückliegenden Laden-Papierstreifen-Test von Etros ‚Patchouly‘ einen solchen Eindruck gehabt zu haben. Langer Rede kurzer Sinn: Ich wittere neben der geschilderten Patchouli-Variante eine Portion des baldrianhaften Castoreum. „Latent urinös“ wäre übrigens eine zwar sehr boshaft zugespitzte, gleichwohl vertretbare Alternativ-Beschreibung der Auftakt-Phase.
Davana habe ich pur leider nie gerochen, aber was es darüber zu lesen gibt, ist hierfür plausibel. MisterE, der edle Spender des …äh… der Abfüllung (vielen Dank!) tippte auf just einen Davana-Dreh als verantwortlich für die Castoreum-Idee. Ich weiß es nicht. Festnagelbares Faktum ist nur, dass sich neben dem Patchouli ordentlich was Säuerliches und Herb-Fruchtiges, halt auch irgendwie „Weißweiniges“, durch den Vormittag zieht.
Innerhalb der ersten beiden Stunden wird es freilich bereits milder, dafür sorgt ein Hauch von Vanille. Doch wie ein Trojanisches Pferd bringt sie im Untergrund einen Anflug viehischer Ambra mit. Die Gewürze geben mehr Wärme als Aroma; die Immortelle ist nicht derart würzig wie anderswo, sie steuert eher einen Schleier von Korbblütler-Bitterkeit bei. Obenauf wirkt der Duft inzwischen regelrecht anheimelnd, im Untergeschoss müffelt allerdings ein ziemlich exklusiver Zoo: Ein Wal und ein Biber - wenn er es denn ist – in nunmehr analogen Gewichtsanteilen. Der Zoowärter raucht außerdem heimlich Birkenrinde und hat sich eine Weile nicht gewaschen (stinkige Rosengeranie?). Im Laufe des Vormittags erfolgt keine weitere Änderung im Duftcharakter mehr. Es genügt auch.
Erst während des Nachmittags verlässt mich meine Castoreum-bestimmt-wieder-mal-Solitär-Wahrnehmung. Denn 1740 schwenkt auf einen süßsauer-balsamischen Patchouli-Sanftleder-Labdanum-Vanille-Vierklang ein. Der Zoowärter ist auf dem Weg nach Hause und schon ein Stückchen weg. Relativ artig das Ganze, allemal nach dem bis dato Gezeigten. Auf diesem Akkord reitet der Marquis bis weit in den Abend hinein.
Ansonsten reitet der Marquis auf gar nichts und niemandem. Sofern man sich auf das Thema überhaupt einlassen mag, dürften Bezüge zu seiner Person nicht in oberflächlicher Betrachtung von Lebenslauf oder Werk liegen, sondern in einer Deutung deren Entstehens. Nachzulesen ist etwa von einer erzwungenen Hochzeit mit der älteren Schwester der geliebten Frau. Na ja, ein geborener Chorknabe oder Asket wäre der Herr wohl keinesfalls gewesen – arrangierte Ehe hin oder her. Immerhin vergnügte sich die Oberschicht damals allgemein auf breiter Front, wenngleich vermutlich zumeist weniger experimentierfreudig, was Teilnehmerzahl, Hilfsmittel sowie Körper-Öffnungen betrifft. Egal, vergessen wir das Marketing. Jedenfalls ist 1740 erfreulicherweise kein platter Ferkelkram-Duft, er ist allenfalls einer von unterschwelligen Trieben. Eher Freud als de Sade.
Global-stilistisch (Dreck plus Wärme; nicht im Sinne eines Duft-Zwillings!) sehe ich 1740 nahe an Ambrarem aus demselbem Hause. Letzterer kam zwar drei Jahre später raus, hat jedoch bei mir den Igel-Vorteil, sprich: Der Igel ist bereits vor Ort, da kann der Hase namens 1740 mit seinen grundsätzlich älteren Rechten rennen, wie er will. Dazu kommt, dass ich Ambrarem profilierter finde und hochdosiertes Patchouli ohnehin nicht allzu gern mag. Aber wenn, dann so! Daher ist 1740 definitiv ein Test-Tipp für jene, die aus Gruftigkeitsgründen mit Patchouli Schwierigkeiten haben.
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