Obacht, drei Groschen Eintritt bitte!
Und ein Schiff mit acht Segeln
Und mit fünfzig Kanonen
Wird liegen am Kai.
Ja, das hier ist der Duft der Seeräuber Jenny & Querelle und allen sympathisch obskuren Landratten noch dazu.
Bitte, sollten hier moralisch bedingte Phobiereflexe und Standesdünkel Ekzeme und Pusteln auslösen, rate ich vor der weiteren Lektüre ab. Notfalls kann ja die Heilsarmee erbauende Lieder für die gepeinigte Seele spielen. Und ein Münchener Edelkaufhaus kann sicher mit teurem Balsam aufwarten. Das hier ist eine andere Geschichte, eine stolze und mit dem Herz am rechten Fleck. Den Mutigen wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
Manchmal spielt das Schicksal einem etwas Glück zu. Unverhofft und trostlos im modrigen Strandgut wühlend, stach plötzlich eine rubinrote Buddel hervor. Trapezförmig und mit einem aparten Deckel in Goldoptik, ersparte der Fund unserem Erzähler den mühsamen Gang zum Kaugummiautomaten mit den ewigen Nieten.
Er ahnte schon, das sollte sein Glückstag werden!
Rasch verzog er sich in seine feucht dunkle Höhle von Pension unweit des Hafens, um den Inhalt dieser Wunderlampe zu kosten.
Wie sollte er den wertvollen Saft gebührend huldigen mit seinen kargen Mitteln?
Wasser und Seife waren zum Glück noch vorhanden, der Schwamm durfte die letzten üblen Reste der gestrigen Rauferei abschrubben.
Noch eine flotte Rasur und eine wiederhergestellte Menschlichkeit vor dem Spiegel und ab ins Abenteuer!
Und hier seine Schilderung.
„Beim Krabbenbrötchen meines Seewolfs, der erste Spritzer schmeißt mich in längst vergangene Zeiten zurück!“
Eine Träne kullerte langsam seine raue Wange runter.
Bergamotte erfrischte wie damals, als er noch ohne großem Gezeter das Sagen im Flunderstübchen hatte. Damals hatte der Laden noch Klasse, hier konnte man tanzen, trinken und lieb haben, alles hatte seine Ordnung!
Beim weiteren Schnuppern am Handgelenk machte er Lavendel, Vetiver und weitere Gewürze aus.
„Also, ich möchte nicht rot anlaufen, aber hoffentlich schreibe ich es richtig, ich habe es nicht so mit fremden Sprachen.
Wie war das mit dem Farn und Zypern? Ihr wißt schon, diese Richtungen in Männerdüften, die mal irgendwie grün und mal irgendwie würzig seifig riechen.
Der Duft hier ist der Knaller, er ist irgendwie beides!
Ja, so eine Art Meeresjungmann, halb Wald, halb Seife.
Hee, wer lacht da in den billigen Plätzen?
Sehr witzig, kannste nicht essen, kannste nicht lieb haben…
Paß bloß auf Du, ich habe mir Deine Visage gemerkt. Wir sprechen uns noch!“
Pardon, gleich geht es weiter.
„Also, ich sag’s mal so. Früher, da kannte ich solche Düfte, so geile Mackerplörren. Die hatten noch Schmackes. Und die Namen waren irgendwie kulturell,
Jazz (1988) Eau de Toilette und
Xeryus Eau de Toilette und so.
Der rote Duft hier ist irgendwie verwandt mit denen, aber etwas ist anders, der ist nicht so ledrig und wuchtig. Da kommt so ne Johannisbeere oder sowas mit rein. So leicht säuerlich.
Als ich gestern dem Zackenbarsch von Ole eine verpaßte, roch es so. Ja, wie blutig und so.
Na ja, ich will ja nicht meckern, das Wässerchen hier hat es in sich. Da kommen noch so erdige und holzige Noten dazu.
Wirkt richtig edel, so stelle ich mir ganz schön teure Läden in Paris vor. Ach, die Stadt der Zwiebelsuppe…
Tschuldigung, ich träume schon wieder.“
Der Duft hält ihn ganz schön auf Trapp, wird nie langweilig. Mal leicht säuerlich und lavendel-bläulich, mal warm holzig.
„Seifig, ja genau, seifig ist er!“
Und dann kommt was ganz Neues an Riechstoff raus, etwas Chemisches.
„Ja, wie soll ich sagen, so frisch holzig. Deswegen haben Zackenbarsch Ole und ich uns gekappelt. Ja, der steht so auf moderne Unterhosen-Fäller!“
Liebe Leser, nehmen sie bitte Rücksicht, unser Erzähler hat es nicht so mit Anglismen.
„Wie soll ich sagen, früher hat man Bäume gefällt, ganz einfach. Danach hat man sich frisch gemacht und, na ja, die halben Einnahmen für Essen und Tanzen ausgegeben, um sich lieb zu haben.
Ja und heute?
Der Ole, der Luschi, sprüht sich so ne chemische Keule und schwups, die Unterhosen fremder Menschen fallen zu Boden!
Habe mir sagen lassen, dass es so ein Stoff ist, so ähnlich wie die Kotze eines Wales. Ganz genau, Wal-Kotze in frisch, holzig und süß. Soll sich Ambra irgendwas nennen, Ambraxa denke ich. Klingt nach Metaxa.“
Plötzlich plagen ihn Gewissensbisse und ein Verlangen nach Versöhnung übermannt ihn.
Vielleicht klappt es ja heute Abend wieder wie in alten Zeiten. Er muß es einfach versuchen!
Zum Glück haben die Motten seinen Kaban in Ruhe gelassen, die raue Tuch-Hose paßt noch.
„Ach, soll ich mal den einen goldenen Ohrring tragen, so ganz auf Pirat?“
Eines muß hier klargestellt werden, ewig hält das rote Segeltuch von Duft nicht. Nachsprühen, ja, Nachsprühen sollte man schon. Und das tut der Erzähler, bevor er sich in Richtung Kneipe aufmacht.
Nervös läutet er dreimal an der Klingel vom Flunderstübchen. Qualvolles Warten bis der Spion sich öffnet und schließt. Ein Passwort muß heute Abend nicht wiederholt werden, er wird als Stammgast erkannt und reingelassen.
Oh je, wie in alten Zeiten, jetzt drehen sich alle um. Schnell seinen Platz in der dunklen Ecke ansteuern.
Und da wartet auch schon der Ole mit einer nicht zu übersehenden Schramme an der Wange.
Böses Anstarren, dann neugieriges Beschnuppern, schließlich ein Gespräch.
Der Duft scheint beide zu versöhnen, ihre Welten werden vereint. Gutes aus der alten, Modisches aus der neuen.
Sie gönnen sich eine ganze Flasche Metaxa wie in alten Zeiten.
Und dann heulen sie sich die Seelen aus den Lungen.
Sie schaffen es, mit dem gesamten Flunderstübchen vereint, die Sehnsucht nach Piräus anzustimmen.
„Ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen
Und meine Sehnsucht stillen, die Sehnsucht mancher Nacht“
Tja, wer sagt es denn, manchmal spült das Meer wahre Schätze an.