14.05.2015 - 14:41 Uhr
Palonera
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Palonera
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50
So sehr anders. So sehr frei.
Irgendwann in den Siebzigern war es gewesen, in ihrer ersten Hälfte, als das Täubchen noch kein Täubchen war und die Welt noch in Ordnung schien.
Dort zumindest, wo ich lebte, damals, als Dreivierkäsehoch.
Eine kleine Stadt im Sauerland, kaum dem Status "Dorf" entwachsen.
Saubere Straßen, saubere Gärten, weiße Westen, wohin man sah.
Väter, die zur Arbeit fuhren, Mütter, die die Fenster putzten, schulberanzte Kinder auf dem ersten Bildungsweg.
Alles sehr geordnet, idyllisch und adrett.
Hippies kannte man vom Hörensagen, gesehen hatte sie noch keiner, und Studentenrevolten – das war eine andere Welt, eine andere Galaxie.
Keine Ahnung, woher sie kam, wer sie war, was sie ausgerechnet hierher geführt hatte.
Eines Tages war sie da, saß in der Küche meiner Mutter, lachte, schwatzte, rauchte.
Sie rauchte!
Das war eine Sensation – keine Frau außer ihr hätte je gewagt, eine Zigarette in die Hand zu nehmen, geschweige denn, sie anzuzünden.
Nicht hier, nicht in jener Zeit.
Doch das kümmerte sie nicht.
Es schien wenig zu geben, das sie störte – das Gerede der Leute tat es nicht.
Sie war anders als alle Frauen, die ich kannte.
Sie trug Tuniken und weiche Wolle, wildlederne Hosen und schweres Silber.
Sie haßte Röcke und liebte Rotwein.
Ihr Schoß war breit und weich und warm, ein Platz für mich dort immer frei.
Ihre Lippen waren rot, ihre Haare lang und schwarz und wild.
Sie roch nach Rauch und nach dem Kaffee meiner Mutter, nach warmer Haut und einer Spur von Schweiß, sauberem Schweiß.
Und nach etwas, für das ich keine Worte fand, damals nicht.
Sonnenwarme, salzigfeuchte Haut, nicht frisch gewaschen, aber sauber.
Ein Rest von Seife irgendwo.
Ein bißchen herb, ein bißchen dunkel – dirty fast ohne jede Spur von Dreck.
Weich und spröde, schmiegsam und kratzig, hocherotisch, sehr autark.
Weiblich, doch kein Weibchen.
Wissend, wirkend, wollend – das Ich auf Augenhöhe mit dem Du.
Instinktiv, intuitiv – ein Raubtier, ungezähmt, doch sanft, mütterlich fast.
Behütend, schützend – geborgen.
Und frei, so sehr frei.
Sie verschwand, wie sie gekommen war.
Eines Tages war sie einfach weg.
Niemand wußte, wo sie war, meine Mutter sprach nicht mehr von ihr.
Aus den Augen, aus dem Sinn.
Doch nicht aus der Nase – Jahre später fand ich ihre Spur in Düften, die sich "Musk Oil" nannten oder ähnlich.
Moschus – hell und dunkel, sauber und schmutzig, Haarspray und Seife.
Doch niemals sie, niemals ihre warme Haut, ihre rauhe Stimme, die Selbstverständlichkeit, mit der sie einfach war.
Vierzig Jahre später: Eine Probe rollt mir in die Hand.
"Original Musk Blend No. 1".
Ein Test wie jeder andere.
Denke ich.
Ich sprühe.
Und plötzlich ist sie wieder da.
Dort zumindest, wo ich lebte, damals, als Dreivierkäsehoch.
Eine kleine Stadt im Sauerland, kaum dem Status "Dorf" entwachsen.
Saubere Straßen, saubere Gärten, weiße Westen, wohin man sah.
Väter, die zur Arbeit fuhren, Mütter, die die Fenster putzten, schulberanzte Kinder auf dem ersten Bildungsweg.
Alles sehr geordnet, idyllisch und adrett.
Hippies kannte man vom Hörensagen, gesehen hatte sie noch keiner, und Studentenrevolten – das war eine andere Welt, eine andere Galaxie.
Keine Ahnung, woher sie kam, wer sie war, was sie ausgerechnet hierher geführt hatte.
Eines Tages war sie da, saß in der Küche meiner Mutter, lachte, schwatzte, rauchte.
Sie rauchte!
Das war eine Sensation – keine Frau außer ihr hätte je gewagt, eine Zigarette in die Hand zu nehmen, geschweige denn, sie anzuzünden.
Nicht hier, nicht in jener Zeit.
Doch das kümmerte sie nicht.
Es schien wenig zu geben, das sie störte – das Gerede der Leute tat es nicht.
Sie war anders als alle Frauen, die ich kannte.
Sie trug Tuniken und weiche Wolle, wildlederne Hosen und schweres Silber.
Sie haßte Röcke und liebte Rotwein.
Ihr Schoß war breit und weich und warm, ein Platz für mich dort immer frei.
Ihre Lippen waren rot, ihre Haare lang und schwarz und wild.
Sie roch nach Rauch und nach dem Kaffee meiner Mutter, nach warmer Haut und einer Spur von Schweiß, sauberem Schweiß.
Und nach etwas, für das ich keine Worte fand, damals nicht.
Sonnenwarme, salzigfeuchte Haut, nicht frisch gewaschen, aber sauber.
Ein Rest von Seife irgendwo.
Ein bißchen herb, ein bißchen dunkel – dirty fast ohne jede Spur von Dreck.
Weich und spröde, schmiegsam und kratzig, hocherotisch, sehr autark.
Weiblich, doch kein Weibchen.
Wissend, wirkend, wollend – das Ich auf Augenhöhe mit dem Du.
Instinktiv, intuitiv – ein Raubtier, ungezähmt, doch sanft, mütterlich fast.
Behütend, schützend – geborgen.
Und frei, so sehr frei.
Sie verschwand, wie sie gekommen war.
Eines Tages war sie einfach weg.
Niemand wußte, wo sie war, meine Mutter sprach nicht mehr von ihr.
Aus den Augen, aus dem Sinn.
Doch nicht aus der Nase – Jahre später fand ich ihre Spur in Düften, die sich "Musk Oil" nannten oder ähnlich.
Moschus – hell und dunkel, sauber und schmutzig, Haarspray und Seife.
Doch niemals sie, niemals ihre warme Haut, ihre rauhe Stimme, die Selbstverständlichkeit, mit der sie einfach war.
Vierzig Jahre später: Eine Probe rollt mir in die Hand.
"Original Musk Blend No. 1".
Ein Test wie jeder andere.
Denke ich.
Ich sprühe.
Und plötzlich ist sie wieder da.
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