Can777
Top Rezension
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Der Schrein
Wie kann ein Parfum wohl duften was ein so hohes Alter hat und einen so geheimnisvollen Namen? Eines kann ich schon mal sagen. Umwerfend! Keinesfalls gekippt oder über die vielen Jahre muffig geworden. Perfekt konserviert für die Ewigkeit. So scheint es! Wenn ich ein Parfum unter der Nase habe,habe ich meist Bilder dazu vor meinem geistigen Auge. Ich will es manchmal überhaupt nicht,aber sie sind nun mal da. Da meine Fantasie grenzenlos ist werde ich Euch mal erzählen was mir Shanghai für Bilder oder Eindrücke beschert. Fangen wir an?!
Shanghai in der tiefsten Nacht. Ich bin in einem der wohl zwielichtigsten Nightclubs von ganz Shanghai. Ich habe etwas zu viel getrunken und bin auf der Suche nach den Waschräumen. In den Tiefen des Lokals gehe ich durch endlose Korridore und stoße Tür um Tür auf. Ich habe mich verlaufen,..hoffnungslos! Ich stoße wieder eine Tür auf und sehe vor mir wieder einen Korridor. Aber dieser ist so völlig ander! Die Wände sind in dunkelsten Holz vertäfelt und mit roten Seidenlampions an den Wänden gesäumt. Die Fenster auf den Korridor sind geöffnet und der Wind lässt die kostbaren Vorhänge die mit goldenen Drachen bestickt sind sanft flattern. Die Luft die herein geweht wird ist nicht wirklich frisch. Wie ein kurzer Hauch Aldehyde schlägt sie mir ins Gesicht. Sie ist angereichert mit den Duft der Orangen und des Neroli der da draußen zu wachsen scheint. Aber auch etwas gewürzartig und schwer wie von Muskatellersalbei und Koriander. Im Wechselspiel aus Schatten und Licht kommt eine sehr attraktive Chinesin am anderen Ende des Korridors auf mich zu. Sie hat ein rot-violettes Kimonokleid an und trägt ein silbernes Tablet auf der eine Kristallkaraffe und zwei Kristallgläser zu erkennen sind. Sie geht emotionslos an mir vorbei als wäre ich für sie unsichtbar. Während sie an mir vorbei schreitet kann ich den Pflaumenlikör in der Karaffe riechen der sich mit ihrem Parfum aus pudrig-schwerer Tuberose,würzigen Zimt und Gewürznelke vermischt. Dann öffne ich die letzte Tür am Ende und stehe in einer Art noblen Arbeitszimmer.
Das Arbeitszimmer ist voller sehr alter und antiker chinesischer Antiquitäten. Es ist schummrig beleuchtet und die Fenster stehen alle offen. Am Ende des Zimmers steht ein reich verzierter und sehr kostbarer Gebetsschrein. Eine Gebetstafel in der Mitte und einige Pergamentrollen mit alten Bändern umwickelt darauf. Links und rechts davon stehen zwei goldene,altertümliche,chinesische Drachenstatuen. Aus Ihren Nüster und geöffneten Mäulern raucht süßlich-harziger Weihrauch. Fast wie würzig,bitter-süßer Opiumrauch. Der Raum ist erfüllt davon. Des Weiteren stehen stark bemooste und alte Blumentöpfe auf dem Schrein. Aus ihnen wachsen prunkvolle schwarze Orchideen. Aber irgendetwas stimmte nicht damit! Sie scheinen sich zu bewegen und scheinen gar nicht schwarz zu sein,sondern eigentlich weiß. Schmetterlinge! Es sind duzende schwarzer Schmetterling die sich am Nektar nähren und durch mein näheres herantreten in die Lüfte erheben. Sie flattern im Zimmer umher wie ledrig-zarte und matt-schwarze Orchideenblätter und verteilten den Nektar gleichen vanilligen Benzoeduft der weißen Orchideen zusätzlich im Raum. Bis sie neue Plätze zum Ruhen an den Wänden und dem umliegenden Inventar finden um mit einem sanften und letzten Flügelschlag wieder zu erstarren. Im nächsten Augenblick springt ein schwarzer,großer Kater urplötzlich auf den antiken Sekretär und fauchte mich mit einer nicht sehr freundlichen Geste an. Es klingt wie eine Warnung. Ich sollte jetzt lieber gehen!
Fazit
Shanghai hieß wohl ursprünglich Coeur de Paris und erblickte schon 1911 das Licht der Welt. Es wurde Anfang der 30er Jahre umbenannt in Shanghai. Die Daten sind da etwas ungenau diesbezüglich. Hätte es wirklich das Herz von Paris interpretieren sollen,dann wäre es wahrscheinlich das Moulin Rouge gewesen. Es ist tief,mysteriös und sehr geheimnisvoll. Daher passt der Name Shanghai fast noch besser dazu. Und wer immer es entworfen hatte,hatte Ahnung von seinen Handwerk. Shanghai ist ein sehr sinnlich-warmes und facettenreiches Parfum und erinnert mich sehr an namhafte Parfums wie Opium,Shalimar oder L‘Origan. Es ist eines dieser typischen Pelz-Parfums die so üppig waren das man sie selbst durch den dichtesten Pelz noch wahrnehmen konnte. Es hat vielleicht an seiner damaligen Intensität etwas verloren über die Jahrzehnte,aber es ist noch immer sehr kräftig und hat keineswegs etwas von seiner mystisch-mysteriösen Wirkung und Aura eingebüßt. Beachtlich! Er entspricht für mich einen orientalischen Chypre. Würzig und rauchig-süß gehalten. Es ist für mich das ideale Parfum für einen alten Film-Noir der im tiefsten,dunkelsten Shanghai spielt und das Parfum oder den Duft der ominösen und geheimnisvollen „Drachen-Lady“ interpretiert. Das Parfum ist sozusagen „filmreif“! Es gibt Shanghai übrigens immer noch wenn man sucht. Es ist gar nicht mal so kostspielig wie man vielleicht denken würde. In Amerika hat man da die besten Chancen einen schönen alten Flakon zu finden. Und wer weiß,..vielleicht in Shanghai auch!...;)