13.03.2020 - 11:37 Uhr
Eisbaer
9 Rezensionen
Eisbaer
5
"Michigan's in the rear view now..."
Im Jahr 2014 begann sie - meine große Reise in das Land der Nischendüfte. Damals noch Student im Bibliothekarswesen (nicht arm, aber sehr viel ärmer als heute) und ohne wirklich nennenswerte Kenntnisse, was Düfte angeht. Von der Fähigkeit, einzelne Duftkomponenten auszumachen, ganz zu schweigen. Nein, damals zählte im Bereich Parfum eigentlich nur eines: meine Neugier. Wenn mich ein Flakon in Hinsicht auf sein Äußeres interessierte, ließ ich mir eine Abfüllung erstellen - völlig unabhängig von den beinhalteten Komponenten und Duftrichtungen. Dies führte natürlich dazu, dass ein beachtlicher Teil getesteter Düfte nicht wieder auf meiner Wunschliste landete. Nicht dass sie schlecht gerochen hätten - Gott bewahre - aber sie haben mich einfach leider nur höchst selten abholen können, gerade im Vergleich zu sehr bekannten Designerduft-Klassikern wie etwa das "Dior Homme", das ich damals liebte und heute noch liebe.
Ein Exemplar stach dann aber von Anfang an aus der Masse heraus: Mark Birleys "Charles Street". Ein im wahrsten Sinne des Wortes ruhiges Eau de Parfum. Aber für mein damaliges (und teilweise noch heutiges) Empfinden einfach unglaublich elegant, hochklassig, erwachsen, edel... und wohltuend. Und selbst zu dieser Zeit war ein 125ml-Flakon für mich glücklicherweise sogar erschwinglich. Teuer war er so weit ich weiß nie. Und selbst heute, da es ihn eigentlich nicht mehr gibt, werden Restbestände für kleines Geld noch vereinzelt angeboten. Zu unbekannt war der Duft damals und ist er noch heute. Womöglich liegt es daran, dass seine Komposition im Grunde nicht bahnbrechend war - so gibt es von Tom Ford und von Parfums de Marly ganz ähnliche Parfums, die sich am Markt allerdings bis heute behaupten können. Ich glaube, der "Tuscan Leather" von Tom Ford dürfte der Ursprungsduft sein. Nun denn, ich bin ein alter Vertreter der "Charles Street"-Fraktion, weil mir dann doch der Flakon mit Abstand am besten gefällt, und natürlich nicht zuletzt, da mein Herz mit "Charles Street" sehr schöne Erinnerungen verbindet.
Der Duft ist eine lupenreine Mischung aus Leder, Himbeere und Kaffee. Eine große Entwicklung macht er eigentlich nicht durch, aber wie gesagt: Er ist im Allgemeinen auch eher ein leiser Zeitgenosse. Er strahlt nur am Anfang erkennbar aus und wird nach nur wenigen Stunden bereits absolut hautnah. Auf der Kleidung hält er freilich sehr viel länger, wie wohl jedes Parfum. Ein schüchterner Mark Birley. Da ich Düfte größtenteils für mich alleine trage, stört mich das nicht sonderlich. Viele mögen ja sogar diese gewisse "Bürotauglichkeit" und Zurückhaltung. Und als ein doch eher schüchterner Mensch würde ich ohnehin eher etwas leisere Düfte bevorzugen, sowohl in der Freizeit als auch etwa zum Ausgehen in Anzug und Krawatte. Meiner Meinung nach ist der "Charles Street" nichts für den Sommer und will auch nicht so recht zu T-Shirt und Caprihose passen - allerdings ist das natürlich Geschmacksache und jeder soll seinen Duft so tragen, dass sie oder er sich damit wohlfühlt.
An dieser Stelle eine kleine Frage an die Community: Kennt Ihr das, wenn ein Duft in Euch sofort Assoziationen an einen bestimmten Ort weckt? Ich muss beim Riechen von "Charles Street" merkwürdiger immer wieder an London denken. Ich sehe einen Mann von Mitte 40 mit Vollbart vor mir, die Haare an der Seite mit leichtem grauen Schatten. Er trägt einen Mantel und einen Burberry-Schal sowie eine Schiebermütze. In sich gekehrt steht dieser Gentleman in den frühen Abendstunden auf der Westminster Bridge, lehnt an einem Geländer und schaut zum Elizabeth Tower hinüber. Gerade schlägt Big Ben mit seinem charakteristischen Klang und kündigt die volle Stunde an. Der Mann lauscht den Glockenklängen. Und er trägt Mark Birleys "Charles Street". Ich teile diese Assoziation deswegen mit Euch, weil ich diese faszinierende Eigenschaft schon des Öfteren an diversen Düften beobachten konnte: Diese Fähigkeit, sofortiges Kopfkino in Bezug auf konkrete Orte zu verursachen. Nun ist London auch noch eine Stadt, die ich sehr mag. Leider ist es inzwischen viel zu lange her, dass ich sie besucht habe. (Nachtrag: Ok, dass tatsächlich die Londoner Charles Street damals als Namensgeber des Duftes fungiert hat, war mir vorher nicht bekannt. Einfach nur klasse, was man auch durch Parfumo lernt!)
Was nun mich persönlich angeht: Mark Birleys "Charles Street" war und ist ein Duft, den ich seit 2014 sehr gerne bevorzugt in den Wintermonaten trage. Die würzige Lederkomponente gefällt mir ganz besonders gut, sie harmoniert hervorragend mit der Himbeere und tritt nach etwa einer Stunde etwas stärker in den Vordergrund. Der Kaffee bleibt eher verhalten, ist jedoch unterschwellig wahrnehmbar und rundet die Komposition wunderbar ab (womöglich hätte er sonst auch etwas zu viel Bitterkeit in das Gesamtkonzept gebracht). Ganz besonders gerne trug ich das Parfum zur Zeit während meines Studiums, wenn ich zu Fuß unterwegs war. Früh morgens auf dem Weg zur Universität, wenn es noch dunkel war und der kalte Wind mir um den Mantel blies, vergrub ich mein Gesicht ganz tief in meinen Schal und atmete "Charles Street", während ich andächtig den Milk Carton Kids auf meinem Musikplayer lauschte. Auch bei den regelmäßigen abendlichen Spaziergängen war, und ist bis heute, "Charles Street" ein sehr treuer Begleiter von mir.
Ein kleiner Kritikpunkt zum Schluss: Der Flakon ist in seiner geschmackvollen Schlichtheit und unlauten Farbgebung zweifellos einer der schönsten, die ich in meiner Sammlung habe. Leider ist er durch seine Würfelform relativ gewaltig und liegt etwas wuchtig in der Hand. Dies könnte aber auch an der Füllmenge von 125ml liegen. Es gibt bzw. gab ihn noch in der Traveller's Edition mit 75ml Füllvolumen. Die greifen sich mit Sicherheit besser, sind jedoch leider nicht annähernd so schön wie der Glasflakon. Weiterhin ist das Pumpsystem nicht ganz optimal, da zum einen ein wenig geizig und zum anderen leider des Öfteren leck. Ich werde mir aufgrund der eingestellten Produktion demnächst noch ein paar Traveller-Flakons sichern und gerne noch nachtragen, ob diese sich besser sprühen lassen.
Im Großen und ganzen bleibt "Charles Street" ein fester Bestandteil meiner Sammlung und ist für mich ein sehr wichtiger Weggefährte geworden. Im Spätsommer 2019 verstarb mein geliebter Großvater und hinterließ mir seinen Ledermantel. Ich fühle mich stets sehr gewärmt und auch ein wenig getröstet, wenn ich mir nach einer ausgiebigen heißen Dusche einen bequemen Pullover anziehe, den Ledermantel darüber trage und mich, nach ein paar Sprühern "Charles Street", vor die Tür begebe und der Welt dort draußen begegne. Ich liebe es, wenn es Düfte schaffen, mir in gewissem Maße einen Ruhepol zu geben und mir das Gefühl von Sicherheit und Zuversicht zu schenken. Nach solchen Exemplaren bin ich stets auf der Suche. Mit "Charles Street" hat Mark Birley quasi meinen ersten "erwachsenen" Duft kreiert. Dafür bin ich dankbar.
Wenn "Mark Birley Charles Street" Musik wäre:
"Michigan" von The Milk Carton Kids
"Love Of Mine" von Nickel Creek
"Great Lakes" von John Smith
Ein Exemplar stach dann aber von Anfang an aus der Masse heraus: Mark Birleys "Charles Street". Ein im wahrsten Sinne des Wortes ruhiges Eau de Parfum. Aber für mein damaliges (und teilweise noch heutiges) Empfinden einfach unglaublich elegant, hochklassig, erwachsen, edel... und wohltuend. Und selbst zu dieser Zeit war ein 125ml-Flakon für mich glücklicherweise sogar erschwinglich. Teuer war er so weit ich weiß nie. Und selbst heute, da es ihn eigentlich nicht mehr gibt, werden Restbestände für kleines Geld noch vereinzelt angeboten. Zu unbekannt war der Duft damals und ist er noch heute. Womöglich liegt es daran, dass seine Komposition im Grunde nicht bahnbrechend war - so gibt es von Tom Ford und von Parfums de Marly ganz ähnliche Parfums, die sich am Markt allerdings bis heute behaupten können. Ich glaube, der "Tuscan Leather" von Tom Ford dürfte der Ursprungsduft sein. Nun denn, ich bin ein alter Vertreter der "Charles Street"-Fraktion, weil mir dann doch der Flakon mit Abstand am besten gefällt, und natürlich nicht zuletzt, da mein Herz mit "Charles Street" sehr schöne Erinnerungen verbindet.
Der Duft ist eine lupenreine Mischung aus Leder, Himbeere und Kaffee. Eine große Entwicklung macht er eigentlich nicht durch, aber wie gesagt: Er ist im Allgemeinen auch eher ein leiser Zeitgenosse. Er strahlt nur am Anfang erkennbar aus und wird nach nur wenigen Stunden bereits absolut hautnah. Auf der Kleidung hält er freilich sehr viel länger, wie wohl jedes Parfum. Ein schüchterner Mark Birley. Da ich Düfte größtenteils für mich alleine trage, stört mich das nicht sonderlich. Viele mögen ja sogar diese gewisse "Bürotauglichkeit" und Zurückhaltung. Und als ein doch eher schüchterner Mensch würde ich ohnehin eher etwas leisere Düfte bevorzugen, sowohl in der Freizeit als auch etwa zum Ausgehen in Anzug und Krawatte. Meiner Meinung nach ist der "Charles Street" nichts für den Sommer und will auch nicht so recht zu T-Shirt und Caprihose passen - allerdings ist das natürlich Geschmacksache und jeder soll seinen Duft so tragen, dass sie oder er sich damit wohlfühlt.
An dieser Stelle eine kleine Frage an die Community: Kennt Ihr das, wenn ein Duft in Euch sofort Assoziationen an einen bestimmten Ort weckt? Ich muss beim Riechen von "Charles Street" merkwürdiger immer wieder an London denken. Ich sehe einen Mann von Mitte 40 mit Vollbart vor mir, die Haare an der Seite mit leichtem grauen Schatten. Er trägt einen Mantel und einen Burberry-Schal sowie eine Schiebermütze. In sich gekehrt steht dieser Gentleman in den frühen Abendstunden auf der Westminster Bridge, lehnt an einem Geländer und schaut zum Elizabeth Tower hinüber. Gerade schlägt Big Ben mit seinem charakteristischen Klang und kündigt die volle Stunde an. Der Mann lauscht den Glockenklängen. Und er trägt Mark Birleys "Charles Street". Ich teile diese Assoziation deswegen mit Euch, weil ich diese faszinierende Eigenschaft schon des Öfteren an diversen Düften beobachten konnte: Diese Fähigkeit, sofortiges Kopfkino in Bezug auf konkrete Orte zu verursachen. Nun ist London auch noch eine Stadt, die ich sehr mag. Leider ist es inzwischen viel zu lange her, dass ich sie besucht habe. (Nachtrag: Ok, dass tatsächlich die Londoner Charles Street damals als Namensgeber des Duftes fungiert hat, war mir vorher nicht bekannt. Einfach nur klasse, was man auch durch Parfumo lernt!)
Was nun mich persönlich angeht: Mark Birleys "Charles Street" war und ist ein Duft, den ich seit 2014 sehr gerne bevorzugt in den Wintermonaten trage. Die würzige Lederkomponente gefällt mir ganz besonders gut, sie harmoniert hervorragend mit der Himbeere und tritt nach etwa einer Stunde etwas stärker in den Vordergrund. Der Kaffee bleibt eher verhalten, ist jedoch unterschwellig wahrnehmbar und rundet die Komposition wunderbar ab (womöglich hätte er sonst auch etwas zu viel Bitterkeit in das Gesamtkonzept gebracht). Ganz besonders gerne trug ich das Parfum zur Zeit während meines Studiums, wenn ich zu Fuß unterwegs war. Früh morgens auf dem Weg zur Universität, wenn es noch dunkel war und der kalte Wind mir um den Mantel blies, vergrub ich mein Gesicht ganz tief in meinen Schal und atmete "Charles Street", während ich andächtig den Milk Carton Kids auf meinem Musikplayer lauschte. Auch bei den regelmäßigen abendlichen Spaziergängen war, und ist bis heute, "Charles Street" ein sehr treuer Begleiter von mir.
Ein kleiner Kritikpunkt zum Schluss: Der Flakon ist in seiner geschmackvollen Schlichtheit und unlauten Farbgebung zweifellos einer der schönsten, die ich in meiner Sammlung habe. Leider ist er durch seine Würfelform relativ gewaltig und liegt etwas wuchtig in der Hand. Dies könnte aber auch an der Füllmenge von 125ml liegen. Es gibt bzw. gab ihn noch in der Traveller's Edition mit 75ml Füllvolumen. Die greifen sich mit Sicherheit besser, sind jedoch leider nicht annähernd so schön wie der Glasflakon. Weiterhin ist das Pumpsystem nicht ganz optimal, da zum einen ein wenig geizig und zum anderen leider des Öfteren leck. Ich werde mir aufgrund der eingestellten Produktion demnächst noch ein paar Traveller-Flakons sichern und gerne noch nachtragen, ob diese sich besser sprühen lassen.
Im Großen und ganzen bleibt "Charles Street" ein fester Bestandteil meiner Sammlung und ist für mich ein sehr wichtiger Weggefährte geworden. Im Spätsommer 2019 verstarb mein geliebter Großvater und hinterließ mir seinen Ledermantel. Ich fühle mich stets sehr gewärmt und auch ein wenig getröstet, wenn ich mir nach einer ausgiebigen heißen Dusche einen bequemen Pullover anziehe, den Ledermantel darüber trage und mich, nach ein paar Sprühern "Charles Street", vor die Tür begebe und der Welt dort draußen begegne. Ich liebe es, wenn es Düfte schaffen, mir in gewissem Maße einen Ruhepol zu geben und mir das Gefühl von Sicherheit und Zuversicht zu schenken. Nach solchen Exemplaren bin ich stets auf der Suche. Mit "Charles Street" hat Mark Birley quasi meinen ersten "erwachsenen" Duft kreiert. Dafür bin ich dankbar.
Wenn "Mark Birley Charles Street" Musik wäre:
"Michigan" von The Milk Carton Kids
"Love Of Mine" von Nickel Creek
"Great Lakes" von John Smith
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