10.11.2015 - 13:58 Uhr
loewenherz
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loewenherz
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Die Seele der Deutschen
Mit Faszination (und einer gewissen Verwunderung, das gebe ich zu) habe ich seit seinem Launch den Hype verfolgt um diesen Duft, der den Geruch einer hundert Jahre alten Hautcreme imitiert, und mich gefragt, woher dieses Interesse kommen mag an einem - Pardon! - Drogerieparfum, wenn auch einem geschickt künstlich verknappten. Und dann habe ich ihn gerochen. Und ich habe mich erinnert.
Stellte man den Archetypen etwa eines Franzosen, Italieners, Engländers und eines Deutschen (bzw. deren jeweilige weibliche Entsprechung) nebeneinander, fiele den meisten spontan ein, dass der Franzose vielleicht nach Eau Sauvage duften würde oder nach Habit Rouge (bzw. die Französin nach Chanel Nº 5), und der Italiener nach Acqua di Parma. Der Engländer wiederum duftete nach Blenheim Bouquet, die Engländerin nach Lily of the Valley.
Der Deutsche hätte keinen Duft.
Nun ist es bei weitem nicht so, dass es hierzulande nicht auch schöne und sehr gute Parfums gibt - manche davon schon lange überaus erfolgreich. Doch fehlt uns wohl so etwas wie eine eigene dufthistorische DNA - etwas, mit dem jeder den Duft von 'etwas Deutschem' assoziiert - etwas, das hierzulande in jedermanns (und jederfraus) Leben einmal eine - und sei es eine kleine - Rolle spielte. Der Duft von Nivea, der weißen Fettcreme in der blauen Dose mit der weißen Schrift - und nichts anderes ist dieses Eau de Toilette - ist diese kollektive Dufterinnerung, die olfaktorische Seele der Deutschen, wenn man denn so will.
Ein sanfter Stupser auf die Nase mit einem weißen Klecks Nivea auf der Fingerspitze - im Hausflur, noch im Mantel, und die Lippen sind ganz rau vom Winter draußen. Eingecremt werden im Badezimmer und schnell ins Wohnzimmer zum Sandmännchen vor den Fernseher rennen - obwohl die Creme bei weitem noch nicht eingezogen ist. Ein tröstlich kühler und zartweißer Hauch auf braungebrannten Kinderschultern, gleich hinter dem Deich am Nordseestrand, die Julisonne hoch über dem Horizont. Ein dicker Ring Nivea rund um den Haaransatz beim ersten, ungelenken Haarefärben mit der besten Freundin (Wildpflaume!) - und hinterher trotzdem alles voller Flecken. Es sind gleichsam alltägliche wie intime Erinnerungen wie diese - wehmütig und voll Zärtlichkeit wie die Berührung einer Mutterhand - die dieser Duft auszulösen in der Lage ist - Erinnerungen an eine versunkene, bessere Welt, die verschüttet scheint unter all dem, was uns bekümmert und betrübt.
Fazit: er kann nicht in einer Reihe stehen mit Blenheim Bouquet oder Chanel Nº 5, muss und soll er auch nicht. Er ist Erinnerung und Zärtlichkeit und das kollektive Duftgedächtnis von uns allen. Und das ist mehr als viele andere - möglicherweise bessere - Düfte können.
Stellte man den Archetypen etwa eines Franzosen, Italieners, Engländers und eines Deutschen (bzw. deren jeweilige weibliche Entsprechung) nebeneinander, fiele den meisten spontan ein, dass der Franzose vielleicht nach Eau Sauvage duften würde oder nach Habit Rouge (bzw. die Französin nach Chanel Nº 5), und der Italiener nach Acqua di Parma. Der Engländer wiederum duftete nach Blenheim Bouquet, die Engländerin nach Lily of the Valley.
Der Deutsche hätte keinen Duft.
Nun ist es bei weitem nicht so, dass es hierzulande nicht auch schöne und sehr gute Parfums gibt - manche davon schon lange überaus erfolgreich. Doch fehlt uns wohl so etwas wie eine eigene dufthistorische DNA - etwas, mit dem jeder den Duft von 'etwas Deutschem' assoziiert - etwas, das hierzulande in jedermanns (und jederfraus) Leben einmal eine - und sei es eine kleine - Rolle spielte. Der Duft von Nivea, der weißen Fettcreme in der blauen Dose mit der weißen Schrift - und nichts anderes ist dieses Eau de Toilette - ist diese kollektive Dufterinnerung, die olfaktorische Seele der Deutschen, wenn man denn so will.
Ein sanfter Stupser auf die Nase mit einem weißen Klecks Nivea auf der Fingerspitze - im Hausflur, noch im Mantel, und die Lippen sind ganz rau vom Winter draußen. Eingecremt werden im Badezimmer und schnell ins Wohnzimmer zum Sandmännchen vor den Fernseher rennen - obwohl die Creme bei weitem noch nicht eingezogen ist. Ein tröstlich kühler und zartweißer Hauch auf braungebrannten Kinderschultern, gleich hinter dem Deich am Nordseestrand, die Julisonne hoch über dem Horizont. Ein dicker Ring Nivea rund um den Haaransatz beim ersten, ungelenken Haarefärben mit der besten Freundin (Wildpflaume!) - und hinterher trotzdem alles voller Flecken. Es sind gleichsam alltägliche wie intime Erinnerungen wie diese - wehmütig und voll Zärtlichkeit wie die Berührung einer Mutterhand - die dieser Duft auszulösen in der Lage ist - Erinnerungen an eine versunkene, bessere Welt, die verschüttet scheint unter all dem, was uns bekümmert und betrübt.
Fazit: er kann nicht in einer Reihe stehen mit Blenheim Bouquet oder Chanel Nº 5, muss und soll er auch nicht. Er ist Erinnerung und Zärtlichkeit und das kollektive Duftgedächtnis von uns allen. Und das ist mehr als viele andere - möglicherweise bessere - Düfte können.
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