03.11.2019 - 14:40 Uhr
Meggi
1019 Rezensionen
Meggi
Top Rezension
39
Kommissar Olfattke nimmt eine Auszeit
Letztes Kapitel – Vielerlei Staunen
Kommissar Olfattke kam aus dem Staunen heute nicht heraus.
Da war zum einen die Tatsache, dass ihn der Gedanke an seine morgige Abreise missmutig stimmte. Noch vor drei Tagen hatte er den Moment herbeigesehnt, an dem sein alberner Zwangsurlaub endlich enden würde.
Zum anderen nahm er just an einer Art Busreise teil. Sie hatte nach Gut Emkendorf geführt, zu einem der Musikfeste auf dem Lande, die jeden Sommer im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals stattfanden. Und bei aller Hauptstädter-Arroganz hatte er sich eingestehen müssen, dass Berlin ein solches Erlebnis nicht bot. Bemerkenswerter war allerdings gewesen, dass er, der bisher die Teilnehmer an diesen Touren als kollektiven Alzheimer-Selbstversuch geschmäht hatte, beschämt hatte feststellen müssen, dass das Gros der übrigen Fahrgäste kaum älter war als er selbst. Dafür wesentlich netter.
Drittens erstaunte ihn sein Tagesduft. Wie jetzt – di Sale? Bereits der Auftakt war nach kurzem Salz-Huschen vor allem krautig-würzig-grün gewesen, mit ordentlich ätherischen Ölen dabei. Eine anschwellende, zuckrige Süße, die ihn diffus an Tannennadeln erinnerte und knapp am Tannenhonig vorbeischrammte, passte auch nicht ins Bild. Man musste schon ziemlich genau hinriechen, um eine ferne maritime Aura zu erspüren. Und die Ebbe dauerte an. Während des Vormittags war die Süße einer balsamischeren, cremigeren, leicht bitteren Anmutung gewichen, die schließlich in mildem Holz mündete. Und ehe jenes problematischen Muff hätte entwickeln können, schwand der Duft – ebenso klugerweise wie untypisch für den Hersteller – im Laufe des Nachmittags und hinterließ nach hinten raus lediglich einen brackig-rauen Hauch. Welches Meer hiermit auch immer gemeint sein mochte, die nahe Ostsee war es jedenfalls nicht.
Viertens hatte ihm das gestrige Erlebnis eines harmlosen Mini-Kriminalfalls verdeutlicht, dass er keineswegs derart abgestumpft war, wie er gedacht hatte. Es hatte sich erstaunlich viel besser angefühlt, an einem Tatort mal keinen Massakrierten vorzufinden, sondern bloß einen schlichten Fall von Vandalismus aufzuklären. Womöglich war er mit den Jahren im Innersten dünnhäutiger statt dickfelliger geworden. Er würde darüber nachdenken.
Doch das mit Abstand Verblüffendste war der kleine Zettel in seinem Portemonnaie, auf den in eifrig-unbeholfener Kinderschrift zwei Namen und eine Adresse gekrakelt worden waren. Er, ausgerechnet er, ein zynischer Miesepeter, der um Kinder stets einen Bogen gemacht hatte, war sozusagen zwangsweise zum Brieffreund zweier Grundschüler verpflichtet worden. Mit jenem aufrichtig besorgten Mitgefühl, wie es allein Kinder den Alten gegenüber empfinden können, hatten die beiden ihm beruhigend versichert, es mache gar nichts, dass er kein WhatsApp und so habe, er dürfe auch einen Brief schreiben.
Sein neuerliches Schmunzeln über diese Rücksichtnahme ließ in ihm die Erkenntnis reifen, dass er sein Verhältnis zu Kindern dringend ganz allgemein durchdenken musste. Daran üben konnte er ja vielleicht mit… Martin? Marvin? Marius? Wie hieß der Junge noch? Verdammt, er wusste nicht einmal mehr, wie sein Großneffe hieß. Obwohl seine Schwester ihm erst vor drei Wochen von ihrem frisch geschlüpften Enkel vorgeschwärmt hatte. Und er hatte kaum richtig zugehört.
Gleich morgen Abend würde er sie anrufen.
------------------------
Die übrigen Kapitel:
1. Comptoir Sud Pacifique, Aqua Motu
2. Zoologist, Bat
Kommissar Olfattke kam aus dem Staunen heute nicht heraus.
Da war zum einen die Tatsache, dass ihn der Gedanke an seine morgige Abreise missmutig stimmte. Noch vor drei Tagen hatte er den Moment herbeigesehnt, an dem sein alberner Zwangsurlaub endlich enden würde.
Zum anderen nahm er just an einer Art Busreise teil. Sie hatte nach Gut Emkendorf geführt, zu einem der Musikfeste auf dem Lande, die jeden Sommer im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals stattfanden. Und bei aller Hauptstädter-Arroganz hatte er sich eingestehen müssen, dass Berlin ein solches Erlebnis nicht bot. Bemerkenswerter war allerdings gewesen, dass er, der bisher die Teilnehmer an diesen Touren als kollektiven Alzheimer-Selbstversuch geschmäht hatte, beschämt hatte feststellen müssen, dass das Gros der übrigen Fahrgäste kaum älter war als er selbst. Dafür wesentlich netter.
Drittens erstaunte ihn sein Tagesduft. Wie jetzt – di Sale? Bereits der Auftakt war nach kurzem Salz-Huschen vor allem krautig-würzig-grün gewesen, mit ordentlich ätherischen Ölen dabei. Eine anschwellende, zuckrige Süße, die ihn diffus an Tannennadeln erinnerte und knapp am Tannenhonig vorbeischrammte, passte auch nicht ins Bild. Man musste schon ziemlich genau hinriechen, um eine ferne maritime Aura zu erspüren. Und die Ebbe dauerte an. Während des Vormittags war die Süße einer balsamischeren, cremigeren, leicht bitteren Anmutung gewichen, die schließlich in mildem Holz mündete. Und ehe jenes problematischen Muff hätte entwickeln können, schwand der Duft – ebenso klugerweise wie untypisch für den Hersteller – im Laufe des Nachmittags und hinterließ nach hinten raus lediglich einen brackig-rauen Hauch. Welches Meer hiermit auch immer gemeint sein mochte, die nahe Ostsee war es jedenfalls nicht.
Viertens hatte ihm das gestrige Erlebnis eines harmlosen Mini-Kriminalfalls verdeutlicht, dass er keineswegs derart abgestumpft war, wie er gedacht hatte. Es hatte sich erstaunlich viel besser angefühlt, an einem Tatort mal keinen Massakrierten vorzufinden, sondern bloß einen schlichten Fall von Vandalismus aufzuklären. Womöglich war er mit den Jahren im Innersten dünnhäutiger statt dickfelliger geworden. Er würde darüber nachdenken.
Doch das mit Abstand Verblüffendste war der kleine Zettel in seinem Portemonnaie, auf den in eifrig-unbeholfener Kinderschrift zwei Namen und eine Adresse gekrakelt worden waren. Er, ausgerechnet er, ein zynischer Miesepeter, der um Kinder stets einen Bogen gemacht hatte, war sozusagen zwangsweise zum Brieffreund zweier Grundschüler verpflichtet worden. Mit jenem aufrichtig besorgten Mitgefühl, wie es allein Kinder den Alten gegenüber empfinden können, hatten die beiden ihm beruhigend versichert, es mache gar nichts, dass er kein WhatsApp und so habe, er dürfe auch einen Brief schreiben.
Sein neuerliches Schmunzeln über diese Rücksichtnahme ließ in ihm die Erkenntnis reifen, dass er sein Verhältnis zu Kindern dringend ganz allgemein durchdenken musste. Daran üben konnte er ja vielleicht mit… Martin? Marvin? Marius? Wie hieß der Junge noch? Verdammt, er wusste nicht einmal mehr, wie sein Großneffe hieß. Obwohl seine Schwester ihm erst vor drei Wochen von ihrem frisch geschlüpften Enkel vorgeschwärmt hatte. Und er hatte kaum richtig zugehört.
Gleich morgen Abend würde er sie anrufen.
------------------------
Die übrigen Kapitel:
1. Comptoir Sud Pacifique, Aqua Motu
2. Zoologist, Bat
30 Antworten