Candila
Top Rezension
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Warschauer Süßwasserzuchtperle
Die tragende Säule in „Warszawa“ bildet für mich eine opulente, satt gelbe Blütencreme, die mir den Eindruck vermittelt, als würde ich meine Nase in einen wohlduftenden Blumenstrauß aus sonnengewärmten gelben Blüten drücken, mit einer aromatischen Süße und leichten Pudrigkeit, die dem Duft eine Anmutung von Blüten plus samtigen Blütenpollen verleiht.
Schmelzende, süße Irisbutter, Ginster und viel warmer, sonnensatter Jasmin erzeugen einen Cremetraum der Extraklasse.
Die Textur der opulenten Gelbblütigkeit erinnert mich an ähnlich süß-schmelzige Cremedüfte, wie „Ylang Ylang Nosy Be“ von Perris Monte Carlo, oder auch Isabey „Gardenia“ (der für mich mehr nach Jasmin als Gardenie riecht). Allerdings fühlt sich der Duft nicht exotisch oder tropisch an; ich merke nichts von Sonnenmilch oder Kokos und ähnlichem. Ich denke, es liegt am Ginster, der mich in heimische Gärten zurück transportiert. Dieser duftet nicht nur sonnengelb und süß, als ob ein Touch Honig aus ihm leuchtete, er bringt auch etwas rassige, leicht herbe und grün-pflanzliche Untertöne in die Komposition.
Über diesen Gelbblütentraum wurde ein hauchzartes, hellgrünes Seidentuch gelegt. Galbanharz webt smaragdgrün schimmernde Duftfäden durch den Duft und sorgt damit für einen Hauch von Frische und einen „sauberen“ Parfümcharakter inmitten all der süßen Cremigkeit.
Begleitet wird es von sanft würzigem Patchouli und balsamisch weichem, ebenfalls leicht würzigem und für meine Nase minimal rauchigem Styrax-Harz, was den Duft samtiger bzw. pudriger macht und ihn leicht aufwirbelt. „Warszawa“ empfinde ich daher trotz seiner unbestritten dichten Süße und cremigen „Schwere“ als nicht bedrängend. Der Duft pappt nicht wie Beton auf der Haut, sondern „atmet“ mit leicht pudriger, warmer Würzigkeit.
Veilchenblatt, Grapefruit und Vetiver merke ich nicht extra, bin mir aber sicher, dass auch sie ihren Teil zur dezent grünlichen Frische beitragen, die den mollig warmgelben Cremeduft aus dem Hintergrund stetig begleitet, ihn „durchlüftet“ und wohl davon abhält, zu allzu süßer oder gar schwülstiger Buttercreme zu werden.
So empfinde ich „Warszawa“ als Mittelding zwischen einem galbanlastigen Chypre und einem cremig-gelbblütigen Jasminduft (an mir dominiert die Jasminwärme, vor allem in den letzten Stunden).
Dominant ist für meine Nase durchgehend das satte Cremegelb, durch die mild-grünen Duftfäden schimmert der Duft aber wie eine Perle mit hellgrünem Lüster oder, andere Metapher: eine smaragdgrün schillernde Murmel, die in dichte, sattgelbe Creme gefallen ist und sich in ihr nun langsam auflöst, mit ihr verschmilzt. Der Duft zeigt mir diesen Marmoreffekt.
Ich hätte „Warszawa“ 10 Punkte gegeben. Einen Punkt Abzug gibt’s für einige (über)grüne Akzente, die ab und zu auftauchen und auf mich ein bisschen „stinkig“ wirken, nicht wirklich indolisch, aber intensiv „pflanzlich“, ein kurzes Intermezzo von dickem, fleischigem und leicht wächsernem Dunkelgrün. In der Duftprojektion ist davon nichts zu merken, aber je näher an der Haut ich schnuppere, desto deutlicher nehme ich diese für mich leicht stechenden und an der Grenze zu indolisch wirkenden Begleitnoten wahr. Sie blitzen immer wieder mal kurz auf, um sich dann aber auch rasch wieder zurück zu ziehen, mäandern durch die Herznoten, lösen sich erst nach ein paar Stunden völlig in der warmen Jasmincreme auf.
Ein klassischer Weißblüherduft, modern interpretiert und aufgepimpt durch die mild grünen und behaglich würzigen Akzente.