19.04.2013 - 11:59 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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40
Die Schöne und das Biest - oder vom Unterbewussten in Düften
Die Schöne und das Biest, ein Film des französischen Schriftstellers, Künstlers und Regisseurs Jean Cocteau aus dem Jahre 1946, ist auch heute noch sehenswert. Er zählt zu den Meisterwerken des poetischen Films und gilt als früher Vorläufer des sog. Fantasy-Genres. Die Schöne und das Biest zeigt die Entfaltung des Guten (der Prinz) im vermeintlich Bösen (die Bestie).
Cocteau galt als Surrealist wie Dali, der unter der Oberfläche der Dinge nach dem Unbewussten, dem Unterbewussten und dem Traumhaften suchte. So kann auch Die Schöne und das Biest über eine psychoanalytische Deutung rezipiert werden und als Bewusstseinszustand „über der Wirklichkeit“ (Surrealismus) oder als inneres Erleben gedeutet werden.
Aus demselben Jahrzehnt, einer künstlerisch und philosophisch besonders fruchtbaren Epoche (man denke nur an den Existentialismus, an Sartre und Camus), stammt auch der kunstvoll komponierte Duft „Moustache“ (Schnurrbart) de Rochas von Edmond und Theresa Roudnitska.
Auch bei Moustache ist nicht alles, wie es zu sein scheint. Im Gegensatz zu anderen, selbstverständlich gleichermaßen legitimen Analysen zu diesem Duft, sehe ich ihn nicht als dezenten Vertreter seines Stils, sondern eher als laut, als hart, als männlich, dies allerdings unter einer feinen, sich harmlos gebenden Oberfläche, so als habe sich das Spiel von der Schönen und dem Biest umgekehrt: Unter dem feinen Gewebe aus Lavendel und Zitrone verbirgt sich das Biest, der harte Kerl, der ausbrechen kann, dem nicht so ganz zu trauen ist, dem ein wilder Schnurrbart wächst, obwohl er doch alle erdenklichen Anstrengungen unternimmt, den Gentleman zu repräsentieren. Deuten ließe sich die Komposition auch als Bild latenter männlicher Aggression unter dem Äußeren des gezähmten braven Jungen.
Wie auch immer. Die Duftentwicklung dieses Herrenparfums ist interessanter als die manch anderer, allemal spannender als die meisten eindimensionalen Herrendüfte der neueren Generation, die eine Entwicklung gar nicht kennen und im androgynen Stadium der Larve verharren, ohne die Flügel auszustrecken, um verwegen die Freiheit zu suchen.
1949 war eine Zeit, in der Männer offenbar noch anders wahrgenommen wurden als heute. Dass das besser war, wage ich gar nicht zu behaupten. Als Mann möchte ich nicht mit meinen Geschlechtsgenossen der damaligen Zeit tauschen.
Ebenso wenig sympathisch ist mir allerdings der Dufttrend des Androgynen, wahrscheinlich eingeleitet durch CK One, das zwar als erster Vertreter seiner Art wegweisend war, dann aber zur Schablone für zahllose Nachahmer wurde, die sich nur noch marginal voneinander unterschieden.
Wer in diesen Tagen einen hellen, frischen Sommerduft sucht, der nicht so androgyn angelegt ist wie CK One und seine Nachkommen, der könnte bei Moustache fündig werden. Nach der zitrisch-frischen Eröffnung, in die sich schnell Lavendeltöne mischen, nimmt man sehr bald schon blumige Akzente wahr, die zunächst in eine Richtung deuten, die den Duft auch für Frauen tragbar machen könnte. Dann aber wandelt sich die Wahrnehmung ganz plötzlich und ohne Vorwarnung: Das Unterbewusste bricht durch und spricht kernig, roh und laut zur dir, zum Träger. Hervorgerufen wird dieser Eindruck durch den starken krautigen Geruch (Basilikum), der nicht mehr loslässt, der zupackt und sich auf deiner Haut festkrallt. Der Gentleman wird zum Kerl, zum Biest, dem Haare wachsen, so wie der Name des Duftes andeutet.
Dass mein Eindruck nicht ganz von der Hand zu weisen ist, lässt sich ansatzweise durch die Liste der Besitzer dieses Duftes belegen: Keine einzige Frau hat ihn offenbar im Schrank. Mutige Frauen mögen sich melden.
Der kernig-krautige Akzent bleibt dann lange Zeit dominant und sorgt dafür, dass der Duft neben seiner frischen, hesperidischen Note auch einen Fougère-Akzent vorstellt.
Die Basis bleibt bis zum Schluss geheimnisvoll grün - mit Moos und Hölzern. Weitere Noten kann ich nicht mit Sicherheit bestimmen, einbilden mag man sich noch vieles, manchen Streich dürfte das Unterbewusstsein dem Träger dieses Duftes noch spielen.
Sehr schön finde ich auch die Farbgestaltung der Flüssigkeit, ein Aspekt, dem ich normalerweise nur geringe Beachtung schenke. Hier aber schillert die Flüssigkeit in Tönen, die zwischen Gelb und Grün changieren und damit die olfaktorische Entwicklung von zitrischen zu krautigen Noten optisch vorwegnehmen.
Moustache bleibt ein Duft, der trotz seiner lieblichen Noten (Zitrone, Blüten) auch biestig und herb sein kann (Kräuter, Gewürze), der die Entwicklung vom Liebenswerten zum Harten und Herben in der Sprache des Duftes versinnbildlicht und damit zur Metapher inneren Erlebens in der Gestalt eines Duftes wird.
Cocteau galt als Surrealist wie Dali, der unter der Oberfläche der Dinge nach dem Unbewussten, dem Unterbewussten und dem Traumhaften suchte. So kann auch Die Schöne und das Biest über eine psychoanalytische Deutung rezipiert werden und als Bewusstseinszustand „über der Wirklichkeit“ (Surrealismus) oder als inneres Erleben gedeutet werden.
Aus demselben Jahrzehnt, einer künstlerisch und philosophisch besonders fruchtbaren Epoche (man denke nur an den Existentialismus, an Sartre und Camus), stammt auch der kunstvoll komponierte Duft „Moustache“ (Schnurrbart) de Rochas von Edmond und Theresa Roudnitska.
Auch bei Moustache ist nicht alles, wie es zu sein scheint. Im Gegensatz zu anderen, selbstverständlich gleichermaßen legitimen Analysen zu diesem Duft, sehe ich ihn nicht als dezenten Vertreter seines Stils, sondern eher als laut, als hart, als männlich, dies allerdings unter einer feinen, sich harmlos gebenden Oberfläche, so als habe sich das Spiel von der Schönen und dem Biest umgekehrt: Unter dem feinen Gewebe aus Lavendel und Zitrone verbirgt sich das Biest, der harte Kerl, der ausbrechen kann, dem nicht so ganz zu trauen ist, dem ein wilder Schnurrbart wächst, obwohl er doch alle erdenklichen Anstrengungen unternimmt, den Gentleman zu repräsentieren. Deuten ließe sich die Komposition auch als Bild latenter männlicher Aggression unter dem Äußeren des gezähmten braven Jungen.
Wie auch immer. Die Duftentwicklung dieses Herrenparfums ist interessanter als die manch anderer, allemal spannender als die meisten eindimensionalen Herrendüfte der neueren Generation, die eine Entwicklung gar nicht kennen und im androgynen Stadium der Larve verharren, ohne die Flügel auszustrecken, um verwegen die Freiheit zu suchen.
1949 war eine Zeit, in der Männer offenbar noch anders wahrgenommen wurden als heute. Dass das besser war, wage ich gar nicht zu behaupten. Als Mann möchte ich nicht mit meinen Geschlechtsgenossen der damaligen Zeit tauschen.
Ebenso wenig sympathisch ist mir allerdings der Dufttrend des Androgynen, wahrscheinlich eingeleitet durch CK One, das zwar als erster Vertreter seiner Art wegweisend war, dann aber zur Schablone für zahllose Nachahmer wurde, die sich nur noch marginal voneinander unterschieden.
Wer in diesen Tagen einen hellen, frischen Sommerduft sucht, der nicht so androgyn angelegt ist wie CK One und seine Nachkommen, der könnte bei Moustache fündig werden. Nach der zitrisch-frischen Eröffnung, in die sich schnell Lavendeltöne mischen, nimmt man sehr bald schon blumige Akzente wahr, die zunächst in eine Richtung deuten, die den Duft auch für Frauen tragbar machen könnte. Dann aber wandelt sich die Wahrnehmung ganz plötzlich und ohne Vorwarnung: Das Unterbewusste bricht durch und spricht kernig, roh und laut zur dir, zum Träger. Hervorgerufen wird dieser Eindruck durch den starken krautigen Geruch (Basilikum), der nicht mehr loslässt, der zupackt und sich auf deiner Haut festkrallt. Der Gentleman wird zum Kerl, zum Biest, dem Haare wachsen, so wie der Name des Duftes andeutet.
Dass mein Eindruck nicht ganz von der Hand zu weisen ist, lässt sich ansatzweise durch die Liste der Besitzer dieses Duftes belegen: Keine einzige Frau hat ihn offenbar im Schrank. Mutige Frauen mögen sich melden.
Der kernig-krautige Akzent bleibt dann lange Zeit dominant und sorgt dafür, dass der Duft neben seiner frischen, hesperidischen Note auch einen Fougère-Akzent vorstellt.
Die Basis bleibt bis zum Schluss geheimnisvoll grün - mit Moos und Hölzern. Weitere Noten kann ich nicht mit Sicherheit bestimmen, einbilden mag man sich noch vieles, manchen Streich dürfte das Unterbewusstsein dem Träger dieses Duftes noch spielen.
Sehr schön finde ich auch die Farbgestaltung der Flüssigkeit, ein Aspekt, dem ich normalerweise nur geringe Beachtung schenke. Hier aber schillert die Flüssigkeit in Tönen, die zwischen Gelb und Grün changieren und damit die olfaktorische Entwicklung von zitrischen zu krautigen Noten optisch vorwegnehmen.
Moustache bleibt ein Duft, der trotz seiner lieblichen Noten (Zitrone, Blüten) auch biestig und herb sein kann (Kräuter, Gewürze), der die Entwicklung vom Liebenswerten zum Harten und Herben in der Sprache des Duftes versinnbildlicht und damit zur Metapher inneren Erlebens in der Gestalt eines Duftes wird.
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