17.03.2013 - 10:01 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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30
Die Würde des Lord Wisebottom (Teil 1)
Gravitätisch entstieg er den Ledersitzen seines Bristol Brigand, der mit einem leisen Knirschen auf dem Kies des Zufahrtsweges zu seinem Landhaus zum Stehen gekommen war. Natürlich fuhr er keinen Rolls Royce und auch keinen Bentley. Erstens waren diese Marken in den letzten Jahren von deutschen Autoherstellern übernommen worden und das hatte ihm einen regelrechten Schock versetzt und zweitens überließ er diese rollenden Schlachtschiffe der Queen oder stillosen neureichen Aufschneidern, die unbedingt jedem zeigen wollten, dass sie auf mehr oder minder unlautere Weise zu Geld gekommen waren. Er selbst blieb bei Bristol, einer englischen Automarke, die schon sein Vater bevorzugt hatte, und der man nicht im Geringsten ansah, dass sie beim Anschaffungspreis kaum günstiger als ein Rolls Royce, beim Understatement aber unschlagbar war. Das Auto war alt, aber für eine lebenslange Nutzung ausgelegt.
Sein Harris Tweed Jackett, das durch starken Gebrauch schon ein wenig abgewetzt war (als Angehöriger der englischen Oberschicht wusste er natürlich, dass ein leichter used look geradezu ein Qualitätsmerkmal war), atmete noch den Duft der hochwertigen Ledersitze seines Luxusautos. Nur wer ganz genau hinsah, der entdeckte, dass die Lederflecken an den Ellbogen so abgenutzt waren, dass eine Ausbesserung notwenig gewesen wäre.
Kurz bevor er sein Landhaus betrat, sog er noch einmal tief die frische Luft in seine Lungen und nahm voller Zufriedenheit die Düfte seines Gartens zur Kenntnis: Kräuter und Rosen, die die Auffahrt säumten. Nicht sehr gepflegt, seit er den Gärtner entlassen musste, aber immer noch schön.
Im Inneren seines Hauses dann der Kontrast: dunkel und schattig, so wie er es liebte, ein wenig staubig vielleicht. Er würde Rose bitten müssen... Er war unverheiratet, hatte diesen Umstand aber nie besonders bedauert. Natürlich stellte sich die Frage, wer sein Anwesen erben würde, aber da gab es noch genug gierige Neffen und Nichten, die bedacht werden mussten. Seine einzige wirkliche Sorge war, dass das Landhaus nicht verkauft werden dürfte. Alles, wirklich alles sollte der Familie und deren Nachkommen erhalten bleiben.
Rose, seine Haushaltshilfe, hatte bereits seinen Tee vorbereitet. Er bevorzugte eine Mischung aus Earl Grey und Darjeeling. Nur Rose wusste, wie sie richtig zubereitet wurde. Earl Grey sollte im Vordergrund stehen, das Bergamotteöl noch deutlich wahrnehmbar ohne aufdringlich zu wirken. Dieser leichte Duft von Bergamotte, gemischt mit dem Geruch frisch gebackener Scones und Shortbreads, die heute intensiv nach Gewürzen dufteten: den ganzen Tag über hatte er sich darauf gefreut. Was hatte Rose diesmal verwendet? War das Zimt. Ja doch, sicher! Vielleicht Muskat? Wahrscheinlich. Irgendwie erinnerte ihn dieser Mix aus Gerüchen an etwas anderes, etwas Vertrautes. Tief in seinem Unterbewusstsein formte sich ein Gedanke, aber dass es sich bei diesem vertrauten Geruch um die Note seines Cologne handeln könnte, darauf kam er nicht, das ahnte er nur, und schnell war diese Ahnung auch wieder verflogen. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste.
Gemessenen Schrittes bewegte er sich in seinen Wintergarten, in dem Zitronen- und Orangenbäume standen, deren sanfter, kaum wahrnehmbarer Duft den Aufenthalt in diesem Teil seines Hauses so angenehm machten, ihn an seine vergangenen Sommeraufenthalte an der englischen Südküste erinnerten, wo derlei Pflanzen auch im Freien wuchsen.
Gerade als er sich in seinen abgewetzten Lieblingssessel setzen wollte, hörte er den Klang der Türglocke und kurz darauf die eiligen Schritte von Rose, die nach dem Weggang seines Butlers auch die Aufsicht über die Haustüre übernommen hatte.
„Lord Wisebottom“, hörte er ihre Stimme, „der Gerichtsvollzieher ist wieder da. Ich fürchte, diesmal meint er es wirklich Ernst“.
Der konnte warten. Er dachte gar nicht daran, sich während der tea time stören zu lassen. Was diese kleinen Beamten sich erlaubten. In aller Ruhe nahm er seine geliebte Times in die Hand und genehmigte sich noch einen Schluck Earl Grey.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bristol_Brigand
Sein Harris Tweed Jackett, das durch starken Gebrauch schon ein wenig abgewetzt war (als Angehöriger der englischen Oberschicht wusste er natürlich, dass ein leichter used look geradezu ein Qualitätsmerkmal war), atmete noch den Duft der hochwertigen Ledersitze seines Luxusautos. Nur wer ganz genau hinsah, der entdeckte, dass die Lederflecken an den Ellbogen so abgenutzt waren, dass eine Ausbesserung notwenig gewesen wäre.
Kurz bevor er sein Landhaus betrat, sog er noch einmal tief die frische Luft in seine Lungen und nahm voller Zufriedenheit die Düfte seines Gartens zur Kenntnis: Kräuter und Rosen, die die Auffahrt säumten. Nicht sehr gepflegt, seit er den Gärtner entlassen musste, aber immer noch schön.
Im Inneren seines Hauses dann der Kontrast: dunkel und schattig, so wie er es liebte, ein wenig staubig vielleicht. Er würde Rose bitten müssen... Er war unverheiratet, hatte diesen Umstand aber nie besonders bedauert. Natürlich stellte sich die Frage, wer sein Anwesen erben würde, aber da gab es noch genug gierige Neffen und Nichten, die bedacht werden mussten. Seine einzige wirkliche Sorge war, dass das Landhaus nicht verkauft werden dürfte. Alles, wirklich alles sollte der Familie und deren Nachkommen erhalten bleiben.
Rose, seine Haushaltshilfe, hatte bereits seinen Tee vorbereitet. Er bevorzugte eine Mischung aus Earl Grey und Darjeeling. Nur Rose wusste, wie sie richtig zubereitet wurde. Earl Grey sollte im Vordergrund stehen, das Bergamotteöl noch deutlich wahrnehmbar ohne aufdringlich zu wirken. Dieser leichte Duft von Bergamotte, gemischt mit dem Geruch frisch gebackener Scones und Shortbreads, die heute intensiv nach Gewürzen dufteten: den ganzen Tag über hatte er sich darauf gefreut. Was hatte Rose diesmal verwendet? War das Zimt. Ja doch, sicher! Vielleicht Muskat? Wahrscheinlich. Irgendwie erinnerte ihn dieser Mix aus Gerüchen an etwas anderes, etwas Vertrautes. Tief in seinem Unterbewusstsein formte sich ein Gedanke, aber dass es sich bei diesem vertrauten Geruch um die Note seines Cologne handeln könnte, darauf kam er nicht, das ahnte er nur, und schnell war diese Ahnung auch wieder verflogen. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste.
Gemessenen Schrittes bewegte er sich in seinen Wintergarten, in dem Zitronen- und Orangenbäume standen, deren sanfter, kaum wahrnehmbarer Duft den Aufenthalt in diesem Teil seines Hauses so angenehm machten, ihn an seine vergangenen Sommeraufenthalte an der englischen Südküste erinnerten, wo derlei Pflanzen auch im Freien wuchsen.
Gerade als er sich in seinen abgewetzten Lieblingssessel setzen wollte, hörte er den Klang der Türglocke und kurz darauf die eiligen Schritte von Rose, die nach dem Weggang seines Butlers auch die Aufsicht über die Haustüre übernommen hatte.
„Lord Wisebottom“, hörte er ihre Stimme, „der Gerichtsvollzieher ist wieder da. Ich fürchte, diesmal meint er es wirklich Ernst“.
Der konnte warten. Er dachte gar nicht daran, sich während der tea time stören zu lassen. Was diese kleinen Beamten sich erlaubten. In aller Ruhe nahm er seine geliebte Times in die Hand und genehmigte sich noch einen Schluck Earl Grey.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bristol_Brigand
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