17.08.2016 - 06:43 Uhr
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Eine höchst persönliche Geschichte
Verzeiht mir, wenn ich Je Reviens vielleicht sehr subjektiv schildere, subjektiver als Kommentare sowieso schon immer sind und sein müssen. Verzeiht mir, wenn bei Je Reviens meine Wahrnehmung durch Gefühle verfälscht sein mag, verzeiht mir, wenn meine Erinnerungen mir einen Streich spielen sollten. Und: bedenkt, der Duft, den ich beschreibe, ist das alte Je Reviens, das in der rundlichen, hellen Flasche mit dem Papieraufkleber, vintage. Ich habe es bei eBay ersteigert, OVP in der pudrig-gelblich und hellblauen Umverpackung, ungeöffnet, unbeschadet, jahrzehntelang unberührt in irgendeinem Schrank einer vermutlich alten Dame gelagert, deren Habseligkeiten nun, wo sie offenbar verstorben ist, auf der Auktionsplattform landeten. Nicht ahnend, dass er bei mir ankommen würde, ihr Duft, nicht ahnend, dass er bei einer landen würde, die vielleicht ähnlich intensive Erinnerungen mit ihm verbindet, wie sie.
Je Reviens ist der Signaturduft meiner Mutter gewesen. Jahrzehntelang. Und eigentlich war sie damit damals schon vintage, zumindest war sie damit mehr als eine ganze Generation zurück. Es war der einzige Signaturduft, den sie je hatte. Sie legte Je Reviens erst ab, als sie es nicht mehr nachgekauft bekam. Sie benutzt bis heute mehrere andere Düfte gleichermaßen. Keiner hat für sie jemals Je Reviens erreicht.
Für mich ist Je Reviens gleich Mutter. Mutter, wie sie sich schön macht, Mutter, wie sie lächelt, Mutter, wie sie im Haus herumläuft, Mutter, wie sie ins Auto steigt, aus dem Auto steigt, mit Vater, ohne Vater mit mir ohne mich, Mutter wie sie lobt, schimpft, lacht, weint, kommt, geht und wiederkommt. Und ich liebte sie, ich liebte diesen Duft, der sie war, der meine Kindheit war.
Natürlich habe ich ihn auch benutzt. Das erste Mal als ich so klein war, dass ich noch nicht sprechen konnte. Ich war ein Frühaufsteher und meine Eltern schliefen am Wochenende viel zu lange, also bis 7:00 Uhr. Da bin ich schonmal aufgestanden, habe das schöne Fläschchen geholt und immer was auf meine Hand gemacht und dann an die Nase gehalten. Irgendwann war das Fläschchen leer und die waren immer noch nicht aufgestanden. Dann endlich wachten sie auf und - völlige Panik: Bestimmt hundertmal haben sie mich eindringlichst gefragt, ob ich das GETRUNKEN hätte. Na, also für wie blöd hielten die mich denn? Leider konnte ich ja noch nicht richtig antworten, aber ich erinnere mich an die Empörung, die ich empfand, dass sie mir sowas Dummes zutrauten, ein Parfum zu trinken! Naja, irgendwann hatten sie wohl begriffen, dass ich so blöd nicht war.
Später, etwa im Alter von 11, versuchte ich mich wieder an Je Reviens, musste aber feststellen, dass es an mir völlig anders roch als an meiner Mutter. Es roch so anders, obwohl aus dem gleichen Flakon entnommen, dass ich wie desillusioniert war. Und ich verstand das erste Mal, dass Parfum mit der Haut, dem Schweiß, dem eigenen Körpergeruch reagiert und somit dennoch individuell duftet. Irgendwann kurz vor meinem Studienbeginn, testete ich es nochmal an ihrem, zu diesem Zeitpunkt schon sorgfältig gehüteten, letzten alten Flakon und war erneut schwer enttäuscht, dass ich damit nicht duftete wie meine Mutter.
Umso gespannter war ich, als ich nun nach vielen Jahren Je Reviens Vintage erneut testen konnte:
Es startet, wie schon immer zitrisch-frisch, "Ah",denke ich freudig, " die Kopfnote ist also über die Jahre erhalten geblieben, nicht gekippt, ganz wie immer". Auch Neroli, mit der typischen, leichten Herbheit, ist deutlich zu spüren. Schnell verschwindet das Zitrische und es bleibt pudrig-würziges Neroli schon von dem typischen Je-Reviens-Charakter unterlegt. Diese Duftnote habe ich in noch keinem anderen Duft gerochen und obwohl ich ansonsten recht gut verschiedene Bestandteile herausriechen kann, gelingt es mir bei Je Reviens viel schlechter als sonst. Ich vermute, das liegt daran, dass ich diesen Duft eben als unteilbare Einheit kenne, so wie man eben als sehr kleines Kind Düfte wahrnimmt. Wenn ich mich von diesem emotionalen Zugang distanziere und versuche, möglichst neutral, herauszuriechen, was nun im Vordergrund steht, ist es für mich eindeutig und sehr stark Iriswurzel. Dieser Iriswurzelduft, ist das Herz von Je Reviens, und macht für mich das Wesentliche aus. Warm-würzig und mit großer Tiefe, minimal herb, werde ich wohlig vom Duft meiner Kindheit umhüllt. Soviel Iriswurzelduft habe ich in keinem modernen Duft jemals ausmachen können. Vermutlich ist Iriswurzel heute so teuer geworden, dass nur noch sehr wenig davon benutzt oder auf Ersatzstoffe zurückgegriffen wird, die eben doch weniger authentisch nach Iris duften.
Einen Hauch Nelke nehme ich ebenfalls wahr, während die anderen Blüten allenfalls weit im Hintergrund bleiben.
Zur Basis hin wird Je Reviens deutlich herber, jedenfalls bei mir. Bei meiner Mutter war es nicht so, bei meiner Mutter blieb Je Reviens ein sehr weiblicher Duft. Ich führe diesen Unterschied auf eine unterschiedliche Hautreaktion mit Eichenmoos zurück. Mir ist schon aufgefallen, dass einige der alten Chypres bei mir sehr, sehr viel Herbes entwickeln, so sehr, dass es mir in der Regel zu hart und zu männlich anmutet.
Bei Je Reviens ist dieses Maß an Herbheit jedoch noch im Rahmen des Angenehmen. Die Iriswurzel reißt für mich alles wieder heraus. Je Reviens wird über die Stunden bei mir immer wärmer und würziger, die Iriswurzel bleibt bis zum Schluss. Ich habe das Eau de Toilette und trotzdem hält der Duft weit über 8 Stunden.
Ich persönlich könnte diesen Duft zu jeder Jahreszeit tragen und zu jeder Tageszeit. Ich finde ihn so universell wie die Welt selbst. Kein Wunder, für ein Kind bedeutet die Mutter ja auch die Welt.
Ein Kuriosum am Rande: Beim Schreiben dieses Kommentars wurde ich dadurch unterbrochen, dass meine Mutter spontan vorbeikam. Das macht sie in etwa ein einziges Mal im Jahr. Wir haben uns beide nochmal die Vergangenheit aufgesprüht.
Je Reviens ist der Signaturduft meiner Mutter gewesen. Jahrzehntelang. Und eigentlich war sie damit damals schon vintage, zumindest war sie damit mehr als eine ganze Generation zurück. Es war der einzige Signaturduft, den sie je hatte. Sie legte Je Reviens erst ab, als sie es nicht mehr nachgekauft bekam. Sie benutzt bis heute mehrere andere Düfte gleichermaßen. Keiner hat für sie jemals Je Reviens erreicht.
Für mich ist Je Reviens gleich Mutter. Mutter, wie sie sich schön macht, Mutter, wie sie lächelt, Mutter, wie sie im Haus herumläuft, Mutter, wie sie ins Auto steigt, aus dem Auto steigt, mit Vater, ohne Vater mit mir ohne mich, Mutter wie sie lobt, schimpft, lacht, weint, kommt, geht und wiederkommt. Und ich liebte sie, ich liebte diesen Duft, der sie war, der meine Kindheit war.
Natürlich habe ich ihn auch benutzt. Das erste Mal als ich so klein war, dass ich noch nicht sprechen konnte. Ich war ein Frühaufsteher und meine Eltern schliefen am Wochenende viel zu lange, also bis 7:00 Uhr. Da bin ich schonmal aufgestanden, habe das schöne Fläschchen geholt und immer was auf meine Hand gemacht und dann an die Nase gehalten. Irgendwann war das Fläschchen leer und die waren immer noch nicht aufgestanden. Dann endlich wachten sie auf und - völlige Panik: Bestimmt hundertmal haben sie mich eindringlichst gefragt, ob ich das GETRUNKEN hätte. Na, also für wie blöd hielten die mich denn? Leider konnte ich ja noch nicht richtig antworten, aber ich erinnere mich an die Empörung, die ich empfand, dass sie mir sowas Dummes zutrauten, ein Parfum zu trinken! Naja, irgendwann hatten sie wohl begriffen, dass ich so blöd nicht war.
Später, etwa im Alter von 11, versuchte ich mich wieder an Je Reviens, musste aber feststellen, dass es an mir völlig anders roch als an meiner Mutter. Es roch so anders, obwohl aus dem gleichen Flakon entnommen, dass ich wie desillusioniert war. Und ich verstand das erste Mal, dass Parfum mit der Haut, dem Schweiß, dem eigenen Körpergeruch reagiert und somit dennoch individuell duftet. Irgendwann kurz vor meinem Studienbeginn, testete ich es nochmal an ihrem, zu diesem Zeitpunkt schon sorgfältig gehüteten, letzten alten Flakon und war erneut schwer enttäuscht, dass ich damit nicht duftete wie meine Mutter.
Umso gespannter war ich, als ich nun nach vielen Jahren Je Reviens Vintage erneut testen konnte:
Es startet, wie schon immer zitrisch-frisch, "Ah",denke ich freudig, " die Kopfnote ist also über die Jahre erhalten geblieben, nicht gekippt, ganz wie immer". Auch Neroli, mit der typischen, leichten Herbheit, ist deutlich zu spüren. Schnell verschwindet das Zitrische und es bleibt pudrig-würziges Neroli schon von dem typischen Je-Reviens-Charakter unterlegt. Diese Duftnote habe ich in noch keinem anderen Duft gerochen und obwohl ich ansonsten recht gut verschiedene Bestandteile herausriechen kann, gelingt es mir bei Je Reviens viel schlechter als sonst. Ich vermute, das liegt daran, dass ich diesen Duft eben als unteilbare Einheit kenne, so wie man eben als sehr kleines Kind Düfte wahrnimmt. Wenn ich mich von diesem emotionalen Zugang distanziere und versuche, möglichst neutral, herauszuriechen, was nun im Vordergrund steht, ist es für mich eindeutig und sehr stark Iriswurzel. Dieser Iriswurzelduft, ist das Herz von Je Reviens, und macht für mich das Wesentliche aus. Warm-würzig und mit großer Tiefe, minimal herb, werde ich wohlig vom Duft meiner Kindheit umhüllt. Soviel Iriswurzelduft habe ich in keinem modernen Duft jemals ausmachen können. Vermutlich ist Iriswurzel heute so teuer geworden, dass nur noch sehr wenig davon benutzt oder auf Ersatzstoffe zurückgegriffen wird, die eben doch weniger authentisch nach Iris duften.
Einen Hauch Nelke nehme ich ebenfalls wahr, während die anderen Blüten allenfalls weit im Hintergrund bleiben.
Zur Basis hin wird Je Reviens deutlich herber, jedenfalls bei mir. Bei meiner Mutter war es nicht so, bei meiner Mutter blieb Je Reviens ein sehr weiblicher Duft. Ich führe diesen Unterschied auf eine unterschiedliche Hautreaktion mit Eichenmoos zurück. Mir ist schon aufgefallen, dass einige der alten Chypres bei mir sehr, sehr viel Herbes entwickeln, so sehr, dass es mir in der Regel zu hart und zu männlich anmutet.
Bei Je Reviens ist dieses Maß an Herbheit jedoch noch im Rahmen des Angenehmen. Die Iriswurzel reißt für mich alles wieder heraus. Je Reviens wird über die Stunden bei mir immer wärmer und würziger, die Iriswurzel bleibt bis zum Schluss. Ich habe das Eau de Toilette und trotzdem hält der Duft weit über 8 Stunden.
Ich persönlich könnte diesen Duft zu jeder Jahreszeit tragen und zu jeder Tageszeit. Ich finde ihn so universell wie die Welt selbst. Kein Wunder, für ein Kind bedeutet die Mutter ja auch die Welt.
Ein Kuriosum am Rande: Beim Schreiben dieses Kommentars wurde ich dadurch unterbrochen, dass meine Mutter spontan vorbeikam. Das macht sie in etwa ein einziges Mal im Jahr. Wir haben uns beide nochmal die Vergangenheit aufgesprüht.
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