30.04.2017 - 07:26 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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Mythos Wald - Mythos Duft
Der Wald scheint in der großen Erzählung Mitteleuropas ein Mythos zu sein. Das mag für die Deutschen noch mehr gelten als für anderer Nationen, ist aber sicherlich in ähnlicher Weise mindestens in der Tradition der meisten mittel-, nord- und osteuropäischen Länder verwurzelt (sic!). Ich folge der Spur nun ausdrücklich nicht in asiatischen (z.B. Japanischen) und amerikanischen (Nord und Süd) Traditionen, denn auch dort wäre das eigene Ausführungen wert. Ist das der Grund, weshalb uns Düfte dieser Art so faszinieren?
In meinem letzten Kommentar, der sich um eine Grundsatzbestimmung "waldartiger" Düfte bemüht hat, wird das besonders an vielen Reaktionen deutlich. Einige User (hier noch mal mein ausdrücklicher Dank an alle) haben sich intensiv mit mir um eine Referenzliste von Walddüften bemüht, die sicherlich nicht vollständig ist, aber eine Spur legt, die man von dort aus leicht weiter verfolgen kann. Das ist großartig!
Bemerkenswert und spannend ist in diesem Zusammenhang, dass viele meine ursprüngliche Spur (Düfte, die gleichzeitig nach Harz, Holz, Laub, feuchter Erde und damit authentisch nach WALD riechen) in eine andere Richtung weiter verfolgt haben, nämlich zum ursprünglichen geistigen Ort der Walddüfte: In der Vergangenheit war es ausdrücklich nicht möglich oder erwünscht, Düfte nach einem echten Waldspaziergang riechen zu lassen. Stattdessen wurde die Idee des Waldes beschworen (grün, frisch, harzig) und dabei ein ähnlicher Effekt produziert. Beispiele für diese Art von Walddüften, die auch ich sehr schätze, sind Pino Silvestre, Knize Forest, Floris Elite, Houbigant Fougère Royale, Houbigant Duc de Vervins, Puig Agua Brava und viel andere, die damit verwandt sind. Letztlich auch alle Fougères, die ja gerade die Assoziation von Grün (natürlich nicht von einem grünen Rasen, sondern von dichtem Grün) evozieren wollen.
Um noch einmal die Spur zu verengen und zu konkretisieren, was ich mit dem im letzten Kommentar genannten Hype im engeren Sinne gemeint habe, hier so etwas wie ein Referenzduft: In the Woods. Warum gerade dieser?
Wie mir scheint sind Düfte, die authentisch nach Wald, Bäumen, Harzen riechen nicht unbedingt gerade diejenigen, die besonders stark auf natürlichen Inhaltsstoffen basieren. Ein Beispiel dürfte der von mir besonders lobend erwähnte Duft "Im tiefen Wald" von Divergent sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, besteht er durchaus und im Wesentlichen aus synthetischen Komponenten, ist aber so raffiniert komponiert, dass dieser Eindruck (nämlich der Eindruck von Plastik / Synthetik / Aromachemie, den ich in zahlreichen Kommentaren und Statements vor allem beim Mainstream kritisiere) gerade NICHT entsteht. Mit anderen Worten: Synthetik + Synthetik + Synthetik kann (den Eindruck von) Natur evozieren. Das ist Kunst - oder nicht?
Deshalb breche ich auch eine Lanze für In the Woods von eSENSielle. Einige Vorredner hatten nachdrücklich den Eindruck von Künstlichkeit bemängelt, der hier mitschwingen würde. Ist damit dieser Geruch nach Fichtennadelschaumbad gemeint, der gelegentlich abwertend, gelegentlich auch mit der Konnotation "Kindheitserinnerung" und dann positiv verbunden wird? Das aber ist m.E. nicht künstlich, sondern ganz nah dran an dem Geruch von tropfendem Harz auf gesägtem Holz, Ausdünstung von Saunaholz bei Hitze (dabei handelt es sich nicht um künstliche Aromen, sondern zunächst mal um das Austreten von Harzresten durch große Hitze, und somit um Natur), der Geruch, den ich wahrnehme, wenn ich in unserem Garten oder im Wald ganz nah an den Stamm eines Nadelholzbaumes herantrete und an seinem Stamm rieche.
Eines muss ich einräumen: In the Woods enthält sicherlich synthetische Duftbausteine, denn ohne Cashmeran (das ich persönlich hier nicht störend wahrnehme, aber Meggi recht gebe, dass dies - oder ähnliches - ganz sicher enthalten sein wird) geht bei kaum einem Duft noch irgendwas, wie mir scheint. Welcher Nischenduft wird ohne Aromachemie auskommen? Meine Frau ist Chemikerin und ich wundere mich inzwischen kaum noch, wie stark unsere Wirklichkeit bis in die letzten Winkel - auch im Duft - von Chemie durchdrungen ist. Alles in allem stört mich das hier aber gar nicht. Im Gegenteil! Ähnlich wie bei "Im tiefen Wald" von Divergent sehe ich hier einen Mehrwert, nämlich den, dass der Duft gelungen vorgaukelt, authentisch zu sein, - also nicht nur die Idee von Wald beschwört, wie frühere Duft-Modelle (s.o.: Fougère etc.). Mir persönlich gefällt gerade das sehr gut; ich finde es charmant und durchaus adressatenbezogen im Sinne des eingangs Gesagten.
Noch ein paar Worte zum exakten Duftbild: Ich rieche hier helle, scharfe, fast mentholartige Harze, von mir aus auch Fichtennadelschaumbad, austretendes Harz aus frisch gefällten oder umgestürzten Bäumen, grüne Nadeln, die ich zwischen den Fingern zerreibe, ein bisschen Saunaufguss, weil der ja auch so ähnlich riechen kann, wie das eben Beschriebene, eine Wanderung im Hochwald, wo nur noch Nadelgehölz steht, das im Sommer schwitzt und dem Wanderer ein paar harzige Düfte mit ins Gepäck lädt. Alles, was an Synthetik hier enthalten ist, kann ich gut ausblenden, weil das Gesamtbild in keiner Weise daran erinnert. Allenfalls nach längerem Tragen, wenn die Basis (falls man hier überhaupt davon sprechen kann. wohl eher ein langsames Verblassen) die synthetischen Bausteine freilegt und der Duft ehrlicher wird. Aber da das erst nach Stunden der Fall ist, stört es mich nicht. Zu diesem Zeitpunkt will ich meist schon wieder einen anderen Duft tragen und kann In the Woods mit einem reinen Naturduft von Juniper Ridge layern. Ob der allerdings wirklich besser ist, ist noch gar nicht ausgemacht.
In meinem letzten Kommentar, der sich um eine Grundsatzbestimmung "waldartiger" Düfte bemüht hat, wird das besonders an vielen Reaktionen deutlich. Einige User (hier noch mal mein ausdrücklicher Dank an alle) haben sich intensiv mit mir um eine Referenzliste von Walddüften bemüht, die sicherlich nicht vollständig ist, aber eine Spur legt, die man von dort aus leicht weiter verfolgen kann. Das ist großartig!
Bemerkenswert und spannend ist in diesem Zusammenhang, dass viele meine ursprüngliche Spur (Düfte, die gleichzeitig nach Harz, Holz, Laub, feuchter Erde und damit authentisch nach WALD riechen) in eine andere Richtung weiter verfolgt haben, nämlich zum ursprünglichen geistigen Ort der Walddüfte: In der Vergangenheit war es ausdrücklich nicht möglich oder erwünscht, Düfte nach einem echten Waldspaziergang riechen zu lassen. Stattdessen wurde die Idee des Waldes beschworen (grün, frisch, harzig) und dabei ein ähnlicher Effekt produziert. Beispiele für diese Art von Walddüften, die auch ich sehr schätze, sind Pino Silvestre, Knize Forest, Floris Elite, Houbigant Fougère Royale, Houbigant Duc de Vervins, Puig Agua Brava und viel andere, die damit verwandt sind. Letztlich auch alle Fougères, die ja gerade die Assoziation von Grün (natürlich nicht von einem grünen Rasen, sondern von dichtem Grün) evozieren wollen.
Um noch einmal die Spur zu verengen und zu konkretisieren, was ich mit dem im letzten Kommentar genannten Hype im engeren Sinne gemeint habe, hier so etwas wie ein Referenzduft: In the Woods. Warum gerade dieser?
Wie mir scheint sind Düfte, die authentisch nach Wald, Bäumen, Harzen riechen nicht unbedingt gerade diejenigen, die besonders stark auf natürlichen Inhaltsstoffen basieren. Ein Beispiel dürfte der von mir besonders lobend erwähnte Duft "Im tiefen Wald" von Divergent sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, besteht er durchaus und im Wesentlichen aus synthetischen Komponenten, ist aber so raffiniert komponiert, dass dieser Eindruck (nämlich der Eindruck von Plastik / Synthetik / Aromachemie, den ich in zahlreichen Kommentaren und Statements vor allem beim Mainstream kritisiere) gerade NICHT entsteht. Mit anderen Worten: Synthetik + Synthetik + Synthetik kann (den Eindruck von) Natur evozieren. Das ist Kunst - oder nicht?
Deshalb breche ich auch eine Lanze für In the Woods von eSENSielle. Einige Vorredner hatten nachdrücklich den Eindruck von Künstlichkeit bemängelt, der hier mitschwingen würde. Ist damit dieser Geruch nach Fichtennadelschaumbad gemeint, der gelegentlich abwertend, gelegentlich auch mit der Konnotation "Kindheitserinnerung" und dann positiv verbunden wird? Das aber ist m.E. nicht künstlich, sondern ganz nah dran an dem Geruch von tropfendem Harz auf gesägtem Holz, Ausdünstung von Saunaholz bei Hitze (dabei handelt es sich nicht um künstliche Aromen, sondern zunächst mal um das Austreten von Harzresten durch große Hitze, und somit um Natur), der Geruch, den ich wahrnehme, wenn ich in unserem Garten oder im Wald ganz nah an den Stamm eines Nadelholzbaumes herantrete und an seinem Stamm rieche.
Eines muss ich einräumen: In the Woods enthält sicherlich synthetische Duftbausteine, denn ohne Cashmeran (das ich persönlich hier nicht störend wahrnehme, aber Meggi recht gebe, dass dies - oder ähnliches - ganz sicher enthalten sein wird) geht bei kaum einem Duft noch irgendwas, wie mir scheint. Welcher Nischenduft wird ohne Aromachemie auskommen? Meine Frau ist Chemikerin und ich wundere mich inzwischen kaum noch, wie stark unsere Wirklichkeit bis in die letzten Winkel - auch im Duft - von Chemie durchdrungen ist. Alles in allem stört mich das hier aber gar nicht. Im Gegenteil! Ähnlich wie bei "Im tiefen Wald" von Divergent sehe ich hier einen Mehrwert, nämlich den, dass der Duft gelungen vorgaukelt, authentisch zu sein, - also nicht nur die Idee von Wald beschwört, wie frühere Duft-Modelle (s.o.: Fougère etc.). Mir persönlich gefällt gerade das sehr gut; ich finde es charmant und durchaus adressatenbezogen im Sinne des eingangs Gesagten.
Noch ein paar Worte zum exakten Duftbild: Ich rieche hier helle, scharfe, fast mentholartige Harze, von mir aus auch Fichtennadelschaumbad, austretendes Harz aus frisch gefällten oder umgestürzten Bäumen, grüne Nadeln, die ich zwischen den Fingern zerreibe, ein bisschen Saunaufguss, weil der ja auch so ähnlich riechen kann, wie das eben Beschriebene, eine Wanderung im Hochwald, wo nur noch Nadelgehölz steht, das im Sommer schwitzt und dem Wanderer ein paar harzige Düfte mit ins Gepäck lädt. Alles, was an Synthetik hier enthalten ist, kann ich gut ausblenden, weil das Gesamtbild in keiner Weise daran erinnert. Allenfalls nach längerem Tragen, wenn die Basis (falls man hier überhaupt davon sprechen kann. wohl eher ein langsames Verblassen) die synthetischen Bausteine freilegt und der Duft ehrlicher wird. Aber da das erst nach Stunden der Fall ist, stört es mich nicht. Zu diesem Zeitpunkt will ich meist schon wieder einen anderen Duft tragen und kann In the Woods mit einem reinen Naturduft von Juniper Ridge layern. Ob der allerdings wirklich besser ist, ist noch gar nicht ausgemacht.
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