Oud für Leute, die Oud nicht mögen

Es gibt nichts Schlimmeres für Individualisten als den Hype. Gestern noch warfen wir unsere iPhones vor die S-Bahn, heute müssen wir uns unsere Vollbärte abrasieren. Und, für den Parfumo besonders schlimm, in regelmäßigen Abständen landet die halbe Sammlung im Ausguss, weil mindestens drei andere Leute den Duft auch besitzen. Hat sich die Innovation erst einmal zum Trend hochgearbeitet, kann es nicht mehr lange dauern, bis jeder, wirklich jeder etwas derartiges im Programm hat. Aber freut euch, der Oud-Hype ist schon wieder vorbei. Wir werden ihn zwar noch eine Weile beklagen, wenn ein neuer Oud-Duft rauskommt, genauso wie jedes mal über Schon-wieder-ein-Frischeduft gestöhnt wird, wo doch Frischedüfte seit geraumer Zeit der Vergangenheit angehören und man so viel Empörung nur als Kind der 70er aufbringen kann, für das Papa irgendwann nicht mehr nach Papa roch, sondern nach Cool Water.

Mit einigem Abstand zur Produktwelle, die gerade über den Markt hinweggeschwappt ist, lässt sich damit wieder das Klassische, das Reizende, das Gelungene ergründen, das am Anfang fasziniert hat. Mehr noch, die Zeit ist nun reif, auch zu überblicken, was in der Zwischenzeit alles an Schund erblüht und wieder verwelkt ist. Nachdem sich Innovateure und Kopisten ausgetobt haben, der Kuchen verteilt und gegessen ist, bleibt nur noch wenig zu tun, sollte man meinen. Was seiner Zeit voraus war, ist inzwischen reformuliert (M7), am Klassischen hat man sich sattgerochen (Rose + Oud) für das Schrille kann man sich begeistern, es aber nicht tragen (Fetish). Bleibt die Frage an Parfumhäuser wie Creed, warum man bisher kein Oud im Programm hatte. Die Antwort ist ganz einfach: Creed mag kein Oud. Und Creed ist damit nicht allein. Sehr vielen Leuten geht der Kram auf die Nerven, und nicht nur, weil es diesen Hype gab. Was Creed hier vorlegt, ist daher tatsächlich innovativ. Das Rad oder das Oud wurde neu erfunden: Es ist Oud für Leute, die Oud nicht mögen. Als Maßstab dienen Understatement und Modernität, daneben hat man alles gestrichen, was irgendwie orientalisch wirkt, sodass als Erstes das klassische Rosenthema dran glauben musste. Nun kann man es nicht einfach ersatzlos streichen, denn ohne die blumig-dunkle Seifigkeit der Rose wirkt Oud eher anstrengend.

Die ganze Bandbreite an Ersatzkombinationen wurde vor geraumer Zeit schon von Montale durchexerziert, ohne wirklich überzeugen zu können. Entschieden hat man sich bei Creed für eine alltagstaugliche Best-of-Mischung, die die Waage halten soll zwischen ein bisschen frisch, aber mit Tiefe, was ein zitrischer Auftakt erreicht, ein bisschen Seife, aber cremig und ohne Waschmittelassoziationen und eine unblumige florale Note. Darunter spielt die ganze Zeit das eigentliche Thema die Hauptrolle: Oud und Holz. Das Adlerholz gibt hier nicht den dominaten Krachmacher, sondern fügt sich ein, bleibt erkennbar, aber als Solist in einem hochklassigen Ensemble und nicht als Star mit ein bisschen Playback. Anders als der Name vermuten lässt, ist Royal Oud damit kein Oud-Duft im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr ein Parfum mit Oud. Wichtiger als der markante Geruch dieser Zutat sind für das Parfum seine elegante Cremigkeit, seine unmodische Modernität und die souveräne Variation eines Themas, das schon als ausgespielt galt.

Baux für ParfumoBlog

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