E99-EsAns - Orientalisches aus Nürnberg

Samstagnachmittag in der Lebkuchenstadt - ausgebuchte Hotels, dichter Verkehr und nervige Parkplatzsuche. Ziel meiner Reise: in Nürnberg lebt ein junger Parfümeur, auf den wir vor kurzem aufmerksam wurden. Heute bin ich mit ihm verabredet. Am Weißen Turm, mitten in der City, warte ich auf U.M. Karali und bin gespannt, wer dieser Mann ist. Nur wenige Bezugsquellen gibt es in Deutschland für arabische Parfums – und plötzlich ist da jemand, der selber Düfte in dieser Tradition herstellt. Es wurde ein langes Gespräch in einem Straßencafé, und wir blieben, bis die Stühle hochgestellt wurden:

Apicius: Vielen Dank, Musab, dass Du Dir Zeit genommen hast. Bitte erkläre uns, was es mit E99-EsAns auf sich hat.

U.M. Karali: E99-EsAns ist meine Parfum-Manufaktur, ein Familienunternehmen. Wir stellen hochwertige Parfums und Parfumöle her. Meine erste Kollektion widmet sich hauptsächlich der arabischen Dufttradition. Mir ist aber daran gelegen, dass meine Düfte von Menschen aus allen Kulturkreisen genossen werden können. Daher sind meine Parfums sowohl halal als auch koscher. Ich habe mich entsprechend zertifizieren lassen. Außerdem sind meine Düfte strikt vegan. Ich verwende nichts vom Tier.

Apicius: Ich habe mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht, in welchem Ausmaß tierische Produkte in der Parfumherstellung eine Rolle spielen.

U.M. Karali: Viele Parfums enthalten Gelatine, und die kommt vom Schwein. Und dann ist da noch das Thema Moschus. Moschus spielt gerade in der arabischen Parfumtradition eine große Rolle. Beispielsweise soll es in Saudi-Arabien in der Nähe von Riad Farmen geben, in denen diese Tiere gezüchtet werden. Auch deshalb betone ich, dass alle meine Produkte vegan sind.

Apicius: Wie bist Du denn zur Parfumkunst gekommen?

U.M. Karali: Meine Mutter hat mich stark gefördert. Bereits als kleiner Junge ließ sie mich an allen ihren Parfums riechen. Düfte waren immer Thema. Später, als 16-Jähriger, bin ich dann in die Parfümerien gegangen und habe alles an Düften ausprobiert, was ich finden konnte. Und dann stand ich irgendwann vor der Entscheidung, entweder ein Chemiestudium zu beginnen, oder intensiv meine Leidenschaft weiter zu verfolgen. So nahm ich alle Parfumkurse wahr, die sich mir boten. Schließlich reiste ich nach Mekka und fragte mich durch. Bei Abdulsamad Al Qurashi und anderen Firmen wurde ich mit offenen Armen aufgenommen. So konnte ich in Mekka und später in Medina meine Ausbildung vervollständigen. Meine Reise ging 7 Jahre und nun darf ich mich Parfumeur nennen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Türen öffnen, wenn man mit Leidenschaft und Liebe eine Sache verfolgt. Göttliche Führung war aber sicher auch dabei.

Apicius: Du bist selber kein Araber?

U.M. Karali: Meine Familie stammt aus der Stadt Trabzon im Nordosten der Türkei. Die Türkei ist ein Flickenteppich, was das Interesse an Parfums betrifft. Doch überall dort, wo Kurden, Armenier oder im jüdischen Glauben beheimatete Menschen leben, ist auch die Parfumkunst kulturell stark verwurzelt.

Apicius: Das Interesse an der arabischen Parfumkunst geht einher mit dem Thema Oud. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die synthetischen Oud-Basen, die mittlerweile in den meisten westlichen Oud-Parfums verwendet werden dürften, überhaupt nichts mit echtem Oud zu tun haben.

U.M. Karali: Aber man muss nicht auf synthetische Ersatzstoffe zurückgreifen. Zu teuer für die meisten Kunden wird es erst dann, wenn man sehr altes Oud verwendet. Es geht aber auch anders. Für mein Parfum „Oud Al Ebrar“ verwende ich Oud aus 7 verschiedenen Regionen. Oud ist sehr vielfältig: manche Qualitäten können abstoßend wirken, bei anderen möchte man vor Freude weinen.

Apicius: Qualität hat ihren Preis. Es gibt eine Flut von billigen arabischen Parfumölen. Einige arabische Marken bringen zu kleinstem Preis Öle auf den Markt, die einfach nicht gut sind. Dann wieder geht es gleich weiter mit Hunderten von Dollar, die für ein hochwertiges Oud-Öl verlangt werden. Dazwischen scheint es wenig zu geben.

U.M. Karali: Der teuerste Duft, den ich gemacht habe, lag bei 300 €. Die meisten meiner Produkte sind deutlich preiswerter. Parfumöle für 2,50 € stelle ich aber nicht her. Parfum soll etwas Edles bleiben.

Apicius: Duftende Essenzen wurden schon im Altertum verwendet, doch es scheint, dass das europäische Mittelalter u.a. auch für die Kultur der schönen Düfte einen Rückschritt bedeutete. Erst mit Farina in Köln begann sich ab etwa 1700 die europäische Parfumtradition zu entwickeln. Kannst Du uns etwas über die Geschichte der arabischen Parfumkunst sagen?

U.M. Karali: Die Verbindung zum Altertum soll noch bestehen. Man sagt, dass 7 Rabbiner einst die Kenntnis um die Herstellung edler Düfte erlangten und als Geheimwissen an ihre Nachfolger weitergaben. Auch heute gibt es somit noch 7 verborgene Parfumeure, die in der 19. Generation diesen Schatz hüten. Niemand kennt sie mit Namen, und sie arbeiten nur für die Reichen und Mächtigen des Orients.

Hinweise auf Düfte finden sich sowohl in der Bibel, als auch im Koran. Der Prophet salbte seinen Bart mit Moschus – und dies wirkt als Inspiration bis heute fort.

Die arabische Parfumtradition entwickelte sich zeitgleich zur europäischen. Ihr Ursprung liegt in den Universitäten Ägyptens, wo aufgeklärte Geistliche und Wissenschaftler das Alkoholverbot des Islams auslegten. Zwar sei es verboten, Alkohol zu trinken, nicht aber, ihn zu anderen Zwecken zu verwenden. Damit war der Weg frei zur Destillation der Rose, später auch des Jasmins. 1865 brachte der Stammvater der Parfumfirma Al Qurashi diese Technik nach Mekka.

Apicius: So viel zur Vergangenheit – lass uns über die Zukunft reden! Was möchtest Du als Parfümeur erreichen? Worum geht es Dir?

U.M. Karali: Jeder Mensch hat seine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit. Dem entspricht, dass jeder Mensch seinen eigenen Geruch hat. Also muss sich auch ein Parfum so herstellen lassen, dass es diesen Menschen vollständig repräsentiert. Um dieses Problem kreisen meine Gedanken.

Apicius: Wie gehst Du da vor?

U.M. Karali: Der Körpergeruch ist wichtig, die Ernährung, selbst der Atem am Morgen gibt Aufschluss. Ein wirklich persönliches Parfum herzustellen, ist nur möglich, wenn der Kunde bereit ist, sich auf einen Prozess einzulassen. Es gibt einen Bogen mit teilweise sehr persönlichen Fragen zu diesen Dingen, und dann bitte ich um ein getragenes T-Shirt, was wir zur Verfügung stellen. Erst auf einer solchen Grundlage kann die Arbeit beginnen.

Apicius: Beeindruckend! Wie können denn nun die Leser von Parfumo deine Düfte kennenlernen?

U.M. Karali: Bis vor kurzem hatten wir unser Geschäft in Nürnberg im Südstadtcenter. Allerdings hat uns das dortige Ambiente nicht sehr zugesagt. Deshalb suchen wir gerade neue Räume. Wenn alles gut geht, eröffnen wir in Kürze neu im Stadtteil Gostenhof. Außerdem arbeite ich gerade an unserem eigenen Online-Shop. Interessenten dürfen mich aber auch gerne direkt ansprechen – auf Parfumo heiße ich E99EsAns.

Apicius: Was hat es denn mit diesem seltsamen Namen auf sich?

U.M. Karali: Bei EsAns geht es um Essanz Anspruchsvoll – und das E99 interpretieren je nach Kultur, Religion oder Wissen viele anders. Für manche 99 Sorten von Essenzen oder eine Deklarierungs-Nummer für Vegane oder die 99 Schönen Namen Allahs, die im Orient bekannt sind .. vielleicht gibt es aber auch 99 Gründe, unsere Parfums zu kaufen. Das denken viele andere Kunden auch!

E99-Esans ist ein Spiegel eines jeden - man sieht was man ist ...

Apicius: Ich wünsche viel Erfolg und bedanke mich herzlich für das Gespräch.

12 Antworten

Weitere Artikel von ParfumoBlog