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3lbows’ Blog
vor 3 Jahren - 17.03.2021
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Gedanken zum Signaturduft.

Als Parfumnärrischer macht man sich dann ja doch manchmal Gedanken. Bin ich noch normal mit so einem Hobby? Wie hat das eigentlich angefangen oder noch schlimmer: Wie konnte es soweit kommen? Warum habe ich Hausverbot bei Müller und Douglas? Muss ich zum Arzt, wenn ich Molecule 01 nicht riechen kann? Warum habe ich eigentlich noch keinen Signaturduft?

Halt. Signaturduft?

Nein. Als Parfumnärrischer kann man keinen Signaturduft haben. Der Signaturduft ist ein Mythos. Man fragt ja auch einen Militär-Memorabiliensammler nicht nach dessen Lieblingspanzer.

Schlechter Vergleich? Ok, dann lasst mich das mal erklären.

Frage dich zunächst mal ehrlich: In den letzten 30 Tagen, wie oft hast Du da Deinen Signaturduft getragen?

Der Parfumo per se ist ja erpicht auf neue Dufterfahrungen, forscht ständig den verschiedensten Duftbeschreibungen des Einen, Ultimativen hier, auf Fragrantica oder Basenotes hinterher, bestellt zig Abfüllungen, betätigt sich als Jäger und Sammler bei Notino, Flaconi und was weis ich wo und freut sich wie ein Schnitzel, wenn er irgendwo den nächsten Blindbuy mit 10% Rabatt abgreifen kann, nur um dann nach Zustellung der Duftpost festzustellen, dass wieder irgend etwas nicht passt: Ein synthetisches Kratzen hier, Reformulierungsschwächeln da, zu dominante Hesperiden und/oder Harze im Drydown und überhaupt: Die güldene Wolke, die sich unser angefixtes Duftgedächtnis nach all den selektiv quergelesenen Kommentaren bis zum Unboxing ausmalte fällt in sich zusammen wie ein nasser Waschlappen. Und riecht dann auch manchmal so. Außerdem lockt schon wieder der letztens viel diskutierte Guerlain mit ganz ähnlicher Duftpyramide. Vielleicht trifft´s der noch besser?

Zumindest bei mir scheint dieses Schicksal sehr viele in der Theorie noch vergötterte Düfte zu ereilen, sobald sie dann endlich im Haus sind. Täglich getragen verlieren sie ihren Reiz, Schwächen werden klarer sichtbar, man erwischt sich, wie man immer öfter wieder zu den andern schielt. Wie in einer echten Beziehung eben nur mit dem Unterschied, dass man letztere selbstredend nicht im Souk enden lassen kann.

Klar, jeder hat seine Vorlieben, aber wenn man dem Erkunden immer neuer olfaktirischer Welten verfallen ist, wann soll man die auflegen? Zur Arbeit wollte man ja gerade noch einmal die neu erstandene Abfüllung tragen um zu sehen, ob der Duft auch bei 6 Spritzern noch so schnell verfliegt. Hach, und das Statement zur Probenbeigabe von Parfumo DumbleScenter87 will ja auch noch geschrieben werden – ohne Probetragen geht da nix – das ist Ehrensache. So ist schnell die komplette Woche mit den verschiedensten Parfums durchgeplant, und wenn man nicht ständig Kaffeebohnen fressen und sich die Handrücken mit Ata abschrubben will, bleibt doch technisch gesehen gar keine Zeit für das Tragen des eines Duftes, an dem einen seine Mitmenschen erkennen können, die olfaktorische Visitenkarte sozusagen. Die kennen einen bestenfalls als den schrulligen »Fragrance-guy« auch wenn man noch so viele »Panty-dropper« auf allen freien Körperstellen aufträgt.

Als Duftconoisseur wählt man aber dann dennoch einen Signaturduft, man will ja das Fensterchen im Profil nicht leer lassen. Das darf natürlich kein Designer sein. Ein Klassiker, oder etwas aus der Nische, aber halt: Die Prollnische (Layton, Aventus, und ähnliche Verdächtige), die alle kennen, darf es natürlich auch nicht sein. Ich hab´s: die Vintageversion eines 80er Powerhouses muss es sein. Vor der Reformulierung. Der rauchige Batch. Im kantigen Flakon mit dem braunen Schraubverschluss. Ahh – damals war natürlich alles besser! Den hat bestimmt keiner, und nur mir erschließt sich seine wahre Tiefe. Mit ihm zeige ich meinen Mitparfumos, welch aufgeklärter Duft-Bonvivant ich doch bin. Aber mag ich den wirklich? Ist mein Flakon vielleicht gekippt? Ein bisschen schief ist er ja schon. Und die Farbe! Letztes Jahr war er doch noch grau! Hmm… Was sagt denn Check Fresh?

Nein, einmal dem Schnüffeln anheim gefallen, kann unsereins keinen Signaturduft per definitionem haben, denn sich dauerhaft auf den Einen festlegen fällt den meisten von uns wohl schwer, und dann auch noch an ihm erkannt werden?

Signaturdüfte sind das Privileg der Unaufgeklärten, bei denen neben Sauvage oder One Million bestenfalls noch ein Aftershave im Alibert steht. Aber hey, das ist doch OK?

Nachtrag vom 18.03.

Ich habe hier ganz bewusst polemisiert, einfach auch um einen Knochen in die Runde zu werfen und zu sehen, was passiert. Dabei werde ich der emotionalen Dimension der Thematik sicher nicht gerecht. Mit den Odeurs, die wir auflegen sind schließlich immer auch Stimmungen, ganz besondere Momente oder persönliche Erinnerungen verbunden. Wir können mit ihnen unsere eigene Gefühlswelt nach außen projizieren und damit teils sehr Intimes preisgeben, wenn wir das möchten. Wir können das Alphamännchen in uns ausleben, aber eben auch sehr intime Botschaften senden, oft verbunden mit der Sehnsucht, von anderen kohärent zum eigenen Selbstbild, der eigenen Befindlichkeit wahrgenommen zu werden. Wer diesen Aspekt als seine Signatur begreift, dem mag mein Blog sauer aufstossen. Ich wollte aber eher darauf raus, dass man eben diesen heiligen Gral als Parfumo nicht so unbefangen trägt wie Ottonormalverbraucher, den man tatsächlich schon an seiner Duftwolke identifizieren kann. Meine Duftleidenschaft hat ganz profan mit Just Rock von Zadig & Voltaire begonnen, einem Duft, der mich auf Mittelalterfestivals und Weihnachtsmärkte entführt, der mich so manchen grauen Wintertag mit behaglichem Selbstbewusstsein starten hat lassen, der mit seiner fast nischigen Andersartigkeit so manches nette Gespräch im Büro angeleiert hat, und den ich auch heute noch in meine persönliche Top 10 einordnen würde. Der Flakon ist noch fast voll. Leider.



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