4ajbukoshka
4ajbukoshkas Blog
vor 3 Jahren - 05.06.2021
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4ajbukoshka Verfressovna. Die Geschichte einer Essstörung. Oder: Warum Shalimar, L‘Eau d‘Issey und ich keine Freunde werden.

Einen wunderschönen guten Tag, verehrte Parfumas und Parfumos 🎀! 
Die Überschrift lässt vermuten, was nun folgen wird: (aus leider wieder einmal aktuellem Anlass) eine persönliche Anekdote - oder zwei - aus dem Leben von Signorina 4ajbukoshka.
Es geht dabei allerdings nicht primär um die im Titel genannten Düfte, sondern um das persönliche „Duftgedächtnis“ und die Träger_innen der Düfte, die man nicht lieben kann, wobei auch versucht wird, zu erläutern, weshalb dem so ist. Das alles geschieht wie immer absolut subjektiv und ist daher nicht als Bewertung der Vorlieben diverser Parfumas und Parfumos zu verstehen.

Nun. Dass wir mit Düften Erinnerungen, vor Allem aber Emotionen verbinden, ist den meisten hier mit Sicherheit bereits vor Artikeln wie dem aus dem Spiegel: „Zum Duftgedächtnis“ bekannt. Dass allerdings Düfte und Gerüche besser, allen voran aber gefühlsbetonter, erinnert werden als Bilder und demzufolge das Potenzial haben, stärkere Emotionen in uns hervorzurufen, DAS war 4ajbukoshka neu, bekommt sie doch jedes Mal einen Beinahe-Herzstillstand, wenn sie den Lockenkopf eines gewissen Signor Verbotengutaussehend oder das Titelbild von Gaudianos „Polvere da sparo“ erblickt. Diejenigen unter euch, die Prousts « À la recherche du temps perdu » (unter diesem Link kostenlos und digital abrufbar) mit etwas mehr Aufmerksamkeit gelesen haben als eine 4ajbukoshka, für die die mehr als 400 Seiten damals nur aus lästiger Pflichtlektüre bestanden, sind mit dem Proust- oder auch Madeleine-Effekt mit Sicherheit auch schon längst vertraut. Swann, Hauptcharakter dieses Romans, isst Madeleines und fühlt sich ab dem ersten Moment seiner Wahrnehmung von Zitronengebäck, Tee und Rum in seine Kindheit und alte Heimat zurückversetzt. Solche Anekdoten findet man zuhauf auch hier auf Parfumo, wo sie nicht nur bei 4ajbukoshka Lesefreude und Mitgefühl bis hin zu Begeisterung auslösen. So hat 4ajbukoshka auch schon das eine oder andere Mal über eine unschöne Begegnung geschrieben und dabei doch versucht, auch die positiv deutbaren Seiten ebensolcher Begegnungen zu schildern.
„L‘Eau d‘Issey“ („L‘Eau d‘Issey“ (EdT)) beispielsweise, das Parfum einer „Tante“, die in Verena umbenannt wurde, ist seit jeher wie die echte Verena der absolute Endgegner von 4ajbukoshka, die ihretwegen keine Nelken riechen kann und der bei der Wahrnehmung des in L‘Eau d‘Issey verwendeten Gemisch aus Veilchen, Rosen und Nelken die Nackenhaare zu Berge stehen, wie bei einer Katze, die gelinde gesagt nicht gerade begeistert ist, jemandem zu begegnen.
Was “Shalimar“ und „L‘Eau d‘Issey“ nun also gemeinsam haben: die Träger_innen dieser Düfte sind, so singen es alle Hobbypsycholog_innen und Psychologiestudierende unisono, narzisstisch angehauchte, manipulative Personen. Verena mit ihren 1,76m und Jean-Baptiste, Träger von Shalimar, 1,98m groß und sich selbst daher als Wand betitelnd, sind von beeindruckender Größe und Statur, die Personifikation von Overstatement. Und alle beide haben sie 4ajbukoshkas Wege gekreuzt und ihr stets erklärt, sie wäre zu „fett“. Dies ist ein Zitat Jean-Baptistes, Verena hatte hierfür andere Ausdrucksmöglichkeiten gewählt, subtilere, denen sie aber stets einiges an Gewicht beigemessen hatte (welcher Wortwitz, ha. ha). Als 4ajbukoshka etwa 15 Jahre alt war, hatte Verena ihr Geschenke mitgebracht. Ein lila Wäscheset und passend dazu lila Hängerohrringe. ALLE wussten bereits zu dieser Zeit, dass 4ajbukoshka Lila nie ausstehen konnte, schon seit Kindheitstagen nicht. Aber dazu kam: die Kleidung war drei Nummern zu groß für 4ajbukoshka. Als Verena also ihre Dankbarkeit erwartete, versuchte 4ajbukoshka es mit diplomatischen Worten. „Vielen lieben Dank für die Sachen! Es ist nur leider so, dass sie nicht passen werden, da ich in Damenkonfektion XXS benötige (und deshalb in der Kinderabteilung einkaufe). Aber vielleicht freut sich Cousine xy darüber?“ - „XXS? DU willst XXS tragen? Verkauf mich doch nicht für blöde. Als ob!“, tat sie mit einem Lachen ab, das 4ajbukoshka schon immer an Madame Medusa erinnert hatte, bevor sie noch weitere Gemeinheiten über das Äußere von 4ajbukoshka zum Besten gab.


Als 4ajbukoshka, zu der Zeit ein manchmal auch trotziger Teenager, dann also zurückschlagen musste, indem sie mutig grinsend die Kleidung über ihre eigene, eher locker geschnittene, anzog und unter tosendem Beifall einer ihrer Brüder demonstrierte, wie die Sachen ihr vom Laib rutschten, wurde Verena wütend und holte zum nächsten verbalen Schlag aus. Diesmal ging es also um 4ajbukoshkas (nicht vorhandenen) Intellekt, ihre Herkunft und darum, dass niemals jemand so ein undankbares Ding haben wollen würde. Garniert wurde dieser Monolog am Ende mit einem Satz heißer Ohren, fürs „Dumm gucken und nichts sagen [...], die pure Provokation“.
Alle Standpauken dieser Art, von denen es einige hagelte und nicht selten auch einmal „nichts zu Essen“ oder „keine Süßigkeiten für 4ajbukoshka, denn das Ding würde noch aus allen Nähten platzen“, wurden stets begleitet von „L‘Eau d‘Issey“, dem Statementparfum Verenas, ihrem absoluten Liebling, dem, der schon aus zig Metern Entfernung ihre Ankunft ankündigte.

So rieche ich „L‘Eau d‘Issey“ heute noch, auch wenn Verena und ihre Worte mittlerweile nicht mehr allzu oft meine Ohren mehr als tangieren - wenn es überhaupt dazu kommt. Mir dieser unschönen, beinahe traumatischen Begegnung durchaus bewusst, habe ich bereits auf eigene Faust versucht, „L‘Eau d‘Issey“ von seinem Fluch zu befreien. Es ist mir nicht gelungen. Ich habe mich vor mir selbst geekelt und mir geschworen, niemals so zu werden oder zu riechen wie Verena.
Es tut mir also leid um all die Meisterwerke und Klassiker, angesichts derer ich auch in Zukunft mindestens meine Nase rümpfen, möglicherweise aber auch die Flucht ergreifen werde, aber die Wissenschaft gibt mir recht (Spektrum: Warum wecken Düfte solche starken Erinnerungen?). Und ich habe es wirklich versucht. 
Was ich auch stets versuche: nicht beleidigend gegenüber anderen zu werden, wenn ich darüber sinniere, was dieser Geruch mit mir macht.
Anders als Monsieur Shalimar, Jean-Baptiste (der TATSÄCHLICH so heißt und dessen Namen ich aufgrund der Verbindung zu Grenouille nicht ändern wollte), der Shalimar insbesondere „pour l‘érotisme“ trägt und einer jungen Dame, die aufgrund eines angebrochenen Handgelenks, keinen Sport machen durfte und es weiterhin nicht übertreiben soll, kürzlich erzählen musste, sie, die sich aktuell an der unteren Grenze von Normal- bzw. Idealgewicht befindet, wäre FETT. (Er schrieb „fat“, auf Englisch, da er kein Deutsch spricht). Eine junge Dame, die zu Zeiten von Corona, Homeoffice und vorübergehender unbezahlter Arbeitslosigkeit versucht hatte, den Kopf oben zu halten, nachdem zu allem Überfluss ein anderer junger Mensch viel zu früh gestorben war, und sie wie jeder andere ihre eigenen Probleme mit sich herumschleppt.
Was er mit seinen Worten anrichten könnte, dessen war er, Anfang 30, Masterabsolvent, gesegnet mit einer großen Auffassungsgabe und nicht zu verachtendem Intellekt, sich bewusst, sehr bewusst. 
Ich kann mich also nicht oft genug wiederholen: das Problem sind die (- nicht alle) Träger, Verenas und Jean-Baptistes, nicht der Duft. Und so bin ich seit längerem dabei, den Fluch meiner Hassdüfte zu vertreiben, indem ich sie meinen liebsten Menschen andrehe, mindestens zum Testen, um irgendwann vielleicht doch mehr positive als negative Verbindungen damit und Erinnerungen daran zu haben.

...und wenn sie nicht gestorben ist, verfressovitscht sie weiterhin Gummibärchen, Süßigkeiten und Gourmands, denn das Leben ist zu kurz und Diabetes wird sie (klopft an dieser Stelle auf Holz) vom Riechen nicht bekommen.

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