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4ajbukoshkas Blog
vor 3 Jahren - 29.09.2021
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In Eile. Oder: Tshajbukoshka. Von versehentlichem Layern und anderen Unfällen.

Kennt ihr das? Es ist 21.39 Uhr, Ladenschluss aller Läden in unmittelbarer Reichweite ist 22.00 Uhr - und bei „unmittelbarer Reichweite“ schließe ich Läden, zu denen es zu Fuß oder mit dem Rad etwa zehn Minuten dauert, mit ein.

„Lohnt es sich dafür noch, das Rad fertigzumachen, die Lichter zu montieren oder überhaupt noch, das Haus zu verlassen?“, „Sehe ich überhaupt aus wie jemand, der das Haus verlassen sollte oder sollte man mich besser in einem Keller aufbewahren, bis ein besserer Tag angebrochen ist?“ und andere Gedanken schießen Signorina Tshajbukoshka durch den Kopf. Nach einem ausgedehnten Teammeeting, vielleicht dem letzten, das nicht in Präsenz stattfindet, öffnet sie den Kühlschrank und findet: nichts. „Nichts“ sind in dem Fall ein Glas Mayonnaise, Tomatenmark, eine Zehe Knoblauch, eine gelbe Paprika und ein Kühlbeutel. Während Signorina also in die Paprika beißt und gar nicht erst versucht, sich weiszumachen, sie würde davon satt werden, hastet sie zu ihrer Garderobe. Keine Zeit, keine Zeit! Um sich umzuziehen, bleibt ihr keine Zeit. Da ihre Eitelkeit es nicht zulässt, sich wie der allerletzte (die Betonung liegt auf ‚aller’) Flodder im Supermarkt des sozialen Brennpunktviertels zu präsentieren, wählt sie weise: die weißen Sneakers, deren Swoosh farblich zu ihrer sommerlichen Stoffhose, die sie nur zuhause trägt, da sie doch zu sehr nach Schlafanzug aussieht - für Tshajbukoshkas Geschmack - passt. Tfft tfft. RushRush aufgesprüht, das derzeit praktischerweise auf der Garderobe neben der Wohnungstür thront, und raus vor die Tür.

„Wer die Schleife seiner Schuhe nicht öffnet, muss sie nächstes Mal nicht binden“. Äußerst praktisch, dass Signorina Faulpelzkoshka wohl erst kürzlich solchen zeitsparenden Gedanken nachgegangen war. In exakt dem (im Dunkeln auf dem Foto nicht so gut zu erkennenden) Blauton hatte sie erst kürzlich eine Valentino gesehen. In Gedanken kombiniert sie jetzt daher ebendiese mit den Nikes, die sie seit über drei Jahren immer wieder und vor allem leidenschaftlich gerne trägt und verkneift sich das Lachen, während sie die Treppenstufen herunterhastet. Huch 😬? Was riecht denn hier so seltsam? Tshajbukoshka dreht den Kopf. Außer ihr ist niemand zu sehen, umso besser, denn draußen angekommen bereut sie ihre (Kunst-)Lederjacken-Schlafhosen-Modesünde ein bisschen. Ein großes bisschen, auch noch, nachdem sie sich daran erinnert, wie sie damals, im März 2020 von einem gewissen Italiener angesprochen wurde, als sie ein Nachthemd unter der Lederjacke trug, das sie unelegant und nachlässig halb in die Hose gesteckt hatte. Aber ihre immer noch etwas lädierte Nase möchte ihr gerade weismachen, sie rieche Rosen. Ganz bestimmt kommen sie nicht von Signorina, kann sie doch seit ihrem letzten Bulgarienaufenthalt Rosen in Pflegeprodukten nur in homöopathischen Dosen leiden. „Wooooher daaaann?!“ Nun. Des Rätsels Lösung findet Signorina Stinkekoshka auf ihrem Unterarm: TagtraumTagtraum. Wie ist er dorthin gekommen? Aber noch wichtiger: Wie konnte sie das nur vergessen?! Als sie am Vormittag des selben Tages das Altglas entsorgt hatte, tat sie das, was gute Schwäb_innen so tun: sich vergewissern, auch wirklich den letzten Rest von allem aufgebraucht zu haben. Aus diesem Grund war der Teigspatel ihr liebstes Küchenutensil und schnitt sie jede Tube Zahnpasta auf, sehr zum Leidwesen aller, die sie beim Entnehmen von Inhalt beobachten mussten. Sie hatte also wild die Flasche geschüttelt und durch die Gegend gesprüht, um dabei festzustellen, dass der Inhalt noch für einige wenige Spritzer reichte. „Sama vinovata!“ (Selbst schuld!) singen in ihrem Kopf Irina Bylik und Olga Gorbatsheva und gestikulieren wie in ihrem Video zu „Ja ne revnuju“ (Ich konkurriere nicht) dramatisch, schlagen die Hände vors Gesicht und lassen ihren Emotionen freien Lauf.

(Bild- und Tonquelle, wenn diese nicht gerade in Tshajbukoshkas Kopf abrufbar sind:)


So hatte sie also Rush gelayert - etwas, das sie nie tun wollte, da ihr dieser Duft immer wie ein kleines Meisterwerk, ein ganz besonderer Schatz, vorkam. Da aber ohne Neugier kein Wissen, steckt Tshajbukoshka angestrengt die Nase an ihren Arm. Und wieder kommt ihr ein Lied in den Sinn, diesmal aber ein deutsches und es geht „Mädchen, nimm mich, wenn ich stinke, denn sonst mach ich Winkewinke“ und endet mit „Miiiiieeeef sagt doch über den Charakter gar nichts aus!“ - oder so ähnlich.
Total bescheuert, denn wer möchte schon jemanden kennenlernen oder interessiert sich gar für deren Charakter, wenn diese Person stinkt? Pujujuj. Solche Aussagen könnte man vielleicht machen, wenn man sich kennt und sich sehr wohl seines außergewöhnlichen Charakters oder anderer Vorzüge (oder der Geruchsblindheit des Gegenübers) bewusst ist. Tshajbukoshka trägt Eau de Mief spazieren.Der Kellergeruch, den sie in Rush noch als angenehm und dezent wahrnimmt, mischt sich mit der Rose und es entsteht ein Horrorstreifen mitten im Brennpunktviertel, wo in Tshajbukoshkas Vorstellung eine Frau zu einem Date ausgeführt wird, freudig einen Strauß Rosen entgegennimmt, um dann angekettet in einem Verlies zu enden - und elendig zu verhungern. Gut, dass es Profis gibt, die wissen, was man womit layern kann, um die besten Nuancen von etwas zu betonen oder aber das Besondere aus etwas herauszuputzenden. Tshajbukoshka ist niemand davon. Sie findet es gerade gut, dass sie es noch rechtzeitig in den Laden (und wieder raus) schafft, noch besser, dass im Laden alle FFP-2- oder OP-Masken tragen und am besten, dass sie keinem gut aussehenden Italiener begegnet ist. So wie „damals“, im (Februar oder) März 2020. Aber das ist eine andere Geschichte.

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