Alexandrea

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1 - 5 von 8
Alexandrea vor 1 Jahr 4
7
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
7.5
Duft
Komm doch, lieber Frühling…
Ein Frühlingsduft musste her und zwar einer, bei dem mein Mann mal zur Abwechslung nicht die Nase rümpft… und den ich trotzdem mag :) Keine leichte Aufgabe und die Suche nahm ihren Anfang. Wohin sollte die Reise gehen? Nicht chyprig, keine Aldehyde, nicht zu blumig und erst Recht kein dominanter Jasmin, nicht schwer, nicht…heieiei…. Worauf hatte er zuletzt positiv reagiert? Olympea und Deci Dela. Den erstgenannten find ich ganz schön, hab noch einen Rest, finde ihn aber auch wuchtig. Letzteren hab ich, ist mir aber, da er nicht mehr hergestellt wird, für regelmäßigeren Gebrauch zu schade. Aber grundsätzlich: beschwingt fruchtig-sommerlaunig, ja das sollte die richtige Richtung sein. Ein Parfüm, das zu jeder Tageszeit geht und präsent aber nicht aufdringlich ist. Aber wieso hab ich auf gerade Lust auf so einen? Wo ich doch unabhängig von der Jahreszeit sonst lieber zu typischen Winterdüften tendiere und auch ganz allgemein herbe Komponenten im Duftverlauf sehr mag? Tja, also… mal überlegen.

Meine Duftsozialisierung begann ca. Mitte der 80er Jahre bevor ich überhaupt die Parfümgrößen der Zeit kennenlernte, ziemlich unspektakulär, nämlich im im Kaufhaus unseres Stadtteils. In der Schreibwarenabteilung gab es verschiedenfarbige mit klitzekleinen und superniedllichen Obstmotiven bedruckte Filz- und Bleistifte: Erdbeere, Banane, Orange, Blaubeere und noch mehr. Je nach Motiv strömten sie den entsprechenden Duft aus, manchmal steckte am Ende noch an einer bunten Kappe an einem farblich abgestimmten Bändchen ein kleines Plastik-Früchtchen. Entzückend !!!
Solche Stifte waren neben dem eigentlichen Geschenk eine begehrte Beigabe für Kindergeburts-tage. In meiner Erinnerung hab ich die Dinger eher an andere abgeben - ehm, verschenken - müssen. Hart war das: das Objekt der eignen Begierde aussuchen und dann nicht behalten dürfen. Und die Variante „eins für mich, eins für das Geburtstagskind“ stand erst gar nicht zur Diskussion, sondern Abwarten bis man selbst an der Reihe war. Meine Sammlung war spärlich - was hab ich die Mädels beneidet, die mit fast allen Sorten ausgestattet waren! Aber ganz außen vor war auch ich nicht und bei dem Bild, wie wir uns in den Pausen wie Junkies die Stifte zum Schnuppern unter die Nase hielten, um uns gegenseitig die neuesten Errungenschaften vorzuführen und bewundern zu lassen, muss ich heute noch lachen. Synthetisch rochen die Stifte, waren aber einfach cool. Und sie passten zur „Prinzessin Lilyfee der Vorzeit“: Emily Erdbeer und ihre Freundinnen in ihrer rosaroten Welt, in der die schwierigste Entscheidung darin bestand, welche Cremetörtchen fürs nächste Picknick gebacken werden soll. Ich glaub ja, das Orangella Obstblüte für Alibi Pate gestanden hat ;) All diese niedlichen Attribute unserer Kindheit bescherten uns Spaß sowie ein wenig Abwechslung und Abenteuer im Alltag.
Später folgte dann Oilily, das bei so einigen Mädels unserer Schule als erstes „richtiges Parfüm“ zum Einsatz kam. … da war ich dann allerdings schon mit Samsara & Co. auf anderen Pfaden unterwegs

Alibi riecht für mich nach dieser unbekümmerten Zeit, als der Duft der Stifte uns Mädchen selbst verzauberte und nicht dazu benutzt wurde, um zu verzaubern. Unbekümmert mit den Freunden tuschelnd und kichernd nach Hause schlendern, vielleicht ein Eis in der Hand oder die sorgfältig ausgewählte „gemischte Tüte“ vom Kiosk. Nicht edel, wichtig, schlau, unnahbar, vernünftig, ernst oder sonstwie daherkommen, sondern einfach nur „sein“ … ohne eine manchmal anstrengende soziale Rolle erfüllen zu müssen.

Alibi riecht für mich nach dieser unbeschwerten Zeit, aber nicht nach Kindlichkeit. Es ist fruchtig, spritzig, etwas synthetisch, nicht zu laut, nicht zu leise (H &S), nicht bedeutsam, sondern freundlich, fröhlich und unkompliziert. Nicht mehr, nicht weniger… aber für mich genau richtig, um ins Frühjahr zu starten.
Was die hier häufig angesprochene Ähnlichkeit mit Olympea betrifft: ja, die besteht in Teilen. Olympea ist weniger fruchtig, es lebt vielmehr vom Spiel der Protagonisten Salz und Vanille wodurch ich Olympea als dunkler und schwerer und in seiner Wirkung auch verführerischer empfinde. Es ist für mich eher ein Parfüm für den Abend. Alibi gehört zur Kategorie der süßen Düfte, ist aber weniger vanillelastig. Die zitrische (oder fruchtige) Frische, die laut Duftpyramide von der Mandarine in der Kopfnote herrührt, bleibt bei mir, bis der Duft in Basis übergeht. Daher empfinde ich Alibi im Vergleich zu Olympea als heller und heiterer.
Da Haltbarkeit und Sillage recht gut sind, dosier ich Alibi mit max. 2 Sprühstößen eher sparsam.; trotzdem nehme ich Alibi auch nach vielen Stunden auf einem konstanten Level noch gut an mir wahr. Alibi hat auch mehr Durchhaltevermögen als „In Flames“ von La Rrive, einem weiteren Duft, der Olympea ähnelt. Da muss ich aber nochmal genauer vergleichen. In Summe finde ich jedenfalls das Preis-Leistungsverhältnis echt in Ordnung.

Alibi - Wieso der Name?
Der Duft hat was Naives an sich ….
Wer was ausgefressen hat, kann ja sein Glück versuchen mit seiner Hilfe andere von seiner Unschuld zu überzeugen ;)

Was meinen Mann betrifft: er mag Alibi an mir von der ersten Sekunde an - und nicht erst, wenn der Duft schon fast in den Drydown übergeht: Hmm, du riechst gut! Differenzierter wird’s nicht, reicht mir aber völlig.

Ich wackel jetzt ab zum Kühlschrank… hab grad Lust auf einen Fruchtzwerg bekommen und denk mit Vorfreude an die bevorstehenden ersten Frühlingstage, ans Wegpacken meiner Winterjacke, an gesellige Verabredungen im Biergarten. Also, ich wär dann jetzt bereit
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Alexandrea vor 3 Jahren 18 3
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Das Tüpfelchen auf dem "J."
Was hab ich mir an diesem Parfüm die Zähne ausgebissen! Ich kenn es jetzt bald seit 30 Jahren, fand es immer faszinierend... Auch schon mit 17 - und dass, obwohl die Werbekampagne mich so gar nicht ansprach: die krass hart und akkurat geschminkte Frau mit Hut und Handschuhen sowie fettem Schmuck war mir unsympathisch: zwar sehr präsent, aber in der Wirkung äußerst distanziert und kalt.
Früher, also in der Steinzeit, kauften auch Teenager zwecks Stilentwicklung noch Zeitschriften. Der Einstieg begann mit Bravo Girl oder Mädchen, später dann Cosmopolitan oder Vogue. Letztere war schon eine Anschaffung, dafür gab es aber auch tolle Pröbchen :-)
Trotz meines schon früh vorhandenen Interesses an der Duftwelt, fiel Paloma Picasso als potentieller Testkandidat durchs Raster:
Diese angepinselte Frau fand ich so sexy wie Joan Collins in ihrer Rolle als Oberhexe im Denver Clan!
Nicht nur Null Identifikationspotential, sondern pure Ablehnung und Ignoranz bzgl. Der Pröbchen.... Bis..., ja bis ich eine Miniatur des Duftes mein Eigen nennen durfte und dann auch noch Kunst als Abifach gewählt hatte. An Picasso kommt man da nicht vorbei ;-) und guckt doch nochmal genauer hin.

Flakon (Miniatur!): ein schwarzer Ring eine Glaskugel einrahmend, fand ich schon mal innovativ und stylisch!
Inhalt: der erzeugte bei mir ambivalente Gefühlsregungen. Der herbe, moosige Auftakt zieht durch bis in die Stirnhöhlen: Oha, echt streng! Absolut nicht Mädchen (war ja klar), aber auch nicht weiblich oder feminin. Neeee, geht gar nicht! Doch nach einigen Minuten kam und kommt eine Duftkomposition zum Vorschein, die ich einfach nur spannend finde: Blumen, die nicht "Weibchen" schreien, Gewürze, die nicht gourmandig rüberkommen. Unsüß, aber eben doch sanft und in sich rund. Ein ganz seltsames Zusammenspiel, das mich süchtig macht. Ich kann das Rätsel nicht entschlüsseln, es beflügelt meine Fantasie: toll!
Nur: wo in mein Leben passt dieser Duft bloß hin außer ins Fläschchen im Regal?
Ich möchte doch nicht nur dran riechen, ich möchte das Parfüm auch tragen. Hab ich natürlich auch, aber meist nur für mich.
Paloma Picasso kann furchtbar aufgesetzt wirken, wenn es als Kunstwerk nur vor sich hergetragen oder übergestülpt wird und nicht mit dem Träger (unisex unterschreibe ich) oder der Trägerin zur Einheit verschmilzt.
Nach dem sehr zurückhaltenden Verbrauch der Miniatur, kaufte ich nie nach, aber er blieb in meinem Gedächtnis.
Inzwischen besitze ich seit einiger Zeit einen halbvollen ovalen Flakon von 1999. Ausgeführt habe ich den Duft lange Zeit trotzdem nicht, denn bisher wusste ich nicht, wie ich ihn kombinieren soll, er wirkte immer fehl am Platz.
Aber jetzt hab ich's:
mein Paloma-Outfit besteht aus einer lockeren, aber schmal geschnittenen, schwarzen Crepe-Bluse mit Henleyausschnitt, einer dunkelblauen Skinny-Jeans mit High Waist, dazu cognac-farbener Gürtel und passende braune Stiefel (flacher Absatz, aber nicht derb). Haare: bloß nicht streng frisieren, sondern offen mit leichten Wellen tragen.
Schminke: ja, aber eher dezent und natürlich! Kein dramatischer Auftritt, aber auch nicht Jogginghose, statdessen
eine klare, schlichte Linie, aufgelockert durch natürliche weibliche Akzente:
das ist für mich der Look, dem Paloma Picasso das perfekte Finish verleiht: sozusagen das Tüpfelchen auf der Jeans, dass dem klassischen "kann man nichts mit falsch machen"- Outfit Leben einhaucht. Ich finde sogar, das Parfüm verlangt nach stilvoller Zurückgenommen
-heit, um leuchten zu können.
Und plötzlich heißt es auch: wow, du riechst gut!

Und so würd ich dann auch mit PP tanzen gehen :-) ... wenn das dann mal irgendwann wieder in der Öffentlichkeit möglich sein wird...

3 Antworten
Alexandrea vor 4 Jahren 12 2
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
1919 für 2020... meine "Rhapsody in Blue"
Da ich die Vintage-Versionen meiner favorisierten Düfte aus meiner Jugend- und frühen Erwachsenenzeit nun bald zusammen habe, musste das Jagdrevier erweitert werden. Ich beschäftigte zunächst mit "Jahrgangsparfüms", womit ich Parfüms meine, die im Geburtsjahr meiner Lieben erschienen sind. Beim Studium driftete ich aber immer weiter ab: Welches Parfüm ist das Älteste, Welche Parfümhäuser sind wie lange auf dem Markt? Ich kam vom Höcksken aufs Stöcksken... gibt es von den alten Kreationen überhaupt noch welche auf dem Markt?
So landete ich bei Guerlain, studierte eure Kommentare und Statements zu Jicky, L'Heure Bleu und eben auch Mitsouko. Alle drei machen mich unglaublich neugierig, aber irgendwo muss man anfangen und das Los fiel auf Letzteres.
Den Grund dafür findet ihr oben im Titel :-D
Sylvester steht vor der Tür, wir planen schon lange an der Feier herum, Motto 20/20.
Ein Parfüm von 1919,dass seiner Zeit voraus war, um ins Jahr 2020 hinüberzugleiten??? la, hat was!
Ich also los, um die Parfümerien meiner Stadt abzuklappern. Und tatsächlich, eine (!) davon hatte Mitsouko samt Tester im Regal stehen.

Ich hab Mitsouko direkt aufs Handgelenk gesprüht und schon Sekunden später konnte ich erahnen, was der Kopfnote folgen wird.

Die Kopfnote startet wie ein Paukenschlag, gleißend hell. Oha, das kickt direkt ins zentrale Nervensystem. Bergamotte und Zitrusfrüchte wirken wie eine kalte Dusche, ein Weckruf, der die gesamte Aufmerksamkeit fordert. Dieses Helle und Klare tritt zwar zurück, bleibt aber im Kern erhalten und, gibt dem Duft eine subtile Kühle. Diese Kühle lässt nicht frösteln, sie scheint eher die Atemwege zu öffnen, den Kopf zu befreien. So, als würde man nach langer Zeit, die man in einem mit Menschen überfüllten Raum verbracht hat, wo man sich gegenseitig den Sauerstoff wegatmet, dann endlich wieder ins Freie treten. Ich hoffe, ihr versteht was ich meine. Ich meine nicht den "Fisherman's Friends"-Effekt, einfach nur das Gefühl von frischer, sauerstoffreicher Luft, die wieder in die Lunge strömt. Dieser Effekt bleibt im Anschluss durch eine wohldosierte Prise Zimt und Gewürze erhalten. Aber hier entwickelt sich keinesfalls ein Weihnachtsmarktduft oder gar ein scharfes Chai-Latte Aroma. Diese Gewürze sind insgesamt so schmeichelhaft, so überaus sanft, wie ich sie noch nie gerochen habe. Bis auf die Zimtnote treten für mich keine weiteren Gewürze klar definierbar hervor, dennoch sind sie da. Mitsouko entwickelt auf meiner Haut eine orientalische Note, die sehr weich, rund und minimal süß ist. Hinzu kommt ein Akkord von Blumen. Zwischen all dem schwebt der Pfirsich, lugt hervor, zieht sich wieder zurück... oft kann ich ihn nur erahnen, aber nicht greifen. Tiefe erhält Mitsouko durch holzige Noten, die zumindest bei mir nicht kratzig-grün anmuten. Immer wieder tauchen die verschiedenen Themen im Duftverlauf auf. Das ist so spannend, so komplex ohne umzuhauen. Ich finde ihn absolut "WOW".
Spät abends, gut 12 Stunden nach dem Aufsprühen, war das Parfüm noch da.
Nun besitze ich stolze 75 ml, Baujahr 2018.

Sillage: die erste Stunde raumfüllend, danach moderater (40-50 cm?), dafür über Stunden sehr konstant.
Flakon: zeitlos schön; eine Verschlusskappe aus Glas wäre noch angemessener. Inhalt und Verpackung passen aber gut zusammen. Ist schließlich kein Extrait ;-)

Leider fehlen mir die Worte, um die Wirkung von Mitsouko auf mein Empfinden beschreiben zu können, aber es gibt Parallelen zu Gershwins "Rhapsody in Blue" von 1924. Gershwin deklarierte es als "musikalisches Experiment", das traditionelle Sinfonien mit modernem Jazz verknüpft. Bis heute ist die Rhapsody in Blue eines der meist gespielten Stücke, weil sie den Menschen iunter die Haut geht. Wer sich auf sie einlässt, den nimmt, besser, reißt sie mit. So wie Mitsouko: Mitsouko erdet und verführt, lässt träumen und beschwingt, fordert und entspannt....
Ob Gershwin sein Vorbild in Guerlain sah? Ja, ich weiß, ziemlich weit hergeholt. Was beide Schöpfer miteinander verbindet, ist folgender Gedanke: Das Gute der Tradition nicht verteufeln, sondern es durch das Neue lebendig halten, im Hier und Jetzt stehen, den Blick in die Zukunft gerichtet. Das ist und bleibt modern!

Ich möchte mit meinem Musikbeispiel schließen und bin gespannt, ob ihr noch weitere findet.
Habt ihr eine gute viertel Stunde Zeit? Ja? Ok, dann: lasst die Musik auf euch wirken!
Wer mag, der suche sich nun eine bequeme Couch, lege die Füße hoch, schließe die Augen, lausche und spüre der Musik nach:

Leonard Bernstein, "Rhapsody in Blue" von George Gershwin (Live)

Aktuelleres Beispiel, das die 20er modern aufarbeitet:
Zu Asche, zu Staub (Severija, Babylon Berlin)

Ich finde, dass "Mitsouko" eine Alleskönnerin ist: Sie passt zum Kuschelpulli und dicken Stricksocken, zu Jeans und T-Shirt bis hin zum Abendkleid. Mit Japan assoziiere ich das Parfüm allerdings nicht.
2 Antworten
Alexandrea vor 5 Jahren 7 5
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Über Sekt und Sinnlichkeit
Diese Assoziation führe ich weiter unten aus, bis dahin bitte ich um Geduld und etwas Verständnis für das Ausbreiten meiner Duftvergangenheit :-)

Vorgeschichte:
Deci Dela kreuzte in den 90er Jahren meinen Weg. Damals, also zu Beginn der 90er, rangierte Jil Sanders Sun ganz oben auf der Hitliste der Sommerdüfte - an jeder Ecke roch es danach. Der Duft gefiel mir und ich besaß ihn zunächst auch, doch mit der Zeit war er mir halt nicht mehr individuell genug. Eine Alternative musste
her. Laura von Laura Biagiotti, damals noch recht neu auf dem Markt, besaß schon meine Freundin, Mist :-/
Dann war da noch Eden von Cacharel: damals ein ambivalenter Duft für mich. Einerseits bezauberten mich die hellen Blütenakkorde, andererseits empfand ich die grünen Duftkomponenten als stechend und scharf. Zu riskant für mein knappes Budget, um ihn dann doch nicht richtig zu mögen.
So, und dann kreuzte irgendwann Deci Dela meinen Weg. Es roch so völlig anders als das, was der Mainstream ausführte, nämlich fruchtig-blumig-fröhlich-unbeschwert. Ich weiß noch, dass ich viele Komplimente für Deci Dela erhielt. Mein Flakon begleitete mich durch zwei Sommer, wurde dann aber durch Tribù von Benetton ersetzt... ein Geschenk. So kaufte ich Deci Dela nicht mehr nach, denn ich konnte mir halt auch nicht ständig neue oder gar mehrere Parfüms leisten. Jeder einzelne Duft war für mich immer Luxus; Parfüms waren überwiegend Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenke. Und nicht immer gingen (und gehen) Wünsche in Erfüllung ;-)

Deci Dela, den Namen vergaß ich, nicht aber den verspielten Flakon. In den letzten Monaten bin ich auf Raritätenjagd gegangen: noch einmal an den Schätzen (!) der Vergangenheit schnuppern. Beim Stöbern und recherchieren fiel mir Deci Dela wieder ein, obwohl ich lange nicht mehr daran gedacht hatte. Es brauchte einiges Querdenken, bis ich den Namen wieder auf dem Schirm hatte. Vermutlich musste ich erst das Parfüm von Donna Karan (1992) sowie Cristobal von Balenciaga auf meiner Retro-Wunschliste abhaken, um die Erinnerung an weitere Nostalgiedüfte freizulegen.

So, jetzt hab ich eine Miniatur ergattert, das Concentree.
Schade, dass ich mich erst jetzt wieder erinnert habe, denn ich habe neben meiner Retrotour im Netz in den vergangenen Wochen auch nach einem "immergehenden" Sommerduft gesucht Dank Parfumo bin ich auch fündig geworden. Diese Neuanschaffungen, Emozione von Ferragamo, Live in Love von Oscar de la Renta) mag ich beide sehr. Sie sind beide recht unkompliziert, frisch und nicht zu schwer. Beide halten auf meiner Haut allerdings auch nicht allzu lange.
Doch jetzt bin ich ganz von den Socken, denn Deci Dela stellt für mich das absolute Highlight dar, das Nostalgie mit dem "hier und jetzt" verbindet.
Kennt ihr die Jules Mumm-Werbung, in der ein paar junge Frauen, duftig leicht gekleidet, zusammensitzen, Weintrauben naschen und ihr Sektchen trinken. Aus dem Off ruft eine Männerstimme, mahnt -glaube ich- zum Aufbruch. Die Mädels lachen auf: ne, jetzt nicht, es ist grad zu schön... Die dargestellte Szene fängt einfach einen schönen Moment unter Freundinnen ein, der Rest der Welt ist gerade einfach mal egal.
Ich finde, dass Deci Dela diese unbeschwerte Stimmung wiedergibt! Er prickelt und beschwingt, ist fruchtig-spritzig, nicht klebrig süß, nicht schwer oder gar schwülstig, ist dazu noch mit einem Durchhaltevermögen ausgestattet, dass den meisten Sommerdüften abgeht. Die ganzen Früchte und Blumen sind harmonisch aufeinander abgestimmt, so dass Deci Dela nicht einfach nur nach einem mit Blumen dekorierten Obstkörbchen riecht. Die Blumen treten nicht allzusehr hervor, sie fügen sich ins Duftbild ein. Mir fallen am eindeutigsten eine süße Rose und Fresien auf, insgesamt sind es helle Blüten, die das Parfüm zum strahlen bringen. Saftige Himbeeren und ich vermute auch rote Johannisbeeren bilden zusammen mit hellem Pfirsich die fruchtige Komponente. Sie ist süß, aber nicht synthetisch, nicht überreif. Das Bezaubernde an diesem Duft ist diese Ausgewogenheit von Säure und der natürlichen Süße frischen Obstes. Dadurch wirkt der Duft prickelnd und unglaublich erfrischend. Zudem ist Deci Dela angenehm pudrig, er staubt aber kein bischen! Elegant ist Deci Dela meiner Meinung nach nicht, kein Champagner, aber auch keineswegs ein belangloses Wässerchen! Tiefe erhält diese zauberberhafte Kreation durch eine sehr natürliche, beinahe unsüße Vanille, zu der sich Sandelholz und Patchouli gesellen. Die Bestandteile der Basisnote drängen sich nicht nach vorne, sie haben eher den Effekt der Prise Salz im Kuchenteig.
Chypre? Nicht bei dieser Variante. Es kratzt hier nichts in der Nase, nichts Herbes drängt sich in den Vordergrund.
Insgesamt wirkt Deci Dela auf mich fröhlich, unbeschwert, verspielt, unschuldig, sinnlich und dadurch durchaus sexy. Es ist kein lasziver Duft, der durch subtile oder eine wie ein Aushängeschild vorangetragene Erotik betört. Deci Dela erinnert an das strahlende, entwaffnende Lachen eines Menschen, dessen Herz gerade vor Glück überquillt. Das schönste, was es an einem Menschen überhaupt geben.kann!
Trotzdem ist dieses Parfüm komplex genug, um auch von Frauen jenseits der 30, 40, 50 .... getragen zu werden, ohne albern zu wirken: Glück kennt kein Alter!
Er passt sparsam dosiert gut in den Alltag und etwas mutiger aufgetragen bestens auf Partys, aber meinem Empfinden nach nicht zum Opernball.
Deci Dela ist, wie oben schon erwähnt, kein klassischer Wummser, mit dessen Sillage man seinem ganzen Umfeld seine Ankunft mitteilt. Die Sillage bleibt verhältnismäßig nahe am Körper, strahlt gerade so weit aus, dass er von Menschen wahrgenommen wird, die etwas näher an einen herantreten, neben einem stehen oder sitzen. Und das finde ich richtig gut! Dafür hält er dieses Level mehrere Stunden aufrecht, bevor er verblasst.

Deci Dela hat bei mir voll eingeschlagen, offenbar stärker als vor bald 25 Jahren! Ich frag mich jetzt, wie ich den Namen nur jemals vergessen konnte.
Und wie gelange ich nun an Nachschub??? Fatale Angelegenheit :-/

Nachtrag:
Habe gerade die nachwachsende Generation nach ihrer Meinung gefragt: Töchterchen (18) meint, dass Deci Dela schon besser sei, als das, was ich sonst präferiere, allerdings nehme sie auch hier noch einen seifigen Unterton wahr. Meine Güte, ich riech den nicht...

Ich habe vor einigen Monaten einen fast vollen 50 ml Flakon ergattert:
Irgendwie schlagen die "Harze" stärker durch, als sie sollten. Richtig gekippt ist das Parfüm wohl nicht, aber durch das Ungleichgewicht verliert es seine Spritzigkeit. Die schimmert leider nur noch durch den herben Vorhang hindurch.... Schitte :-(
5 Antworten
Alexandrea vor 5 Jahren 10 1
Von Plastikschleifen-Broschen, Plastikmodeschmuck und Plastikkörben in allen Farben
Flashback vom Feinsten: heute schoss mir durch den Kopf, dass mein frühestes Interesse an "Parfüm" (naja) diesen drei bunt gepunkteten Pülleken galt. Die standen hübsch nebeneinander in der Drogerieabteilung unseres Stadtteilkaufhauses und ich stand mit sehnsüchtigen Blicken vor den bunten Verpackungen und testete verschämt...Parfüm nehmen doch nur "die Großen", ich war noch Kind und damals 12 / 13 Jahre alt
Der Preis: für mich damals unerschwinglich (10 DM?). Also Rückzug in die Schreibwaren-abteilung und ab zu den Duftstiften, die entsprachen bzgl. Kaufoptionen eher meinem Budget und sorgten in der Schule auch immer für Gesprächsstoff :-D
Zu der Zeit übte auch die Stadtteilkirmes, dort insbesondere die "Raupe - mit Verdeck", eine große Anziehungskraft aus: erstmalig nicht wegen der Karusselfahrten, sondern wegen der Jungs. Insbesondere die etwas älteren Bengel fanden meine Freundinnen und ich neuerdings ganz interessant, beäugten sie aber eher aus angemessener Entfernung. Auf die Jungs zugehen, sie womöglich ansprechen? Um Gottes Willen: nein! Also drappierten meine Fereundinnen und ich uns möglichst lässig am bevorzugten Fahrgeschäft, wippten zu der damals brandaktuellen Coverversion von "Reet petite" mit und hofften, warteten, fuhren ne Runde, standen wieder ans Geländer gelehnt doof rum, lauschten den nächsten Songs, quatschten und gackerten herum. Half alles nix: die Jungs kamen nicht rüber :-D
Also eine Runde über die Kirmes und das letzte Geld für ein paar Lose ausgeben. Katja gewann einen dieser damals sehr trendigen Einkaufskörbe/Strandtaschen aus Plastik in quietschpink, Birgit ein paar megafette Plastikohrringe in hellblau.... ich nichts. Ah, welch Glück, hatte noch 1 Mark in der Hosentasche gefunden, also ab zum nächsten Stand, um einen Trostkauf zu tätigen: 1 rote "Brosche" mit weißen Punkten für meine Jeansjacke - aus Lackfolie in Schleifenform. Voll süß :-) So, Welt wieder heile!
Und am nächsten Tag wieder ab nach "Wortmann", Glitzer- und Duftstifte bewundern und nochmal testen, welcher der schönste der drei Betrix-Düfte ist. Theoretisch der Pinke, weil die Farbe des Flakons einfach am schönsten war, auf jeden Fall hatte ich einen Favoriten und fand ihn "mega". Und mit dem Duft, da war ich mir sicher, würde mich auch dieser eine nette Junge aus der Klasse über mir bemerken und mit mir ein paar Worte wechseln... Das waren meine Gedanken beim Einschlafen. Und weiter reichten meine Träumereien auch nicht ;-)
... ich besaß den Duft nie! Ich weiß auch nicht mehr wie er roch, aber er stellte für eine Weile eine große Sehnsucht dar, erschien mir als "das" Rezept gegen Unsichtbarkeit.... an all das erinnere ich bestens!
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