Annenas
Annenas’ Blog
vor 3 Jahren - 16.07.2021
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Mysterium Molecule 01, Anosmie und Subjektivität

Vor ein paar Wochen bin ich endlich auf den Molecule Zug aufgesprungen. Ich habe mich so angezogen gefühlt von dem Konzept eines Duftes, der mit meiner Chemie reagiert, nie zu aufdringlich wird und schlicht, linear immer gut performed. Also gesagt, getan, ich habe hier einen Restflakon erstanden und gleich mal testgeschnuppert. 

Fingers crossed, dass ich ihn riechen kann - hatte ich doch von so vielen gehört, die Iso-E nicht wahrnehmen können, also anosmisch reagieren. Aber was genau ist eigentlich Anosmie? Heißt das, dass ich einen Geruch schlicht nicht wahrnehmen kann, niemals? Meine Nase sagt nein, denn nach ein paar mal schnüffeln, bei denen ich nur Alkohol riechen konnte und ein paar Mal tragen begann ich den wundervollen Duft wahrzunehmen. Irre, wie die Nase eine Weile brauchen kann, um einen Geruch "abzuspeichern". Jetzt kann ich Iso-E tatsächlich auch immer riechen, nicht nur sporadisch, sondern wie jedes andere Parfum, wenn ich meine Nase an die Stelle halte, an der ich es aufgetragen habe.

Spannend finde ich auch, wie unterschiedlich Molecule 01 wahrgenommen wird. Während der Großteil der Community sich einig ist, dass ein Zeder-Sandelgeruchsgemisch dominiert, gibt es doch Diskussionen um den restlichen Eindruck. Für mich und an mir ist das Iso-E Super in Molecule 01 clean, leicht cremig und weich, irgendwie etwas moschusartig und wir würziges Sandelholz. Andere nehmen ihn stechend und synthetisch wahr, wieder andere fast schon aquatisch und so weiter und so fort. Ein gewisses Maß an Subjektivität gibt es bei Parfums ja immer, aber in der Regel lassen sich doch einzelne Noten aus der Pyramide identifizieren. Bei synthetischen Moleküldüften, die wie die Molecule Reihe nur eine einzige Note enthält, faszinieren mich die subjektiven Eindrücke allerdings am meisten. Hier kann die Nase einen Duft in seiner puren Form erkunden und lernen, sie in anderen Düften zu identifizieren. Während wir manche Noten allein nicht leiden können, mögen wir sie in Kombination mit anderen Düften, oder nehmen sie dann gar nicht wahr. Manche Noten sind rein ihrer Natur nach dominanter, aber mit etwas Übung und Konzentration lassen sich in der Regel noch einzelne Bestandteile erschnüffeln. 

Aber wie kommt das eigentlich mit der Anosmie, Nasenblindheit? Warum können manche Menschen Iso-E gar nicht oder nur sehr viel schlechter wahrnehmen als Andere? Und ist das ganze einfach eine Frage des "Trainings", so wie bei mir, oder gar angeboren? 

Tatsächlich ist Anosmie im Zusammenhang mit Molecule 01 der falsche Begriff. Als Anosmie bezeichnet man immer den teilweisen (selektive Anosmie) oder kompletten Geruchsverlust (totale Anosmie), der unterschiedliche Gründe haben kann, aber nur selten angeboren ist. Tatsächlich kann von einer Verletzung an und in der Nase selbst, bis zu einer Störung im für das Riechen zuständigen Gehirnareal oder schlicht Überlastung durch Umweltfaktoren alles mit dabei sein. Auf ihrer Website beschreiben Escentric Molecules das Phänomen wie folgt:  "Iso E Super has a marked intermittence. To the wearer, it seems to vanish and then re-appear. This is due to the way it bonds with receptors in the olfactory system, only slowly releasing to make way for a fresh charge of the molecule on the receptors."

In der Theorie sollten also alle Menschen in der Lage sein, Iso-E wahrzunehmen. Manche nur eben wohl besser, empfindlicher als Andere. Das ist natürlich sehr vereinfacht gedacht, da immernoch (ta daa) die Subjektivität eine gigantische Rolle spielt, denn wenn Iso-E rein mechanisch wahrnehmbar ist (Andocken eines Duftmoleküls an einen Rezeptoren), heißt das noch lange nicht, dass unser Hirn auch aktiv den Reiz verarbeitet und gar mit dem, was wir uns gerade auf die Haut gesprüht haben zusammenbringt. Unsere Wahrnehmung sucht in der Regel nach bekannten Reizen, sprich, wir riechen bei Molecule 01 ganz gerne zuerst einmal den kosmetischen Alkohol. Das ist bei vielen Parfums der Fall, bis der Alkohol etwas getrocknet ist, doch für viele bleibt dieser Eindruck bei Iso-E auch der letzte, denn das neue, "unbekannte" Molekül Iso-E, was sich zudem noch in kleineren Mengen an den Rezeptoren absetzt, wird schlicht nicht als relevant wahrgenommen. 

Schon irre, oder? Ich weiß, ich grabe hier einen alten Hut aus, und Parfumo hat selbst einige spannende Interviews mit Expert:innen geführt, die das ganze viel besser erklären können als ich. Aber trotzdem finde ich immernoch spannend, dass ein Duft so viele Menschen faszinieren kann, einfach ob seiner simplen Eigenständigkeit und dem Versprechen eines kleinen Mysteriums für die Entdeckernasen.

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