Ashton

Endlich. Es musste anscheinend mehr als 35 Jahre dauern, bis dieses Meisterwerk wieder in meinen Besitz gelangen konnte. Und das zu einem relativ leistbaren Preis.
Natürlich schwelgen Erinnerungen, nicht gerade wenige, und Assoziationen mit (wie bei all den Düften, die man sich nach jahrelanger Abstinenz wieder zu Gemüte führt).
Hinzu kommen eine natürlich sehr hohe Erwartungshaltung gepaart mit der im Lauf der Jahre stattfindenden Veränderung des Duftes. Aber nach Abzug der Cons und dem Ausgleich der persönlichen Pluspunkte gab es trotzdem keine Enttäuschung. Ganz im Gegenteil. Ich wurde mit einem außerordentlichen Dufterlebnis belohnt, das ganz großes Kopfkino auslöste.
Sport de Paco Rabanne bzw. Paco Rabanne Eau de Sport ist ein Sportduft, aber nicht einer wie man ihn heute kennt oder was man heute darunter versteht. Ein Duft für den Gentleman-Sportler aus noch nicht so lange zurückliegenden Tagen. Erinnert mich stark an Jean Patou Lacoste, obwohl dieses 18 Jahre mehr mit sich trägt. Und da machen wir auch schon einen Szenenwechsel:
London, 1988
Queens Club
The Stella Artois Championships
Singles, Semifinals
Guy Forget, französischer Gentlemanplayer, schlägt auf. Serve and Volley in Perfektion. Bergamotte und Zitrusnoten umwehen gekonnt seinen Körper und erreichen sogar Balljungen und Linienrichter. Er tänzelt leichtfüßig über den Rasen und erreicht nach vierzig Minuten das Tie Break, das er leider nach hartem Kampf verliert. Im 2. Satz tänzelt er noch immer in Schwaden grüner und seifiger Noten und bewegt sich nach wie vor elegant, aber nach einer Stunde und fünfundzwanzig Minuten ist sein Traum vom großen Finale geplatzt. Sein Gegner steht am Netz und wartet auf den Handshake. Er bemerkt noch bevor Guy das Netz erreicht einen männlichen Geruch von Eichenmoos und Vetiver und wundert sich dass man nach so einem harten Match noch immer so gut riechen kann. Der Gegner war Stefan Edberg.

Das Finale am Sonntag gewann BB.

Wieder einmal eine Erinnerung an die 80er Jahre, meine Jugend mit Haupthaar und die oberitalienischen Laghi nach dem Motto: da war ja noch irgendwas oder irgendwer...
Sergio Soldano Black, früher nur Sergio Soldano. Schwarzer Flacon für Uomini und weißer für Donne. Die Marke ist sogar in Italien bis auf die Duftsparte vom Markt verschwunden. Ehemalige Konkurrenten wie Enrico Coveri, Renato Balestra oder Roberto Capucci leben noch ein bescheidenes Leben in Form von Schlüsselanhängern, Geldtaschen, Socken oder Unterhosen, aber Sergio Soldano disappeared without a trace.
Der Flacon, ein Fake von Trussardi Uomo 83, ist potthässlich, passt aber zur Zeit (offenes Hemd und Goldketterl, Cabrio, Ray Ban....)
Arrogance Uomo 87 kopiert auch den Trussardi-Flacon, aber nahezu perfekt. Natürlich, wer Roccobarocco Fashion Man kennt, ein Flacon in Form eines Zippo, schwarz gummiert, wobei der Gummi nach wenigen Monaten eine ekelerregende Ranzoberfläche entwickelt, die an Klebestreifen fürs Fliegenfangen erinnert, wird diesen Flacon zumindest haptisch schätzen.
Der Sprühknopf ist einwandfrei.
Der Duft ist ein Bruder im Geiste von Arrogance pour Homme 82. Das können die Italiener. Sich selbst kopieren und damit die Spuren verwischen. Er startet frisch holzig mit schön dominierendem Moschus, wird danach blumig grün und zum Schluss schlägt Patchouli schön lecker durch. Synthetik fehlt seltsamerweise komplett, obwohl der Optik und Haptik nach hätte ich sie stark vermutet. Ein Allrounder, der das ganze Jahr über tragbar ist, jenseits von 30 würde ich mal charmant meinen.

Viele Jahre lief ich ihm hinterher, war ihm dicht auf den Fersen, hatte ihn schon in meinen Fängen und doch entkam er mir wieder.

Der Duft meines Vaters, immer in seiner Herrenhandtasche (in den siebziger Jahren trug man(n) das; very säxy) und sobald mal die Luft rein war sprühte ich ganz heimlich und sachte. Sehr sachte. Es war der Duft der großen weiten Welt und ich war zehn oder elf.
Als Lapidus pour Homme auf den Markt kam, dachte ich: alter Wein in jungen Schläuchen. Weit gefehlt.
Vor einigen Jahren konnte ich ihn bei einem italienischen Online-Anbieter entdecken und für teures Geld bestellen. Geld abgebucht und Paket nie angekommen. Dauerte ewig bis ich meine Refundierung bekam. Die Lust auf ihn verging mir, aber vor einer Woche blätterte ich durch eine österreichische Privatverkaufseite und durch Zufall entdeckte ich ihn. Diesmal klappte es. Der Preis war sehr günstig und meine Risikobereitschaft groß. Glück spielte auch mit, denn der Duft ist 1A in Ordnung.

Der Duft der großen weiten Welt. Steve McQueen fährt in seinem dunkelgrünen Ford Mustang Fastback durch die Straßen von San Francisco eingehüllt in eine Lederaura. So muss Mann sein, zumindest 1978. Der Film ist natürlich gute zehn Jahre älter, aber das Kopfkino macht sich halt selbstständig und kreiert eigene Versionen. Bibergeil und Weihrauch sind noch immer deutlich erkennbar. Wer Ebene liebt findet hier einen netten Cousin, preislich eher einen Zwilling....

Weruska & Joel, der Comanche der italienischen Duftindustrie, ein Bruder im Geiste von SDI hat sich schon vor längerer Zeit an die Fährte von Basile Uomo geheftet. Basile wurde umzingelt, gestellt und gefangen genommen. Man muss aber Weruska & Joel dankbar sein, dass es diesen wunderbaren Duft überhaupt noch gibt. Allerdings zu Preisen, die den Konsumenten nicht unbedingt zu diesem Duft greifen lassen. € 6.99 für After Shave und € 8.99 für Eau de Toilette kann ja nicht sein, oder (Discountdrogerien in Italien, nicht diesseits der Alpen erhältlich)? Trash? Mist?
Anyway.

Beide Versionen, die von 1987 und die von 2002, wobei letztere auch mittlerweile überarbeitet wurde, sind sich sehr ähnlich. Wer auf R de Capucci oder auf Enrico Coveri Pour Homme steht, der wird fündig werden. Wald und Moos und grün grün grün.
Eine Kräuterdisco wie anno dazumal.
Also 1988 an den oberitalienischen Seen, im Motorboot am Lago Maggiore, im Wind wehendes Haar, aus der Denonbox strömt Antonello Venditti, die Mode erinnert an Miami Vice und am Abend in der Disco eingehüllt in Basile Uomo, allerdings klebt die hübsche Bionda an meiner Seite. Wouldn't have missed it for the world.....
Ho finito.

Duft recherchiert und vorgeschlagen.
Bild eingereicht.
Und jetzt ein kurzer Kommentar.

Same old story: kleine Parfümerie, mittlerweile geschlossen, mit Hang zu italienischen Designern (Basile, Balestra, Coveri, Krizia, Missoni und Soprani). Da sich eine Sonnenbrille von Luciano Soprani in meinem Besitz befand musste natürlich auch der Duft gekauft werden. Das war vor 25 Jahren.

25 Jahre später:
Obwohl Soprani Uomo noch immer von Eurocosmesi produziert wird, muss man sogar in Italien einen extremen detektivischen Spürsinn besitzen um diesem Kleinod auf die Schliche zu kommen.
Ein frühlingshafter zitrischer Wind in limone sul garda (keine Angst ich weiß limes und nicht limone, obwohl es dort immer Zitrusplantagen gab) trägt dich durch Lavendel- und Blumengärten an die obere Adria, wo eine herbwürzige Brise dir durch das Haupthaar (bei mir war das vor vielen Jahren noch möglich; oggi solo un po capelli) fährt um dich dann in moosigen Nadelwäldern der Emilia Romagna abzusetzen und deine italienische Reise nach acht bis neun Stunden beendet. Sport de Paco Rabanne lässt grüßen und wer Freude an Lacoste Original hat sollte Soprani Uomo unbedingt testen. Alltagstauglichkeit top!
Der italienische Duftexperte Franco alias Cappellusman würde es vielleicht treffender beschreiben, aber ho finito. Ich habe fertig!