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Düfte in Filmen und Serien
vor 11 Monaten - 29.05.2023
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Düfte in Filmen und Serien N°10

Champagner, exklusive Haute Couture, ein Schloss als Zuhause, gelangweilte Überflussgesellschaft. Alles Zutaten für einen der skurrilsten Thriller der 1960er aus Frankreich.


Kein anderer als Claude Chabrol schuf hier ein Vexierspiel der Superlative, schwer verständlich, aber umso packender nach dem Abspann. So ein Werk schaut man sich gerne mehrere Male an.


Le Scandale (Champagner Mörder) von 1967 verbindet zwei Ebenen. Auf der einen eine Bloßstellung der reichen Elite, auf der anderen ein mörderisches Spielchen.


Ich gebe zu, einfach ist der Film nicht, mitunter hatte ich den Eindruck, hier wäre eine halluzinogene Beigabe bei den Dreharbeiten gereicht worden. Immerhin, der zeitliche Kontext wäre stimmig.


Der Einfachheit halber stelle ich erstmal die wichtigsten Figuren vor.
Paul Wagner (Maurice Ronet) ist der Namensrechte-Inhaber der Wagner Champagner-Kellerei, genießt aber das Leben in vollen Zügen und überlässt das Geschäft anderen.
Christine Belling (Yvonne Furneaux) leitet das Unternehmen äußerst gewinnbringend.
Christopher Belling (Anthony Perkins), der Ehemann von Christine, träumt vom Leben seines Freundes Paul, welches er sich nicht leisten kann.
Jacqueline (Stéphane Audran) ist die private Sekretärin der Bellinngs, ein graues und unterwürfig fleißiges Mäuschen.
Evelyne Whartom (Suzanne Lloyd) ist eine befreundete Künstlerin des Trios, recht exzentrisch und ausgeflippt.


Im Haupterzählstrang geht es um das Interesse zweier Millionäre aus den USA an der Wagner-Kellerei. Christine würde lieber heute als morgen das Unternehmen verkaufen, ist aber an das Abtreten der Namensrechte seitens Pauls gebunden. Und dieser möchte sich seinen Namen teuer bezahlen lassen, was wiederum die Verkaufsverhandlungen nicht gerade einfach gestaltet.
So weit, so gut.


Die Nebenhandlungen machen gerade den Film aus, verwirren aber den Zuschauer zusehends.
Deswegen sollte man sich darauf gefasst machen, hier den Zeitgeist der späten 1960er zu verstehen.


Vieles erscheint als nicht zusammenhängend, losgelöst von der eigentlichen Handlung. Doch wenn man sich über die Diskussionen der kritischen Intellektuellen, die Versuche der Bewusstseinserweiterung durch LSD, die Dekonstruktionsansätze der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit im Klaren ist, erschließt sich einem das Vexierspiel umso besser.


Das zeigt sich bereits am Anfang des Films.


Paul und Christopher fahren durch das nächtliche Paris in einem schicken Cabriolet. In einer stillen Straße erhaschen sie eine Prostituierte, die gerade Ärger mit einem Freier hat.
Und ganz nach der ungewöhnlichen Erzählweise fordern die beiden Reichen kurzerhand die junge Frau auf, mit ihnen zu einer Party zu fahren.
Die schnell hergestellte Vertrautheit der drei endet abrupt am Bois de Boulogne. Etliche Schurken überwältigen die Ahnungslosen, erwürgen die Frau und verletzen Paul lebensgefährlich.
Mit offenen, fast toten Augen starrt er durch die zerbrochene Windschutzscheibe.
Monate später verläßt er eine private Klinik, doch plagen ihn immer noch Erinnerungslücken und Konzentrationsschwierigkeiten.


Wir sollen also diese Achterbahn der Eindrücke schon gleich am Anfang des Films betreten und uns auf eine ungewöhnliche Sicht der Dinge einstellen.


Es folgt ein gemächlicher Ritt durch die Abgründe der Schönen und Reichen.
Der schiere Überfluss dieses Trios (Paul, Christine und Christopher) ist wahrhaft erdrückend.
Je weiter wir in der Handlung dieser Pracht und absurden Langweile ausgesetzt sind, desto unerträglicher wird es.


Ein wichtiges Thema hier ist die innere Flucht und Unreife.


Christopher möchte sich nicht von seiner Ehefrau Christine ständig rumkommandieren lassen. Dafür hat er sich eine eigene architektonische Welt in seinem Bereich des Schlosses geschaffen.
Er lebt seinen Traum einer nicht vorhanden Yacht aus und ließ seine Gemächer wie Kajüten gestallten, allen voran die imaginäre Kapitänsbrücke.
Christine träumt vom Verkauf der Schaumweinkellerei, um endlich frei durch die Meere segeln zu können, bricht aber aus ihrer Rolle der herrischen Gebieterin nicht aus.
Paul wiederum wünscht sich Ähnliches und er will es jetzt sofort, doch dafür reicht seine Apanage seitens des Unternehmens nicht ganz aus. Außerdem ist er weit davon entfernt, Verantwortung zu übernehmen und schlußendlich erwachsen zu werden.
Evelyne umgibt sich mit einem selbstgeschaffenen Hauch des Unkonventionellen, bleibt aber fest verankert in ihrer gesellschaftlichen Schicht.


Pause gefällig?
Ich kann es nachvollziehen!


Vielleicht eine kleine Dufterfrischung?
Diese wird im Film eine bombastische Aufnahme erfahren.
Aber noch ist es nicht so weit.
Zwar sehen wir Christine ständig am Schminktisch, sie ist eine der zahlreichen Haute Couture Trägerinnen.
Für Anhänger von Chanel, die Dame des Schlosses trägt tatsächlich ein Ensemble der damals noch tätigen Coco. Der Schnitt des Rocks folgt klar den Vorgaben der eisernen Modekönigin. Ihre Frisur wird von der obligatorischen Kamelie am Haarreif gehalten.
Doch der Duft des Abends bleibt erst einmal ein Geheimnis.
Nur so viel sei gesagt, es wird ein Chypre sein.


Denn der Film lädt zunächst zu einer der dekadenten Feiern der Zeit ein.
Hier wird viel abverlangt, man wird des Champagners überdrüssig.
Einzelne Vertreter der Elite werden köstlich karikiert, dabei nehmen die gesellschaftlichen Korsagen einem die Luft zum Atmen.
Und es kommt zum überfälligen Skandal, welcher aber eher als Lausbubenstreich zu werten ist.
Noblesse oblige.


Anschließend beginnt der eigentliche Thriller.
Paul und Christopher fahren nach Hamburg, um eine Yacht zu begutachten und, wie könnte es auch anders sein, um Spaß zu haben.
Und dieser wird tödlich enden, nachdem sie eine imaginär glamourös abdriftende Partylaune im Bereich der Reeperbahn auskosten.
Eine Begleiterin wird am nächsten Morgen tot in der Elbe gefunden.


Doch die beiden sind unlängst zurück im französischen Schloss und lassen sich nichts anmerken.
Bis Christine einen Drohbrief während des Frühstücks liest.


Hier möchte ich mit der Schilderung aufhören, sonst nehme ich die Spannung.


Eines noch, das Ende ist ziemlich gruselig, dies aber exklusiv mondän.


Denn irgendwann wird ein riesengroßer Flakon schon fast werbewirksam in die Mitte des Bildes verführerisch platziert.


Und es ist…
Trommelwirbel
…Calèche von Hermès!

Calèche (Eau de Toilette)Calèche Eau de Toilette

Den Täter verrate ich aber nicht!


Ich wünsche gute Unterhaltung an Aldehyden, Hesperiden, Weiß- und Gelbblühern, Rose und einer klassischen moosigen Basis.

Aktualisiert am 31.05.2023 - 05:34 Uhr
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