Axiomatic

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Axiomatic vor 17 Stunden 32 56
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Duft
Aventus deklinieren: Aventeuse
Sechs Jahre hat es lediglich gebraucht, bis Creed sich zum weiblichen Gegenpart von Aventus hat überreden lassen.
Aventus, der Duft einer Generation völlig losgelöst von einschränkenden Unterhosen.
Befreiender konnte eine Ananas nicht sein.
Was waren schon die bekloppten 68er im Vergleich?
Lächerliche polyamouröse Blumenkinder ohne Buchführung!
Dank Creed wurde 2010 gewinnbringend das Swiping inklusive austauschbarer körperlicher Kernschmelze in Duftform an den Mann gebracht.

Irgendeinem Cleverle im Konzern muss 2016 die offene Marktlücke aufgefallen sein.
Warum nur Lancôme, Guerlain, Dior das Rosa-Rennen überlassen?

Zum Teufel damit!
Unsere englischen Mädels werden Euch das Fürchten lehren!

Zisch!

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es ratsam wäre, NICHT auf nüchternem Magen eine sportliche Portion des Wässerchens aufzusprühen.

Stechend alkoholisch und seltsam frisch dringt die Plörre in die Nase ein.
Das Freundlichste wären hier der Pfeffer mit der Bergamotte, recht scharfer Schmackes.

Aber der Apfel…

Genauer DER Apfel, welcher über Jahre bei Schauma/Schwarzkopf die Haare hat säuerlich fruchtig duften lassen.

Alsbald folgt die Haarspülung, cremig blumig mit einer pfeffrigen Ananas.
Spätesten hier sollte sich die Trägerin überlegen, ob Ersatzperücken eine Alternative für sie wären.

Nun, für eine kleine Verschnaufpause sorgen tatsächlich Flieder und warmer Ylang.
Aber wer Jaws (1975 - Der weiße Hai) in Erinnerung behalten hat, weiß, dass bei der ersten Schwimmerin unser hungriges Tierchen zunächst ein wenig vorgeknabbert hatte.
Chrissie war eine Verschnaufpause an einer Boje gegönnt, bis sie dann zum Hauptgang serviert wurde.
Nun, hier verhält es sich ähnlich.

Nachdem man Hoffnung an Flieder und Ylang hegte, wurde man jäh in die Tiefe gerissen!

Und dieser Abgrund ist säuerlich!

Die Ananas wird recht schnell von der Johannisbeere bei pH 3 gehalten, um den grandiosen Auftritt der Rose und ihrer Gefolgschaft zu überlassen.
Der Akkord unserer Zeit hat die Höllenpforte überschritten!

Klug werden hier die Ingredienzen verschwiegen, aber machen wir uns doch nichts vor. Wer nicht gerade nasenblind durchs Forum riecht, weiß, dass hier Jasmin und Orangenblüte verarbeitet sind.
Dazu noch eine mächtige Potenzierung mit Synthetik, um ja aufzufallen. Vermutlich Freundchen Ambroxan mit einer leicht salzigen Note, um „Ambra“ günstig nachzuahmen.

Genau hier liegt auch das Unterscheidungsmerkmal zu den anderen Vertretern oben genannter Marken.
Leicht aquatisch frisch gleitet die Basis mit weißem Moschus ins Saubere ab.

Für den kleinen Hunger wurde das Sandelholz gut cremig serviert mithilfe vom Ylang und Pfirsich als Geschmacksträger. So wie diese Fruchtjoghurts mit „besonders natürlichen Fruchtstückchen“.

Aber im Grunde riecht hier alles säuerlich und süß.

Je weiter im Duftverlauf, umso stechend synthetischer wird es, leicht metallisch.
Und alles beherrschend der Akkord an Rose, Orangenblüte und Jasmin, der so weit verbreitet ist.

Der Listenpreis ist angenehm konto-belastend, das Roulette-Spielchen um den jeweiligen Batch dürfte für gute Laune und regen Austausch im Forum sorgen.
So eine Art Quartett:
Mein Batch 2016 schlägt Deinen 2018er in Performance. Aber halt, der 2020er hat noch mehr „Ambra“.

Einsatzmöglichkeiten?

Nun, ich würde mit geographischen Orten beginnen.

Sagen wir mal, dass Ortschaften mit Potential und Ambitionen prädestiniert wären.

So ein Slough in der Grafschaft Berkshire westlich von London zum Beispiel.
Eine der beliebten Touristenattraktionen wäre der ehemalige Busbahnhof Brunel Bus Station, feinste Architektur.
Wie keck doch der Hauptakkord die Wartehalle füllen würde!

Das schweizerische Schlieren nordwestlich von Zürich mit dem schicken Briefzentrum Müllingen sorgt für genügend frische Luft entlang der Bahnstrecke für den Duft, Flanieren inklusive.

Kosmopolitisch elegant das hessische Heusenstamm östlich von Frankfurt am Main.
Beim regen Flugverkehr kann sich der Duft wie von selbst über die gesamte Gemeinde ausbreiten und in alle Welt fliegen.

Bekleidung:

Der LVMH-Konzern dürfte sich freuen, wenn die holde Maid das NFC hygienisch korrekt beim Bezahlen bimmeln lässt. Den richtigen Klingelton im Smartphone rechtzeitig einstellen.
Für einen kecken Sound sorgen French Nails auf der Tastatur.

Bitte das Preisschild absichtlich dran hängen lassen, so ist man auch ganz sicher, dass der städtische Sportanzug mit Kapuze (Dior, Givenchy, LV, was auch immer) tatsächlich vierstellig über den Ladentisch ging.

Very British darf hier kein rosa-beige Schal von Burberry fehlen, sonniges Wetter hin oder her. Kann natürlich auch als Stola getragen werden.
Schließlich geht es hier um Creed, for heaven’s sake!

Bequeme Schleicher von Ellesse in Pastellrosa mit Mauve-Untermalung verstehen sich von selbst.

Der Beischlafübernachtungskoffer (BUK) sollte genügend Platz für den Aventeuse-Flakon haben (am besten die OVP aufheben, da die Kappe manchmal locker sitzt).
Außerdem sollte das Täschle die collectible Boxershorts der Aventus-Bubis verstauen können. Je mehr, desto höher der Score!
Das Logo besagter Umhängetüte sollte inklusionskonform auch für Sehbehinderte lesbar sein.

Schminke:

Mädel, bleib sportlich!
Drei verschiedene Foundations sollten den natürlichen Teint lediglich unterstreichen.
Konturen locker lassen, nimm ruhig mahagonibraun und pervyred.
Die Lippen sollten aber das Gold des Flakons wiedergeben.

Und nun bist Du für den wilden Westen gewappnet, meine Teuerste.

High Noon!

Ihr steht Euch gegenüber.

Er, Schweißperlen an den gezupften Augenbrauen.

Du, Hautzellen um Luft schnappend.

Er, Aventus selbst am Allerwertesten.

Du, Aventeuse als Blutersatz.

Jeder von Euch zuckt am Gummibund seiner Schambedeckung.

Und Ihr starrt Euch an.

Die Spannung steigt…

Filmmusik: Texas - I Don‘t Want A Lover


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Axiomatic vor 5 Tagen 33 56
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Duft
Trügerisches Wasser
Das vorliegende Wasser ist wie eine Gratwanderung entlang der weiblichen und männlichen Geruchsgewohnheiten vergangener Jahrzehnte.
Trügerisch in der Aussage, was dieses Chypre sein möchte, bis es sich angeblich endgültig wandelt.
Und hier liegt auch die Gefahr des Duftes.
Denn nichts ist so wie es scheint.

Zisch!

Was soll ich sagen?
1980 konnte Caron grandios die Tradition des Hauses bewahren und mit herrlichen Hesperiden begrüßen.
Und diese sind zahlreich auszumachen, hier stimmt die Angabe der Duftpyramide.
Als da wären:
Sehr konzentrierte Bergamotte, helle Zitrone und eine wunderbar fruchtige Mandarine.
Sie alle werden nach Art des Hauses mit spielerischen Aldehyden in die Lüfte gehoben, während sie Schatten auf die ziemlich herben grünen Kräuter werfen.

Der Basilikum erinnert mich an so manch schöne Herrenerfrischung und wird durch den Muskatellersalbei noch markanter.

Leise pocht die süßlich harzige Basis wie ein stilles Herz, welches auf die Entwicklung hinweisen möchte.
Doch niemand hört auf die Warnung.
Typisch, man lässt sich von der Dramatik Pariser Eleganz blenden.
Ah, der Laufsteg der Schönen!

Eine blumige Gaze an Blüten, gleich dem Musselin bei den Vorentwürfen eines Kleids in der Haute Couture, drapiert die anfänglichen Kräutern, ohne viel verändern zu wollen.
Als wären die Blumen noch in der Stufe der Ideen verhaftet.

Und genau an dieser Stelle macht sich ein Akkord bemerkbar, welcher 1980 bei Dior für Furore sorgen sollte:
Gartennelke, Jasmin und Zeder zusammen mit dem Basilikum.
Jules stolziert selbstsicher durchs Bild, der eitle Gockel.
Hier allerdings muss der Lude aber etwas von seinem Getöse einbüßen und sich durch sanftere Blüten bändigen lassen.
Doch noch bezirzt er verführerisch gaunerhaft mit einem sehr mediterranen Thymian, Killergrinsen inklusive.
Die Wärme an dieser Stelle des Duftverlaufs ist kongenial, hier pocht die reine Fleischeslust!
Man möchte geradezu flehen: Augenblick, so verweile doch!
Der kleine Tod halt…
Pardon, ich drifte ab.
Unverbesserlich!

Leider hat aber unser Julchen die Rechnung ohne die Blüten gemacht.
Und so überdecken sie immer mehr den Macker. Er erfährt von den Schneiderinnen des hohen Hauses edler Schnitte einen Crash Kurs in Drapage à la Toile.
Monsieur übt sich in Manierismen.

Dass manche Orchideen riechen, machte sich Gerard Lefort zu Nutze.
Rosig vanillig duftet diese seltene Blüte in ihrer Beschaffenheit und er überlässt ihr nachsichtig das Steuer im Duftverlauf.
Es geht in Richtung ledrige Harze.

Und ehe wir uns versehen, haben wir das Marais-Viertel in Paris verlassen und sind nun in irgendeiner der feinen Boutiquen der Avenue Montaigne.

Die edle Basis des Duftes duftet exquisit bien comme il faut.
Ein paar Pinselstriche Eichenmoos, eine Schattierung vanilliger Harze hier, ein Hauch kosmopolitisches Patchouli da.
Dazu noch hochwertiges Leder, sanft und geschmeidig.
Die Ambra schafft hier die „je ne sais quoi Geste“ und rundet entzückend betörend ab.
Die feine Dame kann sich sehen lassen, Kostüm, Canotier und Kellytasche sitzen wie angegossen.
Jetzt auf zum obligatorischen Sehen und Gesehen Werden im Café Flore auf der anderen Seite der Seine. Husch husch!

Aber, aber, die Gefahr des Duftes macht sich erst jetzt bemerkbar.

Denn so eindeutig ist die Basis nicht, genau so wenig wie der vorherige Verlauf.
Da schwingt doch etwas herb Burschikoses mit bei den lieblichen Harzen.

Gut, ganz so deftig ist es nicht.
Etwas vom Thymian wird Madame dennoch in den Kopf steigen und sie resoluter stimmen.

Wer aber hier unsere genervte, am Taxistand der Avenue Montaigne stehende Schönheit im melodramatischen Kontrollverlust erwarten würde, wird leider enttäuscht werden.
Also, ich meine, sie wird sich nicht gerade deftig räuspern und auf die Straße spucken, weil kein Taxi in Sicht ist.
Und sollte ihr jemand das Fortbewegungsmittel vor der Nase weg schnappen, wird sie mit Sicherheit nicht den inneren Bauarbeiter raushängen lassen.
Sätze wie:
„Va te faire BIEB! Sale fils de BIEB!“
werden ihr nicht leicht über die adrett geschminkten Lippen gehen.

So ein:
„Espèce d´imbécile!“
wäre allerdings schon drin.
Ich meine, es ist menschlich.
Passiert jedem und kommt auch in den besten Familien vor.

Tja, wie sähe es denn beim Julchen aus?
Hier wird es dank der Blumen und Harze brenzliger, geradezu gefährlich.

Er, der König des Trou d´Enfer in der dunkelsten und berüchtigtsten Gasse des Marais, wäre nach ein paar Sprüher vielleicht versucht, sich im Kreise seiner Macker folgenden Fauxpas zu leisten.

„Écoute mon vieux, pas des clopes ce soir!
Ich bestelle mir heute eine dieser reizenden Religieuses zum Café Crème. Oder doch lieber die vortrefflichen Macarons à la double Framboise Virginie?“

Gut, gut, Julchen wird sich da noch etwas erklären müssen bei seinen Halbseidigen, wenn er wieder hochgepäppelt und aus der Narkose geweckt wird.
Ich meine, in der Notaufnahme werden sicherlich die Herzen jener Halunken erweichen, wenn sie ihr Oeuvre im grellen Lichte näher betrachten, die Prellwunden ihres Anführers an herrlich sanften Harzen.

Und wer weiß?
Vielleicht wirkt ja dieses Wässerchen von Caron zivilisierend?

Wie heißt es so schön, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Auch in der Stadt der Liebe.
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Axiomatic vor 6 Tagen 30 52
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Duft
Der Wüstenprinz
Da haben wir es!
Wieder einer dieser mysteriösen Düfte, welche zunächst mit einer gehörigen Ohrfeige abschrecken, um im Nachhinein eine edle Komposition preiszugeben.

Einfach macht es mir dieser Wüstenprinz nicht, seine Welt erscheint mir fremd und verschlossen zunächst.

Nicht, dass ich mich mit dieser Art der Animalik geschlagen geben sollte.
Nein, ganz im Gegenteil, hier beweist das Haus wieder einmal beste Qualität.
Es ist diese unglaublich trockene und verstaubte Atmosphäre, welche mich anfangs verzweifeln ließ.

Hier nun der erneute Versuch.

Zisch!

Was für eine sonderbare Eröffnung!
Erdiges Patchouli legt die Koordinaten fest, die staubige Wüste heißt willkommen.
Und sogleich werden naturnahe Papyrusrollen ausgebreitet, um eine Geschichte aus den Emiraten zu erzählen. Eine, die die rasante bauliche Entwicklung und teure Motorisierung schildert trotz des Festhaltens an Traditionen.

Der Duft wird immer trockener, ich kann den Wüstensand förmlich riechen.

Leise und flehend macht sich eine Zitrone bemerkbar. Oder ist es eine Zitronatzitrone?
Diese zitrische Frucht wirkt wie gefangen, eingeengt von erdigen und holzigen Noten.
Die Unbarmherzigkeit des Serails.

Langsam nährt sich mir der Wüstenprinz in seinem tadellosen, weißen Gewandt.
Olivgrün seine Augen, streng sein Blick, so wie diese Olivennote inmitten der Hölzer.
Vielleicht bezwingt er meisterlich einen Falken auf seinem mit Leder geschützten Vorderarm.

Und der Prinz riecht recht männlich unter der grellen Sonne, dafür sorgen Kreuzkümmel und Safran.
Aber er wäre kein Adliger, würde der Jasmin nicht diese blumig virile Eleganz verströmen.
Er beherrscht also die auf der arabischen Halbinsel geforderte reinliche Haltung.

Seine Heimat erfuhr eine kolossale Veränderung.
Bauten des sich Übertreffens an Höhe mithilfe des technisch Möglichen, wortwörtlich auf Sand gebaut.
Und das spüre ich im Duftverlauf.
Der staubige Sand lässt Platz für eine leicht metallische Note, säuerlich unterwandert vom Vetiver.
Das Stahlgerüst der Wolkenkratzer.
Die Inneneinrichtung jener modernen Paläste der Lüfte ist gediegen holzig, streng und puristisch. Etliche Holzarten wurden von Meisterhand gezimmert.

Hier wird auch die freiheitsliebende Zitrusfrucht gefangen gehalten. Ihr Wimmern hallt dank Elemi in den teuren Alkoven nach, sie sucht vergeblich ein Entkommen.

Betäubt wird sie mit rauchigem Haschisch. Nicht ausladend, nein, wohldosiert gekonnt, auf dass hier niemand unanständig abdriftet.
Der dezente Rausch als Ersatz für die Einsicht.
So versucht er sein Gewissen zu beruhigen, denn nachgeben wäre ein Zeichen der Schwäche.

Ich überstrapaziere seine Gastfreundschaft nicht und möchte mich verabschieden.
Das Bild der zitrischen Gefangenschaft beschäftigt mich doch zu sehr.

Wohlerzogen fährt er mich zum internationalen Flughafen der Sonderklasse in seinem maßgeschneiderten zwölfzylindrischen Gefährt aus Maranello.
Eine ölige Note verrät mir in der Basis die Ingenieurleistung aus Italien, der Motor seines weißen Sportwagens läßt keine Wünsche offen.

Und so verabschieden wir uns.
Er würzig trocken mit eleganter Holzhaltung und dressierenden olivgrünen Augen.
Ich von den Kontrasten sandiger, zugebauter Oasen und dem Schmerz der zitrischen Frucht aufgewühlt.

Salam, werter Prinz!

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Axiomatic vor 9 Tagen 38 65
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Duft
Bei den Olmeken
Eine der sich mir ständig aufdrängenden Fragen bezüglich der Duftfamilie ist die Kategorie „orientalisch“.
Sobald eine harzige Basis mit Vanille in Berührung kommt, verfrachtet man den Duft ins Vorderasiatische.
Dabei ist die Vanille dort nicht beheimatet und erst seit ein paar Jahrhunderten dem Westen als Würz- und Duftmittel bekannt.

Den folgenden Duft habe ich bewußt nicht als orientalisch eingeordnet und möchte eine etwas andere Anregung zur Kategorisierung geben.

Ohne den wagemutigen Parfumo Kokusai wäre dieses Duftabenteuer nicht möglich gewesen.
Ihm gebührt das edle Abzeichen des Jade Jaguars.

Zisch!

Süßlich herber, leicht erdiger Kalmus mit seinen medizinischen Heileigenschaften für den Verdauungstrakt begrüßt auf diesem Entdeckungsabenteuer.
Weiter Richtung Norden entlang des Golfs von Mexiko gedeiht dieses Sumpfgras, es wurde uns als Schutz gegen Magenverstimmungen und zur Stärkung mit auf den Weg gegeben.

Logbucheintrag auf widerstandsfähigem, trockenem Papyrus.
„Der Duft des Rhizoms beruhigt und stimmt entspannend. Ungewöhnlich zugänglich campherartig.“

Auf dem Markt deckten wir uns mit Pfeffer ein, sollte als Konservierungsmittel des Fleischproviants und für befreite Lungen sorgen.
Wir nahmen an, die Würze käme aus Südwest-Indien, doch wir irrten.
Xocosuchil nennen sie hier die heimische Variante des Pfeffers, etwas größer und dicker die Körner, reich an Aromen.
Neben dem herkömmlichen warmen Pfeffergeruch mischen sich etwas Gewürznelke und frische Koriandersamen unter und verbreitern das Duftspektrum.
Verschmitzt lächelte die Verkäuferin mit ihren leuchtenden und farbenfrohen Bändern, kunstvoll geflochten im Haar.
„So lockt der Jaguar in den Dschungel, Señores.
Nehmen Sie die Amulette aus Jade mit, es gibt dort trügerische Blumen!“

So betraten wir den dichten Regenwald dieser subtropischen Region Mexikos zwischen den Bundesstaaten Veracruz und Tabasco.
Die üblichen Überschwemmungen der Flüsse türmten morsches Mahagoni- und Zedernholz am Ufer auf, der Geruch so ätherisch animalisch. Im Werde-und-Sterbe Zyklus der gefiederten Schlange.

In Xalapa rieten uns Alteingesessene aus der spanischen Extremadura, nicht nur die Lederstiefel sondern auch die Baumwollhemden und Hosen mit Labdanum zu imprägnieren, ja sogar eine Pomade für die Haut sollte uns vor Insekten schützen.
Getrocknete Zistrosen in der rechten Brusttasche trösteten inmitten der Dunkelheit des Olmekenreiches.
Der riesige und voller Rätsel steckende steinerne Kopf dieser Kultur war der Anstoß unserer Reise gewesen.
Doch was sollte uns denn erwarten?
Waren wir dem gewachsen?

Die Imprägnierung, das morsche Holz, die Gewürze, all das färbte unser Sehfilter in bräunliche Schattierungen.
Verhängnisvoll.
Es waren die Farben der Nauyaca, jener Lanzenotter mit gefürchteter Erregung und tödlichem Gift.

Das Leder der Stiefeln hielt ihrem Biss stand und rettete unser Leben. Wir konnten rechtzeitig entkommen und die Viper bezwingen.
Lag es am klaren Kalmus, dass wir wie hypnotisiert und angstverdrängend dennoch die mit Vanille umrankten Zedern erreichen wollten?

Und da flog wie ein Lichtblick ein jadegrüner Papagei mit schönem Gefieder stolz über unseren Köpfen vorbei.
Zart der Geruch seiner Federn, pudrig diffus von orangenen und rosanen Blüten.
Er ließ sich an der rankenden Pflanze nieder und schnatterte los, als würde er uns die schicksalshafte Geschichte der Prinzessin Morgenstern und ihrem Entführer, Prinz Junger Hirsch, erzählen.
Wie sie gejagt und getötet wurden von den Priestern der Erntegöttin.
Wiedergeboren wurde er als kraftvoller Strauch, sie als Orchidee ihn liebkosend.
Und aus ihrem Blut erwuchs die Vanille.
Mehrere Jahrhunderte später sollten die Azteken sie Tlilxochitl nennen, die schwarze Blume.
Hier hieß sie einfach die gejagte Blume, Caxixanath.

Die nachtschwarzen Schoten benebelten unsere Sinne, tief dunkel und ledrig ihr trügerisch süßer und fleischlicher Geruch.
Den Kolibris erging es nicht anders. Angelockt von den grünlich gelben Blüten halfen sie bei der Bestäubung der kostbaren Pflanze während des kurzen Zeitfensters der Blütenöffnung.
Die sonderbare Pracht dieser Kletterpflanze zog uns in ihrem Bann, auf dass wir die Umgebung vergaßen.

Das Fauchen des Jaguars rief uns wach.
Ohne uns zu rühren starrten wir wie gebannt den König des Dschungels an.
Als die Raubkatze unsere Jade-Amulette erblickte, stolzierte sie noch ein paar Schritte und ließ sich vor dem Ballspieler erhaben nieder.

Die undenkbar alte, kunstvoll in Stein gemeißelte Abbildung des tapferen Sportlers, Bezwinger der Schlange, Schützer der Vögel und Verehrer des Jaguars.
Da saß er vor den heimischen Zedern, der Edle.

Alles fügte sich und wir wurden mit diesem mystischem Bild belohnt.

Und insgeheim freuten wir uns auf jene wohlverdiente Stärkung, deren Geruch durch erdigen Grund und dichtes Gehölz zu uns drang.
Irgendwo in der Weite wurde der noble Trunk zubereitet, das wussten wir.
Nur erdiger Kakao und herbe Vanille.
Es roch so anders, so stärkend, so schmerzlich weit entfernt.

Die Vanille war es, die uns Erlösung schenken sollte.

Wir verließen den Dschungel und erreichten unsere Bleibe.

Mit großer Freude wurden wir im Kreise der Gastgeber empfangen.
Wir mussten auf sie einen Eindruck mit all den Gerüchen gemacht haben.

Frisch medizinisch roch der Kalmus, breitgefächerter Pfeffer, dunkle, verwegene Hölzer, schützendes Labdanum, luftige Blüten, erdige Mysterien und eine sonderbar herbe Vanille.

Wir gehörten von nun an zu den Jaguaren.

Rochen wir nun mesoamerikanisch?
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Axiomatic vor 20 Tagen 38 71
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Duft
Rudi am Rhein
Zehnjähriges feiert heuer der Rudi.
Na dann, ein Prosit auf den Jubilar!

Mensch Rudi, Dir scheinen ja nur Lobeshymnen ins Haus zu flattern, Du feiner Gewürztraminer, Du!

Und dann komme ich daher und vermassle Dir das Fest.
Es tut mir leid, mein Junge, aber dieses Mal werde ich die dreizehnte Fee abgeben müssen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Dein Schöpfer, Antonio Alessandria, sich hier am Rhein auskennt.
Aber so wie er diese unverwechselbare Weinnote kredenzt, spricht dafür, dass Rüdesheim im Rheingau ihn schonmal beherbergen durfte.

Lieber Rudi, dann bestelle ich uns mal ein gutes Tröpfchen!

Zisch!

Bitte entschuldige, wenn ich das Schunkeln nicht lassen kann, aber es ist Usus hier im Rheingau.

„Ich hatte was getrunken
Es war wohl ein komischer Wein
Denn ich bin umgesunken
Und unten am Rhein musste ich klein“

Junge, hoffentlich bekomme ich keine Nierensteine im linksrheinischen Nierstein davon!

Was um alles in der Welt wird denn hier gereicht?
Diese Weinnote mit den „getrockneten Früchten“ bildet genau die Gerüche einer Weinschänke in meiner Gegend ab.
Von den fruchtig säuerlichen Fässern bis zu den umgefallenen Weingläsern bzw. Gästen am Tisch.
Denn sobald der verschüttete Rebensaft anfängt zu trocknen, wird der dichter, klebriger, pappiger.
Ich sage Dir, da möchte man nicht mit der Hand drüber fahren!

Wie ich sehe, trägt das Geburtstagskind gerne Leder.
Aber genau die Art von rauer Lederjacke, die auf Macker macht.
Gut, falls eine zünftige Wirtshausschlägerei bevorstünde, wüßte sich das Rudilein zu wehren.

Warum aber darf hier der obligatorische Safran nicht fehlen?
Und dazu noch Strohblume?

Tja, wie soll ich es sagen…

Also, lieber Rudi, wenn auf Deiner Lederjacke im Rausche des Festes mal etwas vom Gewürztraminer landen sollte und Safran und Strohblume sich gegenseitig zuprosten, dann sollte man recht rasch an die frische Luft oder gleich den Abort ansteuern.

Mir zumindest hat es den Magen verdreht!

Diese süß pappige Note mit Heftpflaster-Charme und schön mit Curry gewürzt bekommt nicht nur dem Leder schlecht.
Irgendwie werden mir etliche Verdauungssäfte medizinisch korrekt präsentiert.

Aber, aber, wer wird denn hier schon schlapp machen?
Komm, einer geht noch und dann ab zum Waschraum!

Dort wartet nämlich diese entzückend altbackene Rosenseife, um Deine Haut wieder blumig duften zu lassen.
Ach, Rose und Safran, welch eine Sage.

Denn diese besagt, dass man nie - und ich meine nie - darüber lästern sollte.
Sonst, ja sonst, würde einem die leibhaftige Caroline Reiber im Schlafe erscheinen aus dem fernen Bayern.
Und dann würde man im Dreivierteltakt bis ans Ende aller Tage schunkeln!

Ach, weißt Du was, Rudi?
Genieße weiterhin Deinen zehnten Geburtstag.
Lasse Dich gebührend feiern und lobpreisen, Du hast es scheinbar verdient.

Derweil lasse ich mich freiwillig in der örtlichen Polizeiwache einbuchten zwecks Ausnüchterung.

Salute!

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