Baux

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1 - 5 von 69
Baux vor 10 Jahren 9
10
Haltbarkeit
10
Duft
Das saubere Leben
Letztens war ich beim Papst. Aber der hatte keine Zeit, weil Obama auch da war und mit ihm für die Ukraine beten wollte. Deshalb hat ein Kardinal die Messe gemacht, der älter war als mein Opa (und mein Opa ist tot), aber so promt auf die Zurufe seines Souffleurs reagierte wie Maren Gilzer auf leuchtende Buchstaben. Trotzdem blieb er nur Kardinal und hat deshalb meine Holle-01-Probe nicht bekommen, denn die hatte ich dem Papst versprochen. So erhielt ich jedoch die Gelegenheit, mit dem wohl exklusivsten Holzmindener Dufterzeugnis selbst ein bisschen romzuprobieren.

Holle 01, das ist bekannt, zeigt sich als sehr wandelbares Parfum und sollte daher in verschiedenen Szenarien getestet werden. Der Grundduft ist dabei ein Hauch von ätherischer Frische, den viele undefiniert als Frische-Wäsche-Duft einordnen, was der komplexen olfaktorischen Gemengelage eines Waschsalons nicht gerecht wird. Das folgende Protokoll wird dies zeigen:

15 Uhr, Reiseflughöhe über Norddeutschland
Holle bildet eine angenehm saubere Eigenduftwolke um die mir zugewiesenen 0,75 Quadratmeter Easyjet. Das hilft gegen den Angstschweißgeruch vom Gang und die Schwaden von Stewardessen ausgeschenkter Kaffeeersatzstoffe. Kindergeschrei hingegen lässt Holle 01 durch.

18 Uhr, Rom, 18°C, leichte Bewölkung
Holle 01 sitzt.

19 Uhr, Hotel
Auf dem Zimmer schubst Eau de Waschsalon das Gleichgewicht aus frisch bezogenem Bett und abgestandener Luft in die günstigere Richtung. Lüften half allerdings auch. Beim Essen im Monti tritt der zukünftige Holzmindener Duftklassiker hinter dem Geruch von Pasta und Barolo zurück, wie es sein sollte.

9 Uhr, Trevibrunnen
Ich rieche Anita Ekberg aus dem Wasser steigen, werfe allerdings kein Fläschchen Holle ins Becken.

Kirchen (diverse)
Holle 01 verträgt sich mit Weihrauch. Erste Gedanken an einen Flanker.

11 Uhr, Schlange vor den Vatikanischen Museen
Beim Warten lernt man neue Menschen kennen. Ich hätte fünf Flakons Holle 01 verkaufen können, stattdessen lerne ich die japanischen Versionen diverser Ich-hau-dir-auf-die-Finger-wenn-du-sie-nicht-schnell-genug-wegziehst-Spiele, die allesamt sanfter sind als ihre europäischen Pendants und eine unterschwellige Erotik besitzen, bis mich eine junge Dame aufklärt: "Normally. We play with the knife." Vielleicht hat mein Parfum mir hier die Haut gerettet. Oder es lag an der strengen Waffenkontrolle der Schweizergarde.

12 Uhr, im Vatikanischen Museum
Es gibt hier Badewannen, in denen man Bahnen schwimmen kann. Das hat mit dem Duft nichts zu tun, aber ich wollte es erwähnen. Außerdem durfte man die fotografieren, was man in der Sixtinischen Kapelle nicht darf. Dort verschaffte mir das frische Eau Platz, Raum und Muße beim Blick an die Decke (nach 17 Uhr hinzugehen, hilft auch). Holle 01 riecht nach der Stille, die vom Ordnungspersonal regelmäßig mit einem markdurchdringenden SCHHHHHHHHHH gefordert wird.

19 Uhr, zurück im Hotel
Ich fühle mich und rieche auch nicht schwitzig, dusche trotzdem.

13 Uhr, unter einem Orangenbaum auf der Via della Consulta.
Flüchtige Gedanken an einen weiteren Flanker. Obama fährt vorbei zum Quirinalspalast. Carabinieri beschreiben die zu gehende Umleitung mit ihren Sturmgewehren.

15 Uhr, CampoMarzio70 (Filiale am Pantheon)
Ich teste einige der Exklusivdüfte auf Papier, bin wenig beeindruckt. Das Angebot, einen davon auf meiner eigenen Haut zu testen, lehne ich höflich ab. Ich trage schließlich schon Holle 01. Das Parfum kennt man nicht, zeigt sich aber neugierig. Ich verweise auf das Holzmindener Dufthaus und die strenge Limitierung. Zudem tue ich meine persönliche Meinung kund, dass es sich hierbei um die schöne Schwester von Serge Lutens' "L'Eau" handelt. Hätte ich jetzt eine zweite Phiole gehabt, wäre das der Moment gewesen, da ich in einer Parfümerie Pröbchen verteilt hätte.

Nach einigen Tage wieder in der eigenen Wohnung. Anders als im Hotel hatte hier in meiner Abwesenheit niemand die Betten gewaschen und gelüftet. Beides ließ sich beheben. Erschöpft, geduscht und mit den letzten Tropfen Holle 01 besplasht schlief ich ein in jener Wohlfühlaura, die zu Hause genauso guttut wie da draußen in der Welt.
9 Antworten
Baux vor 11 Jahren 8
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Sei doch nicht so kompliziert!
Biagiotti klingt wie eine saisonlimitierte Schokokugel von Ferrero. Das macht aber nichts, genauso wenig, dass die Fernsehspots regelmäßig das ohnehin schon mäßige Niveau der damaligen Werbung unterboten (Sie beißt ihm zärtlich ins Ohrläppchen). Schieben wir das mal gemeinsam mit den eher grauenvolleren Kreationen des Hauses (Roma und alles für Männer) beiseite, so finden wir ein Parfum, das voll in den 90ern angekommen ist, jener Dekade, in der man sich von den krassen Übertreibungen der vorangegangenen lossagen wollte. Das Ergebnis war eine gewisse Unentschlossenheit, ein stilistischer Mischmasch, aber immerhin zumindest das Bemühen um eine romantisierte Natürlichkeit.

Heraus kam zwangsläufig ein fruchtiger Florientale. Hatte Lancôme schon sechs Jahre zuvor mit Trésor den stilbildenen Duft der Zeit lanciert, aber eben immer noch mit gezielten Übertreibungen, die sich aus den 80ern herübergerettet hatten, etwa in der Aprikosenintensität, so ist Sotto Voce ausgeglichener und – nun ja – leiser. Pfirsich, Vanille und ein undefiniertes Blütenpaket, alles im Gleichgewicht. Leiser meint hier natürlich nicht leise. Sotto Voce ist ein geschrienes Flüstern, das jeder hört und auch hören soll. Wirkliche Zurückhaltung würde die Welt erst Jahre später lernen.

Mag sein, dass das nicht nach hoher Kunst riecht, dennoch hat es eine simple Überzeugungskraft wie auf kulinarischem Gebiet etwa Milchreis mit Äpfeln und Zimt. Dennoch schreckt schon die Idee des Duftes viele Parfumfans ab: Man nehme einfach schöne Früchte, schöne Blumen und Vanille – fertig. Damit vergrault man natürlich alle, die schon aus Prinzip Früchte, Blumen und Vanille ablehnen, weil man damit ja nach junger Frau riechen könnte. Dem Naheliegenden haftet immer etwas Ordinäres an.

Dennoch bleibt die Kombination gleichsam trivial und schön, nicht nur, aber besonders für jene, die damals in Diskos, auf Partys und Balkonen prägende Dufterfahrungen gesammelt haben. Die Nase knutscht schließlich mit.
8 Antworten
Baux vor 11 Jahren 20
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Der Joker
Mit 20 sind junge Männer eigentlich immer Arschlöcher. Ich weiß das, ich war selbst mal 20. Erstens glauben Jungs in dem Alter, alles zu wissen, und dann glauben sie auch noch, alles besser zu wissen. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist, dass junge Männer oft nicht gut riechen – außer sie treiben sich bei Parfumo rum. Zumindest was Parfum betrifft, haben die meisten 20-Jährigen einen grauenvollen Geschmack. Das ist besonders tragisch, weil Männer dazu tendieren, ihren Geschmack in Bezug auf Beautyprodukte nicht mehr weiterzuentwickeln oder überhaupt einen zu entwickeln. Man trägt, was alle tragen. Die Sturheit der Jungen wandelt sich dabei nur in eine Trägheit der Alten. Die haben zwar meistens auch keinen Geschmack, aber dafür eine Frau. Mit ganz viel Glück eine, die bei Parfumo ist.

Ihr müsst mir jetzt gar nicht glauben, dass One Million mies riecht, obwohl ich mittlerweile ein Alter erreicht habe, in dem man wirklich alles weiß. Nehmt einfach selbst das Ding zwischen euren Augen zuhilfe. (Das Ding zwischen euren Ohren würde auch nicht schaden.) Oder – und damit wählt ihr den viel einfacheren Weg - ihr glaubt mir und erhaltet einen Joker. Diesen hier: Spicebomb. Zugegeben Spicebomb kann vieles nicht: Es riecht nicht nach Kaugummi, Weihnachtsmarkt, Klebstoff, Zuckerwatte, Bonbon oder Laminat. Dafür riecht es nach genau dem, wonach alle Männer fragen, wenn sie eine Parfümerie betreten: frisch, fruchtig, würzig, männlich, man soll’s schon riechen, aber nicht aufdringlich. Diesen Männern wird dann leider Boss Bottled verkauft – Boss Bottled Night, wenn sie einen Duft für den Abend gesucht haben.

Das Gesuche könnt ihr euch jetzt sparen. Nicht nur, weil ich das wirklich besser weiß als jemand, der euch Boss Bottled verkaufen will, sondern weil Spicebomb wirklich und wahrhaftig der perfekte Joker ist. Es riecht jugendlich, kann aber von einem Menschen ohne Bierbauch auch in 50 Jahren getragen werden. Es riecht elegant, passt aber auch zu Jeans und T-Shirt. Es geht im Büro wie in der Disko. Frauen mögen Spicebomb (34 von 40, zwei waren erkältet). Ihr werdet einfach gut riechen – nach früchtig-zitrischer Würze, warm, darunter eine dezent ledrige männliche Note.
Wirkliche Vorteile hat es zudem, dass nicht jeder damit rumläuft – zumindest noch nicht. Damit das so bleibt, kann man die Frage, was man trägt, auch einfach mit „das von Boss“ beantworten und genau jene Ignoranz vortäuschen, die von Männern in Bezug auf Parfum erwartet wird.

Der einzige Kritikpunkt wäre vielleicht, dass es ein bisschen langweilig ist. Aber das sind Männer mit 20 ja auch.
20 Antworten
Baux vor 11 Jahren 23
7.5
Flakon
10
Haltbarkeit
9
Duft
Oud für Leute, die Oud nicht mögen
Es gibt nichts Schlimmeres für Individualisten als den Hype. Gestern noch warfen wir unsere iPhones vor die S-Bahn, heute müssen wir uns unsere Vollbärte abrasieren. Und, für den Parfumo besonders schlimm, in regelmäßigen Abständen landet die halbe Sammlung im Ausguss, weil mindestens drei andere Leute den Duft auch besitzen. Hat sich die Innovation erst einmal zum Trend hochgearbeitet, kann es nicht mehr lange dauern, bis jeder, wirklich jeder etwas derartiges im Programm hat.

Aber freut euch, der Oud-Hype ist schon wieder vorbei. Wir werden ihn zwar noch eine Weile beklagen, wenn ein neuer Oud-Duft rauskommt, genauso wie jedes mal über Schon-wieder-ein-Frischeduft gestöhnt wird, wo doch Frischedüfte seit geraumer Zeit der Vergangenheit angehören und man so viel Empörung nur als Kind der 70er aufbringen kann, für das Papa irgendwann nicht mehr nach Papa roch, sondern nach Cool Water. Mit einigem Abstand zur Produktwelle, die gerade über den Markt hinweggeschwappt ist, lässt sich damit wieder das Klassische, das Reizende, das Gelungene ergründen, das am Anfang fasziniert hat. Mehr noch, die Zeit ist nun reif, auch zu überblicken, was in der Zwischenzeit alles an Schund erblüht und wieder verwelkt ist.

Nachdem sich Innovateure und Kopisten ausgetobt haben, der Kuchen verteilt und gegessen ist, bleibt nur noch wenig zu tun, sollte man meinen. Was seiner Zeit voraus war, ist inzwischen reformuliert (M7), am Klassischen hat man sich sattgerochen (Rose + Oud) für das Schrille kann man sich begeistern, es aber nicht tragen (Fetish). Bleibt die Frage an Parfumhäuser wie Creed, warum man bisher kein Oud im Programm hatte. Die Antwort ist ganz einfach: Creed mag kein Oud. Und Creed ist damit nicht allein. Sehr vielen Leuten geht der Kram auf die Nerven, und nicht nur, weil es diesen Hype gab.

Was Creed hier vorlegt, ist daher tatsächlich innovativ. Das Rad oder das Oud wurde neu erfunden: Es ist Oud für Leute, die Oud nicht mögen. Als Maßstab dienen Understatement und Modernität, daneben hat man alles gestrichen, was irgendwie orientalisch wirkt, sodass als Erstes das klassische Rosenthema dran glauben musste. Nun kann man es nicht einfach ersatzlos streichen, denn ohne die blumig-dunkle Seifigkeit der Rose wirkt Oud eher anstrengend. Die ganze Bandbreite an Ersatzkombinationen wurde vor geraumer Zeit schon von Montale durchexerziert, ohne wirklich überzeugen zu können. Entschieden hat man sich bei Creed für eine alltagstaugliche Best-of-Mischung, die die Waage halten soll zwischen ein bisschen frisch, aber mit Tiefe, was ein zitrischer Auftakt erreicht, ein bisschen Seife, aber cremig und ohne Waschmittelassoziationen und eine unblumige florale Note. Darunter spielt die ganze Zeit das eigentliche Thema die Hauptrolle: Oud und Holz. Das Adlerholz gibt hier nicht den dominaten Krachmacher, sondern fügt sich ein, bleibt erkennbar, aber als Solist in einem hochklassigen Ensemble und nicht als Star mit ein bisschen Playback.

Anders als der Name vermuten lässt, ist Royal Oud damit kein Oud-Duft im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr ein Parfum mit Oud. Wichtiger als der markante Geruch dieser Zutat sind für das Parfum seine elegante Cremigkeit, seine unmodische Modernität und die souveräne Variation eines Themas, das schon als ausgespielt galt.
23 Antworten
Baux vor 12 Jahren 12
3
Duft
Es ist einsam in der modernen Welt
Die Einsamkeit und Vereinzelung des Individuums, die für unsere Tage gerne festgestellt werden, gehen frappierend einher mit der Überfüllung des öffentlichen Raums. Wer sich nicht zu Hause einschließt, findet sich als Teil einer Masse wieder. Wir leben nicht in Städten, sondern in Metropolen, und die Menschen um uns, sie lärmen und stinken.
Zeit, sich abzuschotten, der eigenen Sphäre die nötige Härte zu geben. Was Kopfhörer für die Ohren, Sonnenbrille fürs Gesicht, ist dabei Serge Lutens’ L’Eau für die eigene olfaktorische Aura. Was wir nicht riechen, muss uns nicht kümmern, und möglichst nehmen wir außer dezenter Frische kaum etwas wahr. Wer will in dieser Welt schon riechen? Also bleibt man bei der ungefährlichen Nichtwahrnehmung der Umwelt. Wohnzimmer zum Aufsprühen, denn letztlich ist Abenteuer auch nur ein romantischer Ausdruck für Schwierigkeiten.
Wer mit dieser Parfumegozentrik schon in der ersten Runde gut zurechtkam, darf sich auf eine Fortsetzung freuen. Und was könnte in der Abschottungslogik des Duftkonzepts folgerichtiger sein als ein Flanker, der letztlich auch nichts anderes ist als gestalterische Nabelschau.

Etwas anderes als ein Selbstzitat bleibt auch kaum übrig, denn ganz grob ist Parfum an sich erfunden worden, um auf andere attraktiv und anziehend zu wirken. Um sich zum Kunstwerk zu entwickeln, braucht es daher schon einen gehörigen Schuss Dekadenz im Zeitgeist. Denn nicht nur ist es dem Parfum egal, wie die anderen es finden, es will quasi das Gegenteil des gewöhnlichen Lockstoffs. Wo wir uns früher Gedanken über Weggehdüfte machten, erwartet uns hier ein Geh-weg-Parfum.
Das jedoch, ohne geruchlich ausfallend zu werden. Hier geht es um höfliche Distanz, nicht um chemische Verteidigung. Dabei lässt L’Eau froide seinen Vorgänger deutlich hinter sich. Während der dem Träger die Sicherheit vermittelte, die man empfinden mag, wenn man sich in einem frisch geputzten Badezimmer einschließt, befreit einen die Neuinterpretation gleich völlig von dieser Welt. Das L’Eauslösungskonzept findet man bei Serge Lutens im sakralen Raum, indem man das Weihrauchthema aufgreift und in die eigene, sterile Richtung biegt. Dabei ist die Note selbst unschuldig. Es ist ihre konkrete Gestaltung und Interpretation, die ihr Wärme und Mystik raubt. Was bei CdGs Avignon purer Mimesis geschuldet ist, fällt hier durch kratzige Kälte auf. Im Bemühen, den Träger aus einer Welt von Schweiß und Gestank zu heben, wird damit auch jegliches Gefühl für die Umwelt gedämpft. Das ist Absicht und Konzept, macht es aber nicht weniger grauslich.
12 Antworten
1 - 5 von 69