BelAmi
BelAmis Blog
vor 6 Jahren - 04.06.2018
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Meine Nase gehört mir! Oder doch nicht?

Zwei Schwangerschaften. Eine Nase. Alles anders. Ein Erfahrungsbericht.

Ich schreibe diesen Artikel für alle, die sich vielleicht fragen, ob und welche Veränderungen Schwangerschaft und Muttersein in den Parfumvorlieben mit sich bringen können. Die während dessen vielleicht auch daran zweifeln, ob ihre Nase noch ihnen gehört. Da ich selbst immer wieder über meine Nase staunte und in dieser Phase gerne mehr dazu von anderen gelesen hätte, schreibe ich auf, wie es mir wiederfahren ist. Vielleicht fühlt sich die ein oder andere Parfuma angesprochen.

Vor vier Jahren wurde meine Tochter geboren und nasentechnisch war nach dem ersten Kind auch vor dem ersten Kind. Keine Veränderung in den Duftvorlieben. Keine nennenswerte Veränderung in der Parfumsammlung. Während der Schwangerschaft gab es eine Phase, in der ich Vieles weniger als sonst leiden mochte. Die ersten drei Monate, da ist Vieles durcheinander und einige Monate nach Ende der Stillzeit war der Geruchsinn und die Duftvorlieben wie eh und je. Dann kam die zweite Schwangerschaft und alles war anders. NIE hatte ich Heißhunger auf irgendwelche Lebensmittel, dafür Heißhunger nach Parfum. Alle paar Tage verlangte es mich dringend nach diesem und jenem Parfum. Und es wurde gegen Ende der Schwangerschaft immer ausgeprägter. Parfums, für welche ich vorher kaum Sympathie gehabt hatte, waren plötzlich scheinbar lebensnotwendig. Ich zweifelte an meiner Nase, an meinem Empfinden, das mir schon mehr wie Empfindelei vorkam. Ich nahm Noten wahr, die ich in den Parfums zuvor nie wahrgenommen hatte und die mir ausnehmend gut gefielen! Es war eine Zeit voller Überraschungen, ganz dem Motto: was wird wohl der nächste Duft sein, nach dem es mich d-r-i-n-g-e-n-d gelüstet. Eine gute Freundin warnte mich noch „kaufe kein Parfum während der Schwangerschaft, bei mir entpuppten sich alle im Nachhinein als Fehlkäufe“. Passiert mir nicht, so dachte ich. Immerhin war nach der ersten auch vor der ersten Schwangerschaft gewesen. Außerdem hege ich diese Parfumleidenschaft lange genug, Fehlkäufe sind mir fremd, ich weiß doch, was ich jetzt und noch länger will. Ich kaufte. Schnell. Mir meiner Nase ganz sicher.

Und natürlich: die Heißhunger-Düfte entpuppten sich größtenteils als kurze Verliebtheiten. Nach dem zweiten Kind war nicht mehr vor dem zweiten Kind. Der Hormonhaushalt war irgendwann wieder auf „normal“ – Schwangerschaft und Stillzeit lange beendet – und ich staunte noch eine lange Weile über dringende Wunschkandidaten. War ich das??

(Bild: Agnete Brinch; eigene, gestatteteAufnahme auf der AAF 2017)

Die während der Schwangerschaft wahrgenommen Noten in einigen Parfums (die auch in den Pyramiden gelistet waren), die für so große Begeisterung gesorgt hatten, sind mir leider wieder abhanden gekommen. Nicht mehr wahrnehmbar. Die Düfte haben ihren Zauber wieder verloren, was ich sehr bedaure. Doch eine andere Duftseite begann sich zu entwickeln:

Jegliche Süße in Parfums war vor den Schwangerschaften tabu. Ich mochte es schlicht nicht. Und auch heute mag ich nicht nach Zuckerwatte oder wie ein Vanillebonbon duften, doch das kategorische „nein!“ zu Süße muss ich revidieren.

Lange war ich eine gestandene Chypre-Liebhaberin, doch inzwischen bin ich wohl das, was eine liebe Parfuma (sich selbst eingeschlossen) als „Chypre“-Weichei bezeichnete. Wenn meine Sammlung lange „Chypre“ als ungeschriebene Überschrift trug, so ist es jetzt ein würzig-blumig-pudrige Ansammlung. Ich erkenne keine klare Überschrift mehr. Inzwischen überschritt ich die 40 schon eine ganze Weile (ja, ich zähle zu den alten Müttern mit kleinen Kindern). Und ich frage mich hin und wieder, ob es vielleicht nicht nur die zweite Schwangerschaft war, die einen großen Wandel in den Duftvorlieben mit sich brachte, sondern vielleicht auch das Alter eine Rolle spielt oder geliebte Düfte sich auch ohne Muttersein aus dem Ordner „Herzensdüfte“ verflüchtigt hätten. Vielleicht hat hier jemand Erfahrungswerte, die er mit uns teilen möchte??

Die letzten beiden Jahre erlebte ich wie einmal rund um und durch die Parfumwelt, ein bisschen wie Mr. Fogg in 80 Tagen um die Erde. Und was bleibt? Mr. Fogg nach der Wette eine gefundene große Liebe, die er heiratet und ein ziemlich geschrumpftes Vermögen. Und mir: die Erkenntnis, dass Duftrealtäten vielschichtig sind. Das sich beim Reisen einschneidende Erlebnisse ereignen können, die alte Vorlieben und Gewohnheiten nahezu komplett über den Haufen werfen können. Und: dass die (Duft)Reise nie aufhört!

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