BelAmi
BelAmis Blog
vor 9 Jahren - 29.09.2015
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Vom unstillbaren Hunger nach Parfums

Als Teenager plünderte ich die Parfumvorräte meiner Lieblingstante. Wir waren zusammen im Urlaub, sie hatte Sun von Jil Sander im Gepäck. Da ihr Gepäck zu dem Zeitpunkt auch mein Gepäck war (nichts von ihr war vor mir sicher), dufteten wir gemeinsam einen ganzen Sommer nach Sun. Danach gehörte der Duft mir. Wie edel und erwachsen ich mich damit fühlte! Ich erinnere mich genau. Zwölf Jahre alt war ich damals.

Dieses erste Schnuppern an diesem Duft, es war atemberaubend. NIE hatte ich etwas so wunderbares gerochen. NIE würde ich dieses Duftes überdrüssig werden können, so dachte ich damals. Es war mein Eintritt in die Welt der Düfte, das weiß ich heute. Der Auslöser für meinen..ich will es mal „Hunger nach Parfums“ nennen. Natürlich ließ die Euphorie für Sun nach. Das endgültige Aus kam, als eine ungeliebte Arbeitskollegin ihn benutzte - täglich und immer zu viel. Die Liebe schlug in Abneigung um. So wenig, dass ich es auch bisher nicht schaffte, ihn in meine "Hatte ich"-Sammlung aufzunehmen. Manche von euch kennen das vielleicht.

Seit diesem ersten, so eindrücklichen Dufterlebnis wurde die Welt der Parfums natürlich längst größer und weiter. Der Jil Sander-Begegnung scheint so lange her als wäre es in einem früheren Leben passiert. Junge, leichte Düftchen, herbere Herrendüfte, komplexe Damentröpfchen - nach allem verlangte mein Nase zu riechen. Riechen! Einhüllen! Kopfkino!

Meine Freundinnen kauften vom Taschengeld T-Shirts, Schuhe und Schallplatten. Ich Parfums. Mit 18 Jahren einen großen Flakon Chanel No. 5. und Cristalle, weil ich gerade begeistert die Chanel-Biografie von Edmonde Charles-Roux gelesen hatte und mich mit den beiden Düften so unabhängig fühlte wie wohl Madame Chanel höchstpersönlich. 18 Jahre halt. Eigensinnig.

Dann kam die Studentenzeit. Zum Studienstart gab es einen Flakon Coco von Chanel. Mit Refill-Möglichkeit. Glänzend schwarz mit Goldrand. Ein Schmuckstück. An weitere Parfumkäufe war ja erst einmal nicht mehr zu denken. Ehrlicherweise an gar keinen Kauf. Doch damals durften in Parfümerien noch Proben abgefüllt werden. Glücksfall!, und es genügte damals dem haben-Muss-Bedürfnis noch vollkommen. Es war diese Zeit, in der die Nächte häufig in Gaultier-Düfte gehüllt wurden und in den Bars das Rauchen noch erlaubt war. Ich fast ausschließlich schwarz trug, maximal mit einem weißen Schal. Wir Zukunftspläne schmiedeten, Nächte lang diskutierten, große Ziele hatten. Es war eine gute Zeit. Und Coco stets dabei.

Irgendwann ließ die Begeisterung für Coco nach. Für schwarz auch. Der Schmuckflakon ziert heute die Garderobenablage. Eine schöne Erinnerung. Und dann?.. kam Chanel No 19, es war gegen Ende des Studiums. Ein Weihnachtsgeschenk und Volltreffer. Von meiner Tante. Zwischen wechselnden Duftbegleitern war nun Chanel No. 19 das Herz der Parfumsammlung. Oder schlicht: mein Lieblingsduft.

Vor einigen Jahren wurde ich hier bei Parfumo Mitglied, die Duft-Welt erweiterte sich noch einmal enorm. Welche Fülle an Duft-Anregungen! Welch‘ Glück, das es ALZD für Parfumproben gibt und es hier so viele hilfsbereite und Tauschwillige Gleichgesinnte gibt! Mein Hunger nach wurde groß und größer, ein wahrer olfaktorischer Rausch! Und in kürzester Zeit besaß ich Bond-Düfte, Parfums von Histoires, Heeley, Montale, Villoresi etc. etc. Ich mochte das Neue, Komplexe, Andersartige, Seltene und liebte sie alle. Oder meinte es jedenfalls.

Doch auf die Liebe folgt oft Loslassen. Es kam eine Zeit großer privater Enttäuschung verbunden mit einem weiteren Umzug. Es wurde getrennt und aussortiert. Und wie sich einige bei Lebenswendepunkten lange Haare abschneiden lassen, war es mir ein Bedürfnis, meine Parfumsammlung zu reduzieren. Aufs wirklich Wesentliche. Die Konzentration darauf fällt in schwierigen Zeiten ja doch leicht. Da fiel mir auch der zwischen all den anderen Parfums etwas untergegangene Flakon No. 19 (EdP) wieder in die Hände. Einmal gesprüht war das Glücksgefühl und die Vertrautheit wieder da, die es mir schon einige Jahre zuvor gegeben hatte. Nichts hatte sich abgenutzt. Monatelang dachte ich tatsächlich, ohne diesen Duft könnte ich nicht weiterleben. Lächerlich natürlich. Doch er stärkte mir den Rücken.

Neulich kam ein großer Flakon aus dieser Zeit ganz unverhofft in meine Sammlung. Ein Zweitflakon ist schon etwas herrliches, da kann der erste Flakon ohne Reue aufgebraucht werden.

Diesen Sommer begegnete mir das EdT von No. 19. Gerochen, gekauft, Kommentar geschrieben! So eine Euphorie kommt nur noch selten vor. Auch No. 19 Poudre mag ich sehr. Zu jeder Jahreszeit. Und wenn ich die Reihe der Flakons so ansehe, wirkt es, als ob sich da eine kleine Chanel-Familie zusammengefunden hat (sh. Foto). Die No. 19-Familie, begleitet von einer eleganten Tante, der 1932 und deren sportliche Schwester Jersey. Und mehr oder weniger hereingeschneit und sehr ins Herz geschlossen: Mitsouko und 31 Rue de Cambon.

Er wurde mir kürzlich in der Chanel-Boutique angetragen. Nein, ich kaufe dort (leider) keine Kleidung. Doch hin und wieder schaue ich mir die Boutique gerne an. So hübsch dekoriert wie eine kleine Galerie. Schmuckstücke von Taschen, Schuhen, Mänteln – und natürlich die Exclusifs Flakons. Eine Miniatur wurde mir in großer schwarzer Tüte und parfümierter Kamelie regelrecht ans Herz gelegt – bitte testen. Ich hatte nicht danach verlangt.War überrascht. Und folgte der Aufforderung.

Und da ist er wieder, der Hunger! Der Duftverlauf erinnert mich an eine ganze Reihe geliebter Düfte, ganz besonders an die 1932, doch komplexer, intensiver, vor allem auch haltbarer!

Inzwischen ist die Duftsammlung um diesen Duft erweitert. Vielleicht lässt der Hunger nach Parfums mit dem Kauf von 31 Rue de Cambon nach?, fragte ich mich kurz...Nein, im Herzen weiß ich eigentlich ganz genau: auch wenn der das Verlangen nach Neuem gerade zurückgetreten ist, wird mein Hunger nach Parfum noch immer nicht gestillt sein.

Mich würde sehr interessieren, ob es für euch auch DAS Dufterlebnis gab, das den Anfang des "Hungers nach Parfum" gab und was inzwischen eure Lieblingsdüfte geworden sind!?

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