Brigida
Brigidas Blog
vor 8 Jahren - 17.02.2016
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Tempi passati - Wat fot es es fot...

"Komm gieß mein Glas noch einmal ein, mit jenem billgen roten Wein, darin ist jene Zeit noch wach - heut trink ich meinen Freunden nach…"

- Reinhard Mey -

Wenn es in meiner Familie überhaupt Parfum gab, dann waren es "4711 Echt Kölnisch Wasser" oder etwas anderes von Mülhens und "Tabac Original" für Opa; meine Mutter bekam gelegentlich Sets aus Eau de Cologne und Seife zu den üblichen Anlässen geschenkt und verwahrte sie dann jahrelang in einer Schublade im Schlafzimmer, weil sie aus der Nachkriegszeit verinnerlicht hatte, dass Seife erst "lagern" müsse, sonst verbrauche sie sich zu schnell. Da lagen sie dann, wurden gehortet und erblickten kaum je wieder das Licht. Sie trug allenfalls zum Ausgehen mal einen Tropfen davon, nie das "4711 Carat" (https://www.parfumo.de/Parfums/4711/Carat), das ich ihr vom Taschengeld gekauft hatte, weil ich es eleganter fand als Nonchalance und Tosca; die letzten, inzwischen wären es gesuchte Vintages, hat sie vor Jahren fortgeworfen.

In den Siebzigern, ich war etwa vierzehn oder fünfzehn, gab es einen Lebensabschnittsgefährten, der so "großzügig" wie geschmacklos war, sowohl ihr als auch mir das gleiche französische, mithin in seinen Augen "verruchte" Parfum in Miniflakons zu schenken, "Soir de Paris / Evening in Paris" von Bourgois. Ich verabscheute beides, das überhaupt nicht altersgerechte Parfum und den Mann noch mehr, der ein unangenehmer Mensch in jeder Hinsicht war. Zu dieser Zeit wollte ich nicht Mädchen sein, so wenig wie irgendmöglich männliche Aufmerksamkeit auf mich ziehen, wenn Düfte mich ansprachen, dann waren es Herren-EdTs, "Bambus" (https://www.parfumo.de/Parfums/J_G_Mouson_Co/Bambu...) zum Beispiel, das es in kleinen Fläschchen zu kaufen gab oder die eckigen Phiölchen von Raffael aus dem Indien-Laden, Sandelholz, "Gras", das wie Rasenschnitt roch oder Patchouli, das die Erwachsenen am meisten irritierte.

Dann kam "Inspiré von Mülhens (https://www.parfumo.de/Parfums/Muelhens/Inspire_Ea...) auf den Markt und ich war begeistert - so anders als "4711", "Tosca", "Nonchalance", "Janine D.", "My Melody", "Charlie", sogar das von mir weit mehr als diese geschätzte " Carat " konnte da nicht mithalten. Meine sorgfältig gehütetete Entdeckung, das 7,5ml Fläschchen aus dickem Glas mit der rundum laufenden horizontalen Einbuchtung und dem soliden goldenen Kunststoffverschluß, das versteckt in meinem Kleiderschrank wohnte und das ich niemanden sehen ließ. Wie Han Suyin schrieb " Es gibt Menschen, denen man ein Marienkäferchen bringt und sie nehmen es einem aus der Hand und zertreten es… "

Die erste Werbekampagne zeigte eine lächelnde junge Frau auf einem geschwungenen Schaukelstuhl, die Beine über die Lehne geschwungen, gekleidet in eine sandfarbene aufgekrempelte Hose, rehbraune Lederstiefel, eine helle Bluse, einen dünnen Schal um den Hals, auf dem Kopf einen grünen Filzhut mit Blumenschmuck - die Hamilton-Weichgezeichnete im weißen Kleid kam erst später - diese Vorläuferin wirkte patent, lebensfroh und unbeschwert. Die Kampagne nahm die Farben der Verpackung auf, Grün, Gold, Orangetöne und ein wenig Weiß.

Einschub: "Ein bißchen Unvernunft steht jeder Frau." Was haben sich Feministinnen damals über den Slogan aufgeregt! Dieses Bild fand sich sogar in dem Buch "Weibsbilder - Zeugnisse zum öffentlichen Ansehen der Frau" (Heide Hering, rororo, S.157) in der schlechten Gesellschaft übelster Misogynien wieder. *Einschub Ende*

Es gab über die Jahre eine bunte Vielfalt an Flakonformen und -größen, Geschenksets in allen erdenklichen Kombinationen, EdT, Parfum, Seife, Duschgel, Schaumbad, flüssige Duftcremeseife, Deo und Bodylotion, nicht zu vergessen drei Schmuckketten, zwei davon mit Miniphiolen versehen, die andere mit einem kleinen Duftträger. In den goldenen Achtzigern waren solche üppigen parfümierten Serien nichts Ungewöhnliches.

Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger kam für mich die erste große Zeit der Parfums. Yves Rocher aus La Gacilly, der "Chere Madame..." säuselte und seine Zielgruppe mit allerlei Glasperlen Geschenklein zum Kaufen verlockte, schickte sich an, der breiten Masse deutscher Frauen französisches Parfum nahezubringen, mit phantastophelischen Rabatten, verlängerter Zahlungsfrist und "En Avril un Soir (1976)". Wieder ein Duft, den ich ausgesprochen elegant und angenehmer fand als alle anderen YR-Düfte, denen man in der Retrospektive nur noch nachtrauern kann, weil sie schön und haltbar waren. Überhaupt die Achtziger: Hosen für Alle, breite Schultern, schmale Lederkrawatten und der coole Sonny Crocket im TV. "Loulou" war mein Duft. Niemand hatte Probleme mit diesen riesigen Blumensträußen, Multiple Chemische Sensitivität war ein Begriff, der noch nicht erfunden war, Kosmetika wurden mit Formaldehyd konserviert und allenfalls die Stiftung Warentest nahm Anstoß daran.

Laura Ashley eröffnete ein Outlet in der Stadt, es kamen "Laura Ashley Number One", das wunderbare "Dilys" und das kühle "Laura Ashley L'Eau" - leider veränderten sie sich nach ein paar Jahren und es gab noch kein Parfumo, das sie hätte retten können mit der Information, dass nicht alles hin ist, was eine veränderte Kopfnote hat. Ich wünschte, ich könnte mit einer Zeitmaschine zurück und einsammeln, was Umzügen und Weg-damit-Anfällen zum Opfer gefallen ist, die Lauras, Cacharels, das kleine Set Miniaturen aus dem Flieger mit "Fidji", "Magie Noire", "Mystère Rochas" und den beiden anderen, an die ich mich nicht mehr erinnere; der "Hashish" im knallroten Metall-Zylinder, der wunderbare geleerte "Chloé Innocence" - und, wenn ich schon mal da wäre, alles an Flakons schnappen, was an "Kenzo pour Homme" zu finden ist, der damals ein frische Brise und kein laues Lüftchen war. Banzai!

Tempi passati oder auf rheinisch "Wat fot es es fot."

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