Brigida

Brigida

Rezensionen
Brigida vor 4 Jahren 18 13
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Grün, mattsilbergrau
Ein weiteres Jahr geht dem Ende entgegen. Auf ihrem Schreibtisch liegen Weihnachtskarten, die zu schreiben sie sich wieder einmal vorgenommen und nicht eingehalten hat; in der Not könnte sie eMails schreiben, das ginge vielleicht - die übliche Whatsapp-Nachricht an „Ihn“ liegt noch vom letzten Jahr im Ausgangsordner. Das unsmarte kleine Handy ist den Akkutod gestorben und wurde durch ein fast ebenso kleines Smartphone ersetzt. Ein paar Mal hatten sie telefoniert oder Nachrichten per Messenger ausgetauscht. Er schickte Bilder aus dem Urlaub; immer im Freien, am Wasser, aus dem Strandcafé, einen riesigen Eisbecher vor sich, in dem Ananas-, Mandarinen- und Melonenstücke leuchteten; vom Après Ski; aus seinem neuen Garten. Manchmal bat er sie um Rat bei Dingen, die er niemand Anderes fragen mochte. Ihr vertraute er sich an und sie riet ihm zu oder ab, so wie sie ihm damals zugeraten hatte, fortzuziehen und sein altes Leben - und damit auch sie - hinter sich zu lassen. Gelegentlich verschwand sein Avatar, um nach einer Weile durch ein neues Bild ersetzt zu werden.
Sie hatte ihre kleinen Rituale beibehalten, die Geburtstagsgrüße im April - manchmal, nicht immer, meldete er sich danach - und die in seine Muttersprache übersetzten Grüße zu Weihnachten mit den guten Wünschen für das Neue Jahr - nur selten hatte er darauf geantwortet. Seine neue Adresse kannte sie nicht, die Telefonnummer war ihre letzte Verbindung zu ihm.

Die Weihnachtsgrüße waren unbeantwortet geblieben, das Profilbild leer. Sie hatte lange nichts von ihm gehört, seit März nicht. Der unbebilderte Avatar irritiert sie plötzlich; sie kannten einander fast 10 Jahre und sie hatte sich an ihre fluktuierende Beziehung, seine Existenz im Hintergrund gewöhnt. Seine Adressen hatte er ihr nie verraten, doch er hat er einen Schnitzer gemacht, einmal ist ihm im letzten Jahr eine Unachtsamkeit unterlaufen. Sie wischt durch Fotodateien, richtig, da ist es noch - ein Foto, ein Kennzeichen und damit... ein Ort. Ein anderer als der, den er genannt hatte, als er wegzog, sie hätte es wissen können. Sie kannte es und war doch jedes Mal enttäuscht gewesen, wie wenig er ihr in dieser Hinsicht vertraute.

Ein paar Suchbegriffe auf der flachen, kühlen mattsilbergrauen Tastatur, eine Landschaft auf dem Bildschirm... ah, das passte, viel Grün, außerhalb der nahegelegenen Stadt. Ein Waldgebiet mit einer Lichtung, eine schmale Straße, ein kleiner Schotterparkplatz, Rasen, eine Hütte. Sie zoomt das Satellitenbild heran wie Agent K in „Men in Black“, der aus der Ferne seine Frau betrachtet. Die Auflösung ist nicht perfekt, dazu ist die Gegend zu ländlich - doch, das konnte tatsächlich sein Auto sein... Sie lacht leise. „Hab ich dich!“ Fast kann sie das Grün riechen, sich vorstellen, wie es dort aussieht, sie hat noch seine Bilder, wie er sein neues Eden mit eigener Hand zimmert. Ein kleiner Teich, mit weissen Steinen umrandet, eine Seerose schwimmt darauf. Daneben ein Zedernholztischchen mit einer hellen hölzernen Obstschale, einem Krug Fruchtsaft und Gläsern. Nein, jetzt geht ihre Phantasie mit ihr durch, koffeinhaltige Brause war sein Getränk der Wahl, eiskalt, Zucker schreckte ihn nicht. Ein Bach glitzert aus dem Schatten hervor. Pflanzensäfte, grün, herb, Kräuteriges, Holunder, Hölzer, erdiges Patchouli; Blüten, die sich um keine Jahreszeit und keinen Breitengrad zu scheren scheinen, pudrig duftende Mimose, Maiglöckchen, Rose, Jasmin, schwere Tuberose.
Ein Zeitungsartikel aus dem letzten Jahr mit einem Foto, ganz typisch das leicht verwegene Lächeln, er musste die Reporterin becirct haben, über das kleine Paradies zu schreiben. Dort so offenherzig, bei ihr so verschwiegen... Die junge Frau neben ihm trägt seinen Nachnamen.

Sie ist hin und her gerissen, ein bißchen traurig, sie hätte gerne von ihm selbst erfahren, dass er wieder geheiratet hat. „Du bist doch meine Freundin“ hatte er gesagt, wenn er sie um Rat fragte, sie getröstet hatte, als vermeintliche Freunde sie fallen ließen. Vergangenheit. Sie denkt lange nach, über die kleinen Ausflüge, die sie unternommen hatten, seine wohlerzogene Höflichkeit, sein Temperament, das aufblitzte, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Sie waren so gegensätzlich, sie, die sich scherzhaft „Treibhauspflanze“ nannte und er; es wäre, selbst unter den bestmöglichen Umständen, nie gutgegangen. „Hätte ich dich nur früher kennengelernt“ hatte er oft gesagt. „Im nächsten Leben vielleicht...“ denkt sie. „Das wäre interessant.“ Vielleicht sogar Kinder... er würde sie so hemmungslos fordern wie verwöhnen. Dieses „Eden“, das sie gerade von ferne sieht hat keine Schlange und wenn doch, dann ist es nicht sie. Sie könnte einen Brief an diese Adresse schreiben, ihm Grüße senden, doch sie wird es nie tun. Sie weiss, dass er es gut getroffen hat und dass es ihm gut geht. Sie kann ihn in Gedanken gehen lassen. Die Erinnerungen bleiben und ein Hauch von „Fahrenheit“, der sich unter „Eden“ zu mischen scheint, dessen Duft von dem Papierstreifen vor ihr aufsteigt.

Eden hält sich seit einem Vierteljahrhundert am Markt, selbst wenn eine seitdem wildgewordene Parfümindustrie ihn mit seinen Kolleginnen Loulou, Noa, Anaïs Anaïs und Amor in die Bückzone verbannt hat. Er hat etliche post-Y2K-Neuschöpfungen von Cacharel ausgestochen, deren Produktion wieder eingestellt wurde. Ihm ist auch nicht die Schmach widerfahren, von rosafarbenen Flankern abgelöst zu werden, zusammen mit einer etwas veränderten Loulou behauptet er sich als Solitär, auch wenn mir gerade etwas bange um ihn wird. Was hat es zu bedeuten, dass gerade vier Flakons mit der niedrigeren Chargennummer gekauft wurden und dafür jemand im „Galeria“ in die Knie gegangen sein muss...

Die Aufmachung wirkt auf den ersten Blick unverändert, im Vergleich ist die Kartonage einen Hauch stärker kontrastiert, zusätzlich steht „London“ neben „Paris“, „New York“ und „Montreal“ auf der Unterseite der neuen Packung. Eine Reformulierung obendrein?
Einen Vintage habe ich leider nicht, vermutlich ist der Duft in früheren Reformulierungen geglättet worden, die leicht herbe, krautige Note, die Viele beim Riechen am Flakon - Nicht in die Nase stecken, bitte! - zurückprallen lässt, hat er behalten. Ein Spröder, der sich nicht mit Jedem einlassen mag. In der Welle der gerade modischen zuckersüßen Düfte verbannt ihn das gnadenlos in die „Iiiih, Oma“-Riege, was er mit einem abgeklärten Nicken abtut, ohne Resignation, er weiß, dass er eben anders ist und dennoch seine Anhänger hat, die ihn kaufen werden, solange er nicht ganz entstellt wird, ohne sich darum zu scheren, wenn jemand ihn naserümpfend „Blumenwasser“ nennt. Der opake lindgrüne Flakon ist unverändert, möglicherweise etwas schlechter verarbeitet, verloren ging auf dem Weg durch 2 1/2 Jahrzehnte, was früher zu Düften gehörte: Seifen, Duschbäder, duftende Cremes, Nickytücher und andere Werbeartikel - sie sind, zu phantastophelischen Preisen, im temporären Museum namens „eBay“ anzuschauen.

PS: Was sich der Kaufhauskonzern mit den Ks und dieverse Seiten im Netz dabei denken, als Pyramide "Kopfnote Maiglöckchen, Hyazinthe, Melone, Freesie. Herznote Ylang-Ylang, Pfingstrose, Pfirsich, Jasmin, Rose. Basisnote Zedernholz, Moschus, Veilchen" aufzulisten, ist mir ein Rätsel.
13 Antworten
Brigida vor 6 Jahren 7 5
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
"CHYPRE, FIORITA, ANIMALICA" - Chypre, blumig, animalisch
schreibt Mavive.it auf seiner Website zu "Signature for Woman".
Da steh ich nun, mit der vermutlich letzten Packung der Stadt aus dem Abverkauf und denke so bei mir "Was habe ich getan?! Ich hab doch schon so viele Parfums..." Nur: dieser wunderschöne blumenbedruckte Tester im Drogeriemarkt hatte es mir angetan. Und dann lese ich vorm Aufreissen des Cellophans, dass der Flakon gar nicht drin sei in der schwarzen, leuchtend geblümten Packung, nur was schnöde Etikettiertes. Grrr! "Was mach ich nun?" Gleich drei Klau-mich-nicht-Streifen bappen dran, der "lieben" Kundschaft geschuldet, als ginge es nicht um einen Designerduft, sondern mindestens einen Lagerfeld seiner vergangenen besseren Ära.

Neugier war der Katze Tod. Natürlich habe ich die Packung aufgemacht und Flüchtigs Frage zum ersten Kommentar ist beantwortet: Es ist das Papieretikett, hinten wie vorne und der schwarze Flakon mit den altmeisterlichen Blüten ist auch so sehr hübsch. Ein sehr gesitteter Patchouli weht mich an und ich erinnere mich, dass ich den Duft bei Einführung nicht gekauft hatte, weil der Patchouli sich so schnell davon gemacht hatte und der Test dezent fruchtig-blumig geendet war. Der Jasmin erinnert mich an den in Penhaligon’s Peoneve, dem vertrackten Blindkauf, jedoch deutlich dezenter, so dass er mich nicht stört. Blumig, pudrig, warm. Einen NR habe ich nicht zum Vergleich zur Hand, vielleicht ein ander Mal...

Knappe fünf Stunden später... Ich: "Wie Sie riechen, riechen Sie nichts. Oder kaum was." Der Mann: "Aber Hallo! Süß! Puh!" Da müssen Amber und Moschus sein. Wenn ich zugebe, dass meine Nese dzu ist *dnüff* kann ich mich hier nicht mehr blicken lassen, also Vi*.*.in a*.t, einkaufen gehen. Vor der Tür riecht es animalisch, aber deutlich fäkal. Bäh, Hundeh*.*.n, nichts wie weg! Die Nase ist eindeutig nicht mehr zu, mit viel gutem Willen am Handgelenk noch ein Hauch. Warum sie den "Chypre" nennen, verstehe ich nicht, aber lassen wir es ruhig als ehrenwerten Versuch gelten, eine etwas andere Linie als die markenübliche Moschus-Vanille-Basis-Richtung zu fahren. "Sie tanzte nur einen Sommer lang" - "Replay Signature" auch und es wird mir nicht das Herz brechen, weil es dazu für einen Duft doch ein bißchen mehr braucht.

PS: Womit ich auf keinen Fall ausdrücken möchte, der sei ungut, er hat durchaus gefallen und kommt in den Bewertungspunkten ja auch deutlich besser weg als andere Düfte der Marke. Der Wunsch nach ein bißchen mehr Beständigkeit kollidiert wohl mit dem immer schneller drehenden Designermoden- und Handelskarussel.

5 Antworten
Brigida vor 6 Jahren 9 4
8
Flakon
0
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
Großstadt-Fußgängerzone
Das zweite Julidrittel und seit Wochen hat es nicht geregnet, die Schwüle hielt den ganzen Tag. Nun plötzlich fallen erste dicke Tropfen vom Himmel, auf die erhitzen Steinplatten der Gehwege, Asphalt, Platanenblätter, die mobilen Blumenbeete der Stadtgärtnerei. Es regnet nicht stark, doch die Fußgängerzone leert sich, Passanten ohne Schirme verschwinden in Geschäften oder stellen sich in Türeingängen unter. Ein Zeitlang duftet es blumig-süß, das Mineralische der Steine hält dagegen, bevor es in etwas Undefinierbarem aufgeht. Der Schauer dauert nur eine Viertelstunde und reicht nicht, um Abkühlung zu bringen. Als er aufgehört hat trocknen die Steinplatten sofort, die Fußgänger nehmen ihre Wege wieder auf. Andere bleiben, an Hauswänden gelehnt, den Blick aufs Handy gerichtet. Eine junge Frau mit einer Ukulele singt „I’m crazy, crazy, crazy, crazy about you...“. Ihre Stimme ist nicht unangenehm, ein bißchen hoch und mit etwas viel Tremolo, doch sie wirkt anmutig in ihrem blaugeblümten langen Sommerkleid und das macht in der gelösten Stimmung nach dem Regen viel wett; der Akkordeonspieler, der auf ihren Platz wartet, sitzt auf einer Bank und nickt im Takt.

Gern hätte ich mehr vom Sommerregen gerochen, doch wie CK2 war er ein kurzlebiges Vergnügen. Auch beim dritten Test wurde CK2 kein Kaufkandidat.

4 Antworten
Brigida vor 7 Jahren 26 4
9
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Arbeitstitel: Über Frucht, Früchtchen und die Ambivalenz
Während sie am Schreibtisch vor ihrem Computer sitzt, dies und das lesend, klingelt das Handy unvermittelt, ungewöhnlich für diese Uhrzeit. Sie muss zwei Mal hinsehen - wirklich, das kleine Display ihres un-smarten Telefons zeigt diesen halb vergessenen Namen - ungläubig und zögernd hebt sie ab. Fast auf den Tag genau ein Jahr, wird sie später sehen, hat sie diese Stimme nicht gehört; keine Antwort auf die SMS zum Geburtstag, keine auf die Weihnachtsgrüße; nur dieses Schweigen, das sie so gut kannte. Zufall oder Fügung hatte sie immer wieder zusammengebracht, eine seltsame Art Magie. Jetzt klingt es, als sei er im Zimmer nebenan, nur ein paar Meter, nicht Hunderte Kilometer entfernt; kein Motorengeräusch wie so oft, auf dem Weg von irgendwo her nach irgendwo hin. „Hallo…! Hi, wie geht es Dir?“ Ein Hauch von „Fahrenheit“ scheint plötzlich im Zimmer zu schweben. Immer noch dieser leichte Akzent, den er nie abgelegt hatte, das Schwungvolle, mit dem er überreden will und das intim Hingehauchte zum Ende des Satzes hin, dieser Aplomb!

Wie es geht? So plötzlich? Wäre die Antwort auf seine Frage ein Parfum, es wäre Womanity. Die Süße der Begegnungen, das Salzige der Tränen, die diese Affaire sie gekostet hat. Die kontroversen Bewertungen, das Kommen und Gehen des einen wie des anderen Elementes dieses so wechselhaften Duftes, himmelhoch-jauchzende Süße, kalte salzige Spritzer von Gischt; Kaviarperlen, Sekt in goldgerandeten Gläsern, Leichtsinn. Feige, die für verrucht geltende Liebesfrucht, flammendes Rot, vollreif, süß, kleine irritierende Kernchen und unter der samtigen Schale diese weiße Schicht harzige Herbheit; Meerwasser, salzig-bitter von Mineralien, Kommen und immer wieder Gehen, wie ablaufende Wellen am Strand, nicht festzuhalten, wie die seltenen Stunden mit ihm.

„Ich habe dich vermisst, weisst Du, wie sehr ich dich vermisst habe?“ Diese so fremdgewordene, so vertraute Stimme. Diese Chuzpe! Ein Jahr ist eine lange Zeit. Wie es ihm gehe, dort im Süden, will sie wissen und wie früher schon will er nicht recht heraus; seinen wirklichen Geburtstag kennt sie nur durch einen Zufall. Vor sieben Jahren hatte sie ihn zufällig kennengelernt, in dem Jahr, in dem „Womanity“ auf den Markt kam, dieser in einen Flakon gegossene Widerspruch, seiner Zeit schockierend voraus, der sich im Licht von Rosa zu Vanillegelb verändert. Das Parfum, dessen Käuferinnen in der Parfümerie so oft skeptisch gefragt werden „Kennen Sie den?“ was übersetzt heisst: „Sie tun das auf eigene Verantwortung!“ Kaltes strukturiertes Glas und futuristisch geformtes, dunkelgefärbtes Metall, das rätselhafte Gesicht am Flakon, ein Ring, eine Kette - Metall, wie er für seine Kunst formt. Eine Reihe von One Night Stands, mehr hat er nie zugelassen, sie hat sich damit zufrieden gegeben, sie wusste, es war besser so. Wer trägt diesen Duft schon jeden Tag…? Überdosierung rächt sich. „Du bist doch mein Geheimnis“ sagt er und „Ich komme nach * * * *, ich melde mich nächste Woche.“ Ein paar Textnachrichten werden noch kommen, an diesem und dem nächsten Tag - „Schreib mir was Süßes, etwas Heißes. Ich warte.“ - sie wird sie nicht beantworten. Die nächste Woche wird dahin gehen. Halb rechnet sie damit, daß er plötzlich vor ihrer Tür stehen wird, halb nicht, Zwillingsgeborene, Widersprüchliche, die sie selber ist…

Womanity ist einer, vor dem ich Respekt habe, weil ich viele Düfte nicht lange wahrnehme und der, wie die anderen Muglers ein ordentliches Kaliber ist trotz seiner vorgetäuschten fruchtigen Harmlosigkeit. Ein Sprüher für beide Handgelenke und einer an den Hals reichen für viele Stunden - was auch die Schulmädchen beherzigen sollten, die schon den Ruf des armen Aliens durch erbarmungsloses Eindieseln ruiniert haben, notfalls unter Verwendung jämmerlicher Imitate. Glücklicherweise hat Womanity nie diese Beliebtheit erlangt in seiner janusköpfigen Art. Ich finde ihn originell und für dieses schon halb herbstliche Wetter gut geeignet - die Dosis macht das Gift.
4 Antworten
Brigida vor 8 Jahren 21 12
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Autumn Leaves...
" "Erotique" trug ich, als mein jüngerer Liebhaber mich verliess; es war ein vorgezogener Herbststag im August, wolkenverhangen, ein wenig windig. Er rief an, um mir zu sagen, dass er einen Tag früher als geplant zu seiner Reise nach Süden aufbrechen würde und hatte mir am Handy, tongue in cheek, "noch einen schönen regnerischen Tag in * * * * gewünscht, wir hatten beide darüber gelacht - wie oft regnete es in dieser Stadt… Ich lauschte seiner Stimme - den leichten Akzent hatte er nie abgelegt - und stellte ihn mir am Steuer seines nachtblauen, liebevoll restaurierten Sportwagens mit den dunklen Ledersitzen vor, die schönen Hände, das dichte, dicke, dunkle Haar, das mich immer so begeistert hatte, mit zu vielen, zu früh ergrauten Strähnen jetzt; die letzten beiden Jahre waren von Schicksalschlägen überschattet gewesen. Er würde auch im Alter noch phantastisch aussehen, schlank, gebräunt, sportlich, leichte Bewegungen, umgeben von mehr als einem Hauch von "Fahrenheit", oft enthusiastisch, immer mitreissend, ein Lächeln wie Errol Flynn, wenn er es darauf anlegte, zu bezaubern. Jetzt, mit Anfang Vierzig, brach er auf, ein neues Leben in einer anderen Stadt zu beginnen und ich wünschte ihm alles Gute…

Ob "Erotique" die richtige Namenswahl für diesen Duft war, wüsste ich wirklich nicht zu sagen; als er 2013 auf den Markt kam, dachte ich "die haben die Kopfnote vergessen!", so holzig-würzig kam er daher, ungewöhnlich für einen "Star-Duft". Wahrscheinlich habe ich bei den ersten Tests völlig überdosiert. Inzwischen hat Lady Gaga mit "Eau de Gaga" nachgezogen, auch dieser eher ein Unisex-Duft, wenn auch unter "Damenparfums" verzeichnet.
Für mein Empfinden ist "Erotique" nicht "erotisch", zumindest nicht vordergründig. Ich finde ihn warm, auch tröstlich, ein Herbst-Duft für die Zeit, bevor gegen die Kälte die schweren, orientalischen Geschütze aufgefahren werden müssen. Ich assoziiere trocken raschelndes Laub, handgestrickte Aran-Pullover und Lammfelljacken, Waldspaziergänge mit einem kongenialen Freund, Kaminfeuer, Punschgläser - ob der Freund dann zum "Friend with Benefits" wird und die fiktive Geschichte des Paares/Nicht-Paares vom Anfang von Neuem beginnt, Beziehungsstatus: "Es ist kompliziert" - wer weiss es, Pfeffer, Rose und warme Hölzer hat "Erotique" ja.

"The falling leaves drift by the window
The autumn leaves of red and gold..."
- Johnny Mercer -

Stand- und Taschenflakon nehmen die geschliffenen Formen der Vorgänger "Rouge" und "Fleur Teese" auf, die Farbe ist golden, den Flakonhals ziert ein kleines Liebesschloß mit Schlüssel; mir gefällt diese durchgängige, durch Variationen belebte Design-Linie.

Die Vermarktung der Dita-von-Teese-Düfte über die Drogerien habe ich immer sehr unglücklich gefunden, da keiner davon dem "Star-Duft"-Muster - süß, blumig, fruchtig, flüchtig - je entsprochen hat. Die Ditas sind Düfte für erwachsene Frauen, nicht für Teenager und eine entsprechende Platzierung und Bewerbung im Parfümerie-Bereich hätte ihnen vielleicht besser getan.
Nach nicht mal einem Jahr ging der große Flakon schon wieder aus dem Sortiment der Stamm-Drogeriemarktkette. Neon-Gelb markierte oder grüne Etiketten am Regal sagen "KAUF.MICH.JETZT! Du wirst es bereuen, wenn du es nicht tust!" Also gekauft, ein paar mal getragen und einen Bunkerflakon gehortet, denn der kommt nicht wieder.

PS: An den zentaurischen Regalen klebt das Grüne Etikett. KAUFT.IHN.JETZT! Ihr werdet es bereuen, wenn ihr es nicht tut.
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